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Verletzten, und sie war Ärztin. Sie überwand die Furcht, daß er tot sein könnte und ging nun schnell und an nichts anderes denkend hinunter zu ihm. Die Glasscherben klirrten unter ihren Füßen, aber ihr kam auch nicht der Gedanke, daß sie sich verletzen könnte. Sie fühlte seinen Puls und atmete auf, als sie fühlte, daß Leben in ihm war. Aber sie wußte auch, daß sie ihn nur notdürftig versorgen konnte. Er mußte in eine Klinik, die tiefen Schnitte mußten genäht werden. Aber sie sah auch die zerbrochene Whiskyflasche und roch, daß er eine beträchtliche Menge getrunken haben mußte. Trotz allem, was trennend zwischen ihnen stand, wollte sie ihn nicht beruflich in Schwierigkeiten bringen, aber in welche Klinik konnte sie ihn bringen lassen, um auf Diskretion rechnen zu können?

      Es war Nacht, erst ein Uhr vorbei, konnte sie es wagen, Daniel Norden anzurufen, ihn aus dem Schlaf zu reißen?

      Es gab keinen Menschen sonst, den sie um Hilfe bitten konnte. Sie suchte seine Privatnummer aus ihrem Telefonbüchlein heraus. Er hatte sie ihr gegeben, für alle Fälle, hatte er gesagt und damit auch gemeint, wenn sie in Schwierigkeiten sein würde. Mit zitternden Fingern wählte sie die Nummer.

      Fee Norden hatte sich so mit dem beschäftigt, was Daniel über Emely erzählt hatte, daß es sie bis in den Traum verfolgte. Das Läuten des Telefons schien dazuzugehören. Schlaftrunken meldete sie sich. Von nächtlichen Notfällen waren sie in letzter Zeit weitgehend verschont geblieben, und als Emely eine Entschuldigung stammelte, meinte sie schon, daß es eine Fehlverbindung wäre. Aber dann vernahm sie, was Emely ängstigte, daß sie unzusammenhängende Worte über die Lippen brachte. Immerhin war Fee nun gleich hellwach, als sie hörte, daß alles voller Blut sei.

      »Ganz ruhig, Emely, mein Mann ist schon wach geworden. Dein Mann hatte also einen Unfall. Ist er ansprechbar? Er ist nicht ansprechbar«, raunte sie Daniel zu. »Er muß in eine Klinik? Da käme die Behnisch-Klinik in Frage. Bewahren Sie jetzt Ruhe, wir leiten alles in die Wege.«

      Hastig erklärte sie dann ihrem Mann, der sich bereits ankleidete, daß Jörn Brink anscheinend in eine Glasscheibe gestürzt sei und sehr viel Blut verloren hätte.

      Daniel war schon startbereit.

      »Ruf du in der Klinik an, sie sollen einen Krankenwagen zum Tannenweg sieben schicken. Ich fahre gleich hin. Hoffentlich dreht Emely jetzt nicht noch ganz durch.«

      »Sie bildet sich das nicht nur ein«, sagte Fee. Aber sie machte sich Gedanken, was da passiert sein könnte, nachdem sie in der Behnisch-Klinik angerufen hatte.

      Jenny Behnisch machte selbst Nachtdienst, da Dr. Graef eine Grippe auskurieren mußte.

      »Du machst das doch nicht allein, Jenny?« sorgte sich Fee.

      »Dr. Lorenzo hilft aus.«

      »Versteht er denn davon auch etwas?« staunte Fee.

      »Er ist auch ein guter Allgemeinmediziner, und ein Psychotherapeut ist hier manchmal sehr nötig. Die Menschen machen sich selbst verrückt.«

      Fee wollte nicht sagen, daß Emely wohl auch Hilfe benötigte. Sie gab sich Erinnerungen hin an eine Zeit, in der Emely eine glückstrahlende junge Frau gewesen war.

      Daniel fand ein Häufchen Elend vor. Emely zitterte am ganzen Körper, anscheinend einem Nervenzusammenbruch na­he, was er aber verstehen konnte, als er Jörn in den Glastrümmern liegen sah. Er wagte auch nicht, ihn allein zu bewegen, aber der Sanitätswagen kam bald. Die Sanitäter hoben den Verletzten vorsichtig auf eine Trage.

      »Er hat wohl ein bißchen zuviel getrunken«, sagte der jüngere Sanitäter. Man konnte es intensiv riechen.

      Emely wollte mit dem Krankenwagen fahren, aber Daniel sagte, er würde sie zur Behnisch-Klinik bringen. Er hatte ihr ein Beruhigungsmittel gegeben und hoffte, von ihr zu erfahren, wie das geschehen war.

      »Ich habe schon geschlafen, als ich durch das laute Klirren geweckt wurde. Ich hatte Ihnen doch schon gesagt, daß ich manche Nacht durch seltsame Geräusche geweckt wurde, aber diesmal war es sehr laut. Ich war oben und mußte erst die Treppe hinunter, um bis zur Tür sehen zu können«, erzählte sie monoton. Wie in Trance schien sie zu sein, aber vielleicht wirkte das Beruhigungsmittel auch stark.

      Daniel hörte ihr zu, ohne sie zu unterbrechen. Als sie bei der Behnisch-Klinik ankamen, wußte er schon alles.

      Dort lag Jörn schon auf dem Operationstisch. Es war allerhöchste Zeit, denn die Schnitte waren zum Teil sehr tief, und einer hatte die Halsschlagader um Haaresbreite verfehlt. Die Schädeldecke war teilskalpiert, und überhaupt lagen die Verletzungen im Kopf- und Oberkörperbereich.

      Unwillkürlich kam Daniel Norden der Gedanke, daß ein so eitler Mann wie Jörn Brink darunter am meisten leiden würde. Er hatte nur kurz in den OP geschaut und festgestellt, daß Jenny Behnisch und Dr. Lorenzo allein zurechtkamen. So konnte er sich wieder um Emely kümmern, die jetzt fast apathisch wirkte.

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