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keine zehn Sekunden, dann wurde die Tür geöffnet und Licht flutete ins Freie. Geblendet schloss McAllister für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete schaute er in das Gesicht von Nancy Tatum, der fünfundzwanzigjährigen Tochter Big Jacobs. Er nahm den Hut ab, ehe er aber etwas sagen konnte, stieß Nancy hervor:

      »Sie, Deputy! Gütiger Gott, ist Dad etwas passiert? Er ist von seinem Ausritt nicht zurückgekehrt und wir werden von der Sorge regelrecht zerfressen.« Ihr Blick drückte bange Erwartung und Anspannung aus.

      »Kann ich ins Haus kommen?«, fragte McAllister.

      Nancy Tatum blinzelte und schaute wie eine Erwachende. »Natürlich. Entschuldigen Sie. Bitte, treten Sie ein.«

      Sie gab die Tür frei und der Deputy Sheriff betrat die geräumige Halle des Ranchhauses. In der Mitte war eine schwere Polstergarnitur um einen kunstvoll geschnitzten Tisch gruppiert, an dem John Tatum und Cash Lorimer, der Vormann saßen. Vor jedem stand ein Glas mit Whisky, die Karaffe auf dem Tisch war halb geleert, in einem großen Aschenbecher häuften sich die Zigaretten- und Zigarillokippen.

      John Tatum erhob sich und kniff die Augen leicht zusammen. »Du, McAllister. Du bringst uns doch hoffentlich keine schlechte Nachricht. Mein Vater ist überfällig …«

      »Big Jacob wurde angeschossen«, erklärte der Deputy. »Ein Mann, den alle Coltman nennen, hat ihn gefunden, versorgt und den Arzt informiert. Ich denke, euer Vater befindet sich in der Zwischenzeit beim Doc. Von Coltman weiß ich, dass er die ­Kugel in die Brust bekommen hat.«

      Nancys hübsches Gesicht hatte sich entfärbt, John Tatums Züge jedoch hatten sich verfinstert und in seinen Augen schien unvermittelt eine heiße Flamme zu brennen. »Das kann nur Milton Randall getan haben«, knirschte er. »Er ist nicht nur ein gemeiner Dieb, sondern auch ein niederträchtiger Killer!«

      »Wie sind die Chancen unseres Dad?«, fragte Nancy mit einer Stimme, die jeden Moment zu verlöschen drohte. »Hat dieser Coltman irgendetwas gesagt? Stand es sehr schlecht um Dad?«

      »Darüber kann ich keine Aussage machen«, antwortete McAllister, »denn ich bin sofort losgeritten, um euch zu verständigen.«

      John Tatum drehte etwas den Kopf und sagte zu Lorimer, dem Vormann: »Jag jeden verfügbaren Mann aufs Pferd, Cash. Wir reiten zu Randall. Und dieses Mal werden wir ihm nicht mit der Peitsche eine Lektion erteilen. Auf Mord oder versuchten Mord gibt es nur eine Antwort …«

      Lorimer hatte sich, während John Tatum gesprochen hatte, erhoben.

      Tatums letzten Worte hingen wie eine böse Verheißung im Raum.

      »Augenblick!«, stieß der Deputy hervor. »Vollendeten oder versuchten Mord zu sühnen ist Sache des Gesetzes. Die Zeit der Salbeibuschjustiz ist vorbei. Also überlasst es mir, herauszufinden, ob es Randall war, der auf euren Vater geschossen hat. Ich werde morgen, wenn es hell ist, zum Tatort reiten. Dort gibt es sicherlich Spuren. Sollte ich zu dem Schluss kommen, dass Randall dahintersteckt, werde ich ihn verhaften und dem County Sheriff übergeben. Solange seine Schuld jedoch nicht erwiesen ist, gilt er als unschuldig, und er ist unantastbar.«

      »Wer sonst sollte auf Big Jacob geschossen haben?«, fragte der Vormann. »Er hat Randall mit der Peitsche zurechtgestutzt, weil Randall die R.W. bestohlen hat.«

      »Wenn Randall Anzeige erstattet hätte, wäre Big Jacob vor Gericht gestellt und verurteilt worden«, versetzte McAllister mit klirrendem Tonfall.

      »Er hat meinen Vater nicht angezeigt«, meldete sich wieder John Tatum zu Wort, »weil er sich selbst an ihm rächen wollte. Früher hätte ihn mein Vater aufhängen lassen. Zum Dank dafür, dass er ihn am Leben ließ, hat Randall versucht, ihn zu ermorden.«

      »Es gibt keinen einzigen Beweis für diesen Verdacht«, antwortete der Hilfssheriff mit Nachdruck. »Und auf eine reine Vermutung hin wird ihn kein Gericht der Welt verurteilen. Ich rate euch, das Ergebnis meiner Ermittlungen abzuwarten. Sollte sich auch nur der geringste Hinweis für Randalls Schuld ergeben, wird ihn der County Sheriff anklagen.«

      »Dann lass dich nicht aufhalten, McAllister, und fang endlich an, die notwendigen Ermittlungen zu betreiben«, giftete John Tatum und der Zorn ließ seine Augen in einem bösen Licht glitzern.

