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Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von Rudyard Kipling
Год выпуска 0
isbn 9788027209255
Автор произведения Редьярд Киплинг
Издательство Bookwire
Über die Täler von Bushahr – die weitsichtigen Adler der Himalayas schwärmen ab vor seinem weiß und blau gestreiften Sonnenschirm – eilt ein Bengale, einst fett und wohl aussehend, jetzt mager und erschöpft. Er hat den Dank zweier distinguierten Fremden empfangen, die er nicht ungeschickt nach dem Tunnel von Mashobra, der zu der großen und heiteren Hauptstadt Indiens führt, gelotset hat. Es war nicht seine Schuld, daß, durch feuchte Nebel am Sehen verhindert, er sie an der Telegraphen-Station und der europäischen Kolonie von Kotgarh vorbei geführt hatte. Es war nicht seine Schuld, sondern die der Götter, von welchen er so fesselnd erzählte, daß er sie über die Grenze von Nahan befördert hatte und daß der Rajah dieses Staates sie für desertierte englische Soldateska hielt. Hurree Babu sprach so lange von der Größe und dem Ruhm seiner Begleiter in ihrem eigenen Lande, bis das einfältige Königlein gnädig lächelte. Er redete in gleicher Weise zu jedem der fragte – oftmals – laut – und mit Variationen. Er bat um Speise, sorgte für Unterkunft, erwies sich als geschickter Arzt bei einer Rippenverletzung, wie sie durch Hinabrollen an einer steinigen Hügelseite entstehen kann, kurz, machte sich in jeder Beziehung unentbehrlich. Der Beweggrund seiner edelmütigen Handlung gereichte ihm zur Ehre. Gleich Millionen von Mit-Sklaven betrachtete er Rußland als den großen Befreier im Norden. Er war ein furchtsamer Mann. Er hatte gefürchtet, seine erlauchten Dienstherren nicht schützen zu können vor dem Haß einer aufgeregten Landbevölkerung. Ihm selbst war es ziemlich gleichgültig, ob ein heiliger Mann geschlagen würde oder nicht, aber … er war sehr dankbar und aufrichtig erfreut, getan zu haben, was in seinen schwachen Kräften stand, um ihr Abenteuer – abgerechnet den Verlust ihrer Bagage – zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Die Schläge hatte er vergessen, behauptete, es wären gar keine Schläge ausgeteilt in der unheilvollen ersten Nacht unter den Föhren. Er forderte weder rückständigen Lohn noch Kostgeld; aber wenn sie ihn dessen würdig hielten, würden sie ihm ein Zeugnis schreiben? Es könnte ihm später nützlich sein, wenn andere, ihre Freunde, über die Pässe kämen. Er bat sie, seiner in ihrer künftigen Größe zu gedenken, denn er »meinte untertänigst«, daß auch er, Mohendro Lal Dutt, M. A. (Mitglied der militärischen Akademie) von Calcutta, dem Staate einen kleinen Dienst erwiesen hatte.
Sie schrieben ihm ein Zeugnis, lobten seine Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und seine nie fehlende Sicherheit als Führer. Er schob es in seinen Gürtel und schluchzte vor Rührung – sie hatten so manche Gefahr zusammen bestanden. – Zur heißen Nachmittagszeit führte er sie durch die überfüllte Hauptstraße Simlas zur Vereinsbank von Simla, wo sie sich identifizieren wollten, und verschwand dann, wie eine Dämmerungswolke über Jakko.
Seht ihn dort – zu dünn geworden, um zu schwitzen, zu eilig, um die Medikamente in seinem kleinen messingbeschlagenen Koffer anzubieten, den Abhang von Shamlegh erklimmen – ein rechtschaffener, fehlerloser Mann. Seht ihn, alles Babutum abgelegt, am Nachmittag auf einem Bett rauchend, während eine Frau mit türkisenbeschlagener Kopfzier südwärts zeigt über das schäbige Grasland. »Tragbahren,« sagt sie, »gehen nicht so schnell wie ein unbeladener Mann, aber seine Vögel könnten doch jetzt schon in der Ebene sein. Der heilige Mann hatte nicht bleiben wollen, obgleich Lispeth ihn gebeten.« Der Babu stöhnt tief, gürtet seine Lenden und geht wieder fort. Er liebt es nicht, nach Dunkelwerden zu wandern; seine Tagesmärsche aber – es ist niemand da, um sie in ein Buch einzutragen – würden Leute, die seine Rasse verspotten, in Erstaunen setzen. Freundliche Dorfleute, die sich des Arznei-Verkäufers von Dacca erinnern, geben ihm Schutz gegen die bösen Geister der Wälder. Er träumt von den Göttern Bengalens, von Universitäts-Lehrbüchern und der Akademie der Wissenschaften in London, England. In der Morgendämmerung geht der auf-und abhüpfende, blau und weiße Sonnenschirm weiter.
An der Grenze der Doon, Mussoovie weit hinten und die Ebene in goldenem Staub im Vordergrund, hält eine abgenutzte Tragbahre, auf der – alle Berge wissen es – ein kranker Lama ruht, der einen Fluß zu seiner Heilung sucht. Dörfer haben sich fast geschlagen um die Ehre, die Bahre zu tragen, denn nicht nur hat der Lama ihnen Segnungen gegeben, sondern sein Schüler auch gutes Geld – voll ein Drittel von Sahibs-Preisen. Zwölf Meilen täglich hat die Dooli gemacht, die fettigen, abgeriebenen Deichselstangen zeigen es, und auf von Sahibs selten benutzten Wegen.
