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Verhältnisse daherkommen (»Marxismus«) oder die eine weitere Ausweitung der ökonomischen Strukturlogiken des Kapitalismus einfordern (»Neoliberalismus«). Beide Perspektiven vereint jedoch die These, dass es in der Gesellschaft vor allem um wirtschaftliche Verhältnisse geht, dass vorrangig die Ökonomie das Leben der Menschen bestimme.

      Diese These mag schnell einleuchten, wenn wir bedenken, was wir sozial wären, hätten wir kein Geld zur Verfügung. Geld ist nun einmal das zentrale Medium der Wirtschaft. Über Geld sind wir inkludiert in den wirtschaftlichen Kreislauf des Sozialen – ohne Geld bleiben wir exkludiert. Der Marxismus und der Neoliberalismus würden wohl noch weiter gehen und sagen, dass wir ohne Geld nicht nur von der Wirtschaft exkludiert blieben, sondern von der Gesellschaft schlechthin. Genau diese Anschauung wird hier infrage gestellt: dass die Gesellschaft auf Wirtschaft reduziert werden kann. Dass dies mitnichten der Fall ist, wird insbesondere auf der Basis der soziologischen Systemtheorie gezeigt, die in Anlehnung an Armin Nassehi (2015) als Sozialphilosophie eines »komplexen Liberalismus« vorgeführt wird (siehe zur Herkunft dieses Begriffs Herzog 2013).

       1.2Marxismus

      Marx hat den Anbruch der modernen Gesellschaft besonders präzise wahrgenommen und beschrieben, und zwar als ein Phänomen, das zirkuläre Speziallogiken des Sozialen ausdifferenziert und auf Dauer stellt. Diesbezüglich beschreibt er insbesondere die Wirtschaft als kapitalistische Ökonomie, die sich von den menschlichen Akteuren abhebt und nach einem internen systemischen Expansionsgetriebe läuft: der Vermehrung von Profit, der ständigen Akkumulation von Kapital durch Arbeit. Marx hat den radikalen dynamischen Charakter der kapitalistischen Gesellschaft herausgearbeitet und besonders klar gesehen, dass der Kapitalismus die Gesellschaft in einer nie da gewesenen Weise verändert, alle festen Strukturen auflöst und den permanenten Wandel etabliert (etwa Marx u. Engels 1848).

      Für den Marxismus ist die Ökonomie als materielle Basis der Gesellschaft deren Triebkraft, deren Motor. Marx hat die gesellschaftliche Evolution als einen permanenten Kampf beschrieben, in dem gegensätzliche und unversöhnliche (antagonistische) Kräfte um diese materielle Basis ringen. Im Kapitalismus wird dieser unversöhnliche Konflikt als derjenige zwischen Arbeit(ern) und Kapital(isten) beschrieben, zwischen den Ausgebeuteten und den Eigentümern an Produktionsmitteln. Jene müssen ihre Arbeitskraft zu einem Preis verkaufen, der gerade so hoch ist, dass sie ihre materielle, ihre physisch-biologische Reproduktion sichern können, der aber hinter dem »realen« Wert der Ware zurückbleibt, der durch ihre Arbeit allererst geschaffen wird. Diesen Mehrwert, mithin die Differenz zwischen dem Preis, den Kapitaleigentümer für den Kauf der Arbeitskraft zahlen, und demjenigen Wert, den die Arbeit tatsächlich schafft, streiche der Kapitalist als Profit ein.

      Hier liegt nach marxistischer Perspektive die große Ungerechtigkeit der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Soziallogik des permanenten Profitstrebens. Für den radikalen Marxismus kann dieser Antagonismus, diese unversöhnliche Gegensätzlichkeit, nur durch eine revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems aufgelöst werden, durch welche die Arbeiter selbst zu Eigentümern des Kapitals, der Unternehmen, mithin der Produktionsmittel werden. In der marxistischen Geschichtsphilosophie, dem historischen Materialismus, wird diese revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems als eine soziale Gesetzmäßigkeit beschrieben, die sich mit dem Blick auf die gesamte Menschheitsgeschichte erschließen lasse. Demnach ist die menschliche Geschichte seit dem Ausgang der Urgesellschaft eine Geschichte von Klassenkämpfen und revolutionären Umwälzungen von Gesellschaften und der Entstehung neuer sozialer Formationen, die als Sklavenhalterordnung, Feudalismus und Kapitalismus als eine Kette der Klassengesellschaften mit ihren einander gegenüberstehenden Gruppen (Klassen) beschrieben werden. Am revolutionären Ende dieser Geschichte stünden der Sozialismus und insbesondere der Kommunismus als klassenlose Gesellschaft, in der Menschen in freier Assoziation zusammen leben und arbeiten sowie sich die Früchte ihrer Produktion gerecht teilen.

