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es war auch Eigenliebe, dass ihm die Freitage nicht überdrüssig wurden. Aus Eigenliebe schaffte er viele Bücher an und gefiel es ihm offenbar, dass man wisse, er besitze seltene Bücher. Übrigens ist das nicht mehr als eine persönliche Beobachtung von mir, eine Mutmassung, denn, ich wiederhole es, alles, was ich über Petraschewsky weiss, weiss ich unvollständig, nicht vollkommen, sondern nur nach Vermutungen über das, was ich gesehen und gehört habe.

      Dieses meine Antwort, ich habe die Wahrheit gesprochen.

      Theodor Dostojewsky.

      Als endlich das Todesurteil, welches am 19. Dezember vom Kaiser unterschrieben worden war, verlesen wurde, war keiner unter ihnen, der Reue empfunden hätte. Sein persönliches Verhalten in dieser „längst vergangenen Geschichte“, sagt er in seinem „Tagebuche“, änderte sich erst viel später.

      Die Zeit im Gefängnisse während der achtmonatlichen Untersuchungshaft verlief verhältnismässig günstig, was die äusseren Umstände betrifft. Er war im Alexejschen Ravelin der Festung eingeschlossen, durfte täglich auf eine Viertelstunde im kleinen Hofe allein, aber unter Bedeckung, spazieren gehen, in den letzten Monaten schreiben und lesen. Seine Gesundheit wurde merkwürdigerweise gerade in dieser Zeit fester. Sein ganzes Wesen war durch das Ereignis so erschüttert und nach innen gekehrt, dass er, der in der vorhergegangenen Zeit eine fast bis zum Wahnsinn gehende Ängstlichkeit und Hypochondrie bekundete, — derart, dass nach den Aussagen seines Bruders Andreas fast jede Nacht auf seinem Tischchen ein Zettel lag, worauf geschrieben stand: „heute kann ich in lethargischen Schlaf verfallen; nicht vor so und so viel Tagen begraben!“ — jede Angst und Sorge um sein Leben und seine Gesundheit verlor und schon dadurch widerstandsfähiger wurde. Seine innere Stimmung war zwar wechselnd, doch siegte über alles sein aus der unerschöpflichen Arbeitskraft quellender Lebensmut. So schreibt er an den Bruder am 18. Juli: „Ich bin durchaus nicht herabgestimmt .... manchmal fühlst du sogar, als seist du an dieses Leben schon gewöhnt und es sei alles eins ... aber ... ein anderes Mal stürmt das frühere Leben mit allen seinen Eindrücken förmlich in die Seele ein ... jetzt sind helle Tage, und es ist etwas freundlicher geworden ... auch habe ich Beschäftigung. Ich habe die Zeit nicht vergeudet, habe drei Erzählungen und zwei Romane ausgedacht; an einem derselben schreibe ich jetzt.“

      Dieser „Roman“ war nach Dostojewskys späteren Aufzeichnungen die Erzählung „Ein kleiner Held“, welche in den „Vaterländischen Annalen“ anonym erschien, und zwar erst im Jahre 1857, also zu einer Zeit, da der Dichter noch nicht aus Sibirien zurückgekehrt war. Bruder Michael hatte das Manuskript eingereicht. Theodor Michailowitsch fügt seinen Aufzeichnungen die Notiz bei: (dort konnte man nur das Unschuldigste schreiben). Der Biograph O. Miller fügt hier hinzu, dass der Dichter bei aller Unschuld dieser Erzählung doch eine ihm sehr antipathische Figur aus dem Petraschewskyschen Kreise hineingeflochten habe, und führt eine sehr charakteristische Stelle aus dieser Personalbeschreibung an. Sie lautet: „Auf alles hat er eine fertige Phrase in Bereitschaft ... ganz besonders versehen sich diese Leute mit Phrasen, um ihre tiefe Sympathie für die Menschheit darzulegen ... endlich, um unumstösslich die Romantik zu geisseln, d. h. zum öfteren alles Schöne und Wahre, von welchem jedes Atom kostbarer ist, als ihre schleimige Polypen-Natur.“

      Von der Untersuchungskommission ging die Angelegenheit in die Hände einer eigenen, im Namen des Kaisers amtierenden Gerichtskommission unter dem Vorsitz des Generals Perowsky, welcher beschliessen wollte, alle Angeklagten aus Mangel an Beweisen freizusprechen. Die Sache ging jedoch an das General-Auditoriat über, wo sie kriegsrechtlich behandelt wurde. Sie wurde also kraft der kriegsrechtlichen Gesetze in der Weise beendet, dass alle Angeklagten, mit Ausnahme eines einzigen, Palm, ohne Unterscheidung ihrer Schuld, ob sie nun die Aufhebung der Leibeigenschaft auf gesetzlichem Wege oder mit revolutionären Mitteln angestrebt hatten, ob sie überhaupt einen Umsturz der Staatsverfassung angestrebt, oder, wie Dostojewsky, einen Brief „voll frecher Ausdrücke gegen Kirche und Staat“ vorgelesen hatten — zum Tode durch Füsilieren verurteilt wurden.

      Keiner der Angeklagten hatte indes Kenntnis davon, wann das Urteil verlesen werden würde. Am frühen Morgen des 22. Dezember — so erzählt O. Miller — bemerkten sie eine lebhaftere Bewegung am Korridor und ahnten, dass irgend etwas Ungewöhnliches vorgehe. Einer der Gefangenen, Speschnew, erzählte mit Genauigkeit, dass dies um 6 Uhr war, und um 7 Uhr setzte man sie auf die Wagen und führte sie fort. Nach den Worten Dostojewskys hatte man sie vorher dazu verhalten, ihre eigenen Gewänder anzuziehen, wozu sie unter Begleitung eines Aufsehers geschickt wurden. Speschnew, welcher nicht begreifen konnte, wohin man sie führe, vermutete, man wolle ihnen den Urteilsspruch vorlesen, da man sie aber kriegsrechtlich aburteilte, setzte er voraus, dies werde im Ordonnanzhause geschehen.

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