Über den Nilang-Paß im Sturm, wo der treibende Schneestaub jede Falte im Gewande des unbewegten Lamas füllte; zwischen den schwarzen Hörnern des Raieng, wo sie das Pfeifen der wilden Ziegen durch die Wolken hörten, in ermüdendem Gleiten auf schiefrigem Grunde, eingeklemmt zwischen Schulter und Kiefer in den gefährlichen Windungen der gesprengten Straße unterhalb Bhagirati, schwankend und knarrend im langsamen Trott bergab in das Tal der Wasser – eilig hin über die dampfenden Ebenen dieses eingeschlossenen Tales – aufwärts wieder und hinaus, den brüllenden Sturzbächen von Kedarnath entgegen; um die Mittagszeit niedergestellt im schattigen Dunkel mitleidiger Eichenwälder, von Dorf zu Dorf in der Dämmerungskühle (wenn selbst Frommen es nicht zu verübeln ist, daß sie über ungeduldige, heilige Männer fluchen) oder bei Fackellicht, wo selbst die Furchtlosesten an Geister denken – so erreichte die Dooli endlich ihre letzte Station. Die kleinen Gebirgler schwitzen in der mäßigeren Hitze der niedrigeren Sewaliks und sammeln sich um die Priester, um ihren Segen und ihre Bezahlung zu erhalten.
»Ihr habt Verdienst erworben,« sprach der Lama. »Verdienst, größer als Ihr wißt, und, Ihr kehrt zurück zu den Bergen.« Er seufzte.
»Sicher. Nach den hohen Bergen, so bald als möglich.« Die Träger reiben sich die Schultern, trinken Wasser, speien es wieder aus und binden ihre Strohsandalen fest. Kim – sein Gesicht sieht müde und erschöpft aus – zahlt mit kleinem Silbergeld aus seinem Gürtel, hebt den schweren Futterkorb von der Bahre, zwängt ein Oeltuch-Paket – es sind heilige Schriften – unter sein Brustgewand und hilft dem Lama auf die Füße. Frieden ist wieder in den Augen des alten Mannes; er fürchtet nicht mehr, daß die Berge niederstürzen und ihn zerschmettern, wie in der schrecklichen Nacht, als der überflutete Strom sie zurückhielt.
Die Männer heben das Dooli auf und entschwinden dem Blick zwischen den Haufen von Gestrüpp.
Der Lama hebt die Hand gegen den Wall der Himalayas.
»Nicht unter euch, o Gesegnete unter allen Bergen, fiel der Pfeil Unseres Herrn! Und niemals wieder werde ich euere Luft atmen!«
»Aber Du bist zehnmal stärker in dieser guten Luft,« sagte Kim und seiner müden Seele tat der Anblick der ährenreichen, sanften Ebene wohl. »Hier, oder hier herum fiel der Pfeil, ja. Wir wollen sehr langsam gehen, vielleicht ein Kos den Tag, denn die Suche ist sicher. Aber der Sack wiegt schwer.«
»Ah! Unsere Suche ist sicher. Ich bin aus großer Versuchung hervorgegangen.«
Sie wanderten jetzt nur einige Meilen täglich und Kims Schultern trugen die ganze Last – das Gewicht eines alten Mannes, das Gewicht des schweren Speisekorbes mit den geschlossenen Büchern, die Last der Schriften aus seiner Brust und die der Tagebücher. Er bettelte, wenn die Dämmerung kam, legte die Decken für des Lamas Meditation, hielt das müde Haupt auf seinem Schoß während der Nachmittags-Hitze, wehrte ihm die Fliegen ab, bis ihn der Nacken schmerzte, bettelte wieder am Abend und rieb des Lamas Füße, der ihm lohnte mit Versprechung, von Freiheit – für heute – morgen – oder spätestens den folgenden Tag.
»Nie gab es solch einen Chela! Ich zweifle zuweilen, daß Ananda treuer sorgte für Unsern Herrn. Und Du bist ein Sahib? Als ich ein Mann war – vor langer Zeit – vergaß ich das. Jetzt blicke ich oft auf Dich und jedesmal erinnere ich mich, daß Du ein Sahib bist. Es ist sonderbar.«
»Du hast gesagt, es ist weder schwarz noch weiß. Was quälst Du mich mit solcher Rede, Heiliger? Laß mich den andern Fuß reiben. Es reizt mich. Ich bin kein Sahib. Ich bin Dein Chela und mein Kopf ist schwer auf meinen Schultern.«
»Noch ein wenig Geduld. Wir erreichen Freiheit zusammen. Dann werde ich und Du, auf dem fernen Ufer des Stromes, zurückblicken auf unser Leben, wie wir in den Bergen unseren Tagesmarsch hinter uns ausgebreitet erblickten. Vielleicht war auch ich einmal ein Sahib.«
»War nie ein Sahib gleich Dir, ich schwöre es.«
»Ich bin sicher, der Hüter der Bildnisse