      »Du musst mir nicht sagen, wie ich meinen Job zu erledigen habe, John«, konterte McAllister kühl und mit unbewegtem Gesicht. Er stülpte sich den Stetson auf den Kopf, tippte mit dem Zeigefinger seiner Rechten gegen die Krempe und heftete den Blick auf Nancy. »Wenn Randall auf Ihren Dad geschossen hat, erhält er dafür die Quittung, Ma’am«, versicherte er. »Wenn er es nicht war, werde ich alles daransetzen, um den Heckenschützen zu finden.«

      Es hatte wie ein Versprechen geklungen.

      Der Deputy schwang auf dem Absatz herum und verließ die Halle. Als pochende Hufschläge verrieten, dass er die Ranch verließ, knurrte John Tatum: »Okay, Cash. Mobilisiere alle verfüg­baren Reiter und lass auch für mich ein Pferd satteln. Ich warte nicht, bis McAllister zu dem Schluss kommt, dass Randall der Mordversuch nicht zu beweisen ist. Wir reiten in einer Viertelstunde.«

      »Es wäre ein Verbrechen«, murmelte Nancy, ging zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. »Daher will ich nicht, dass ihr zu Randall reitet. Mir wäre es viel wichtiger zu wissen, was mit Dad ist. Er hat die Kugel in die Brust bekommen und vielleicht ist er zwischenzeitlich daran gestorben. Die Ungewissheit frisst mich auf. Darum sollten wir uns in die Stadt begeben und …«

      »Das tun wir, sobald getan ist, was getan werden muss«, schnitt ihr John Tatum schroff das Wort ab. »Für das Verbrechen kommt nur Randall in Frage, und darum reiten wir zu ihm, um ihn zu befragen. Und wenn er es war …«

      Er ließ den Rest offen, doch gerade die Unmissverständlichkeit seines Schweigens war erschreckend.

      »Dad würde das ganz sicher nicht wollen, John«, versuchte Nancy noch einmal, ihren Bruder umzustimmen.

      Aber nun trat Cash Lorimer an sie heran, legte seine Hände um ihre Oberarme, zog sie dicht an sich heran und sagte: »Du solltest deinen Bruder gewähren lassen, Darling. Er weiß genau, was er tut. Es dürfte so gut wie sicher sein, dass Randall auf euren Vater geschossen hat. Es war die Quittung dafür, dass Big Jacob ihn schmählich verprügelt hat. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass ihn McAllister des Verbrechens überführt. Darum müssen wir selbst für Gerechtigkeit sorgen. Nur so ist sichergestellt, dass die niederträchtige Tat gesühnt wird.«

      »Aber …«

      Lorimer verschloss die Lippen der jungen Frau mit einem Kuss. Plötzlich aber machte er sich fast abrupt von ihr frei, nickte John Tatum zu und stieß hervor: »Wir reiten in einer Viertelstunde. Ich bringe unsere Leute auf Trab.«

      Er eilte aus dem Haus.

      Fast beschwörend sagte Nancy an ihren Bruder gewandt: »Versprich mir eines John: Egal, was geschieht und was ihr herausfindet – nehmt das Gesetz nicht selbst in die Hände. Überlasst es am Ende einer Jury und dem Richter, über Randalls Schicksal zu entscheiden.«

      Mit ihrem zwingenden Blick übte sie regelrecht Druck auf ihren Bruder aus. Es war, als wollte sie ihn hypnotisieren. Er wandte sich schnell ab und ging zur Treppe, die in die obere Etage hinaufführte, wo sich die Schlafräume befanden. »Ich hole meinen Revolver und mein Gewehr«, sagte er.

      »Versprich es mir, Bruder!«, rief Nancy eindringlich.

      »Es wird ganz an Randall selbst liegen, wie wir mit ihm verfahren. Mach dir keine Gedanken, Schwester.«

      *

      Die Pferderanch lag in absoluter Finsternis. Weder der Mond noch die Sterne konnten die Nacht lichten, denn sie wurden von dicken Wolken verdeckt.

      Es waren insgesamt acht Reiter, vier von ihnen trugen Fackeln. Die flackernden Lichter zuckten geisterhaft in der Dunkelheit, umrissen Pferde und Reiter und warfen ihre Schatten groß und verzerrt auf den Boden.

      Sie hatten in einer Entfernung von etwa hundert Yard angehalten. Die Pferde traten auf der Stelle, tänzelten unruhig, schnaubten und peitschten mit den Schweifen. Die Geräusche,

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