      Heute gilt die Idee der gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft, die der historische Materialismus geprägt hat, gemeinhin als eine »große Erzählung« im Sinne der postmodernen Philosophie von Jean-François Lyotard (1979), die ihre Glaubwürdigkeit verloren habe. Allerdings wird mithilfe des Marxismus die ungerechte Verteilung innerhalb der Gesellschaft beklagt (siehe aktuell Piketty 2014), die sich letztlich auf die oben beschriebene Akkumulation des Kapitals zurückführen lasse. Eine Lösung des Problems sei die staatliche Lenkung der Wirtschaft, die sich durch entsprechend hohe Besteuerung der Kapitaleigentümer und ihrer Profite, Regelungen zu Mindestlöhnen, Arbeitnehmerschutzgesetze welcher Art auch immer derart steuern lasse, dass es zu mehr Gleichheit in der Gesellschaft kommen könne.

      Der ausgebaute Wohlfahrtsstaat kann als sozialdemokratische Variante einer Gesellschaft gelten, die die Kritik des Marxismus aufgenommen hat, die jedoch letztlich die kapitalistische Ökonomie nicht mehr grundsätzlich infrage stellt. Denn dieser Wohlfahrtsstaat ruht auf der kapitalistischen Entwicklungsdynamik und ihrer Wohlstandsproduktion sowie dem Geld, das diese Ökonomie über staatlich regulierte Steuerzahlungen und Transferleistungen denen zukommen lässt, die aus welchen Gründen immer von der Dynamik dieser Ökonomie nicht, nicht mehr oder noch nicht direkt profitieren können.

      Was außerdem, ausgehend vom Marxismus, anhaltend wirkt und die politischen Gestaltungsversuche der gesellschaftlichen, etwa der wirtschaftlichen, Entwicklung prägt, ist die Idee, dass die materielle Basis der Gesellschaft, die Wirtschaft, zu domestizieren, zu bändigen und planvoll zu regeln sei. Die Aufgabe für diese planvolle Gestaltung wird dem politischen System, insbesondere dem Staat, zugeschrieben.

       1.3Neoliberalismus

      Der Begriff »Neoliberalismus« ist in Kreisen der Sozialen Arbeit zu einem abwertenden Begriff degeneriert, mit dem all das bewertet wird, was dem sozialen Ausgleich, der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft zuwiderlaufe. So wird mit dieser Bewertung eine besondere »Regierung des Sozialen« (im Sinne von Michel Foucault) bezeichnet, die die Opfer von ökonomischen Strukturdynamiken (etwa arbeitslose Menschen) in die Verantwortung nimmt für ihre Probleme, obwohl diese Probleme nicht individuell, sondern gesellschaftlich verursacht seien. In Deutschland stehen die sogenannten Hartz-Reformen der Beschäftigungsförderung, die durch die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Anfang der 2000er-Jahre implementiert wurden, als Paradebeispiel für eine neoliberale Sozialpolitik.

      Der Kern der liberalen Idee, die im Zuge der Aufklärung des 18. Jahrhunderts (etwa von Adam Smith) geprägt wurde, ist in der Tat der einzelne Mensch, der als Erwachsener für sein Leben die volle Verantwortung trage und in der Lage sein solle, sein Leben so frei wie möglich zu gestalten. Die Freiheit des Einzelnen gerate erst dort an ihre Grenzen, wo sie die Freiheit der anderen einschränke. Dieses moralische Postulat der individuellen Freiheit ist Kern des Liberalismus und wird als Voraussetzung gesehen für die Etablierung einer reichtumschaffenden Wirtschaft innerhalb der Gesellschaft. Genauso wie sich der Einzelne in einer liberalen Sozialordnung so frei wie möglich entfalten könne, solle sich die Wirtschaft frei von staatlichen Reglementierungen dynamisch entwickeln können.

      Denn in der Wirtschaft wirke, wie eine bekannte These von Adam Smith (1776) lautet, eine »unsichtbare Hand«, die als Garant für wirtschaftliche Selbstorganisation gilt. Diese Selbstorganisation fuße u. a. auf zwei Prinzipien: zum einen darauf, dass die Individuen nach Nutzenmaximierung streben, und zum anderen darauf, dass die Unternehmen nach Gewinnmaximierung trachten. Durch diese jeweils eigensinnigen, um nicht zu sagen: egoistischen Interessen im Kapitalismus werde schließlich das geschaffen, was die Gesellschaft zum Erblühen bringe: Reichtum und Wohlstand für alle. Im systemischen Gefüge des kapitalistischen Marktes schaffe der Eigennutz der Unternehmen und Individuen Gemeinnutz für alle (siehe für eine aktuelle Lesart dieses Prinzips im Kontext der internetbasierten Netzwerkgesellschaft Bolz 2009).

      Demnach sei die Wirtschaft, wie auch der Marxismus festhält, das zentrale und dominierende gesellschaftliche System mit einer eigendynamischen Bewegung. Im Gegensatz zum Marxismus wird jedoch die Möglichkeit dementiert, dass dieses System

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