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die Erinnerung, wie ich sie erhielt und an das Antlitz dessen, der mich verwundet hatte – ich verweilte ein wenig in Träumereien. Es folgte das, was Du sahest – Streit und Torheit. Gerecht ist das Rad! Des Götzendieners Schlag fiel auf die Narbe. Dann ward ich in meiner Seele erschüttert; meine Seele ward verdunkelt, und das Schiff meiner Seele schwankte auf den Wassern des Wahns. Nicht, bevor ich nach Shamlegh kam, konnte ich meditieren über den Grund der Dinge, oder erspüren die treibenden Graswurzeln des Bösen. Ich mühte mich die ganze lange Nacht.«

      »Aber Heiliger, Du bist unschuldig an allem Bösen. Möge ich Dein Opfer sein!«

      Kim war aufrichtig betrübt um des alten Mannes Kummer und unwillkürlich entschlüpfte ihm Mahbub Alis Phrase.

      »Im Morgendämmern,« fuhr der Lama ernster fort und der Rosenkranz klapperte zwischen seinen Fingern, »kam mir Erleuchtung. Hier ist sie … ich bin ein alter Mann … in den Bergen geboren, in den Bergen aufgewachsen … soll ich nie wieder zwischen meinen Bergen niedersitzen. Drei Jahre wanderte ich durch Hind, aber – kann Erde stärker sein als Mutter Erde? Mein törichter Leib sehnte sich von drunten nach den Bergen oben und nach dem Schnee auf den Bergen. Ich sagte, und es ist wahr, meine Suche ist sicher. So wandte ich mich, durch mich selbst überredet, von dem Hause der Kulu-Frau bergwärts. Den Hakim trifft kein Tadel. Er – der Begierde folgend – sagte voraus, daß die Berge mich stark machen würden. Sie machten mich stark, um Böses zu tun und meiner zu vergessen. Ich ergötzte mich am Leben und an der Lust des Lebens. Ich begehrte steile Abhänge zu erklimmen, ich blickte umher, um solche zu finden. Ich maß die Stärke meines Körpers – welches Sünde ist – an den hohen Bergen. Ich spottete Deiner, als Dein Atem kurz wurde unter Jamnotri. Ich spöttelte, als Du das Gesicht abwandtest vom Schnee auf dem Paß.«

      »Aber das war kein Unrecht. Ich fürchtete mich. Es war berechtigt. Ich bin kein Gebirgler; und ich liebte Dich noch mehr um Deiner neuen Stärke willen.«

      »Mehr als einmal, ich erinnere mich,« er legte seine Wange kummervoll auf seine Hand, »haschte ich nach Deinem und des Hakims Lob für die bloße Kraft meiner Beine. So folgte Böses auf Böses, bis der Becher voll war. Gerecht ist das Rad. Drei Jahre hindurch erwies All-Hind mir alle Ehren – von dem Born der Weisheit in dem Wunderhause, bis« – er lächelte – »bis zu einem kleinen Kind, das bei der großen Kanone spielte. – Die Welt bereitete mir meine Straße. Und warum?«

      »Weil wir Dich liebten. Es ist nur das Fieber von der Aufregung. Ich selbst bin noch krank und angegriffen.«

      »Nein! Es ist, weil ich auf dem Weg war – gestimmt gleich einer Cymbel auf den Willen des Gesetzes – und abwich von der Satzung. Der Ton ward gebrochen: folgte die Strafe. In meinen eigenen Bergen, an der Grenze meines eigenen Landes, auf der Stelle selbst meiner bösen Begierde kommt der Schlag – hier!« (Er berührte seine Stirn.) »Wie ein Novize geschlagen wird, wenn er die Becher nicht richtig stellt, so bin ich geschlagen, der ich Abt von Such-zen war. Kein Wort, siehst Du, aber ein Schlag, Chela.«

      »Aber die Sahibs wußten nicht, wer Du warst, Heiliger!«

      »Wir paßten gut zusammen. Unwissenheit und Begierde eint sich mit Unwissenheit und Begierde und erzeugt wurde Zorn. Der Schlag war mir, der ich nicht besser bin als ein umherschweifender Yak, ein Zeichen, daß mein Platz nicht hier ist. Wer die Ursache einer Handlung lesen kann, ist halbwegs zur Freiheit!

      »Zurück auf den Pfad,« sagt der Schlag. »Die Berge sind nicht für Dich. Du kannst nicht Freiheit wählen und in Knechtschaft der Begierde des Lebens liegen.«

      »Hätten wir doch nie den dreimal verfluchten Russen getroffen!«

      »Unser Herr selbst kann das Rad nicht rückwärts drehen. Und für das Verdienst, das ich erworben hatte, wird mir jetzt noch ein Zeichen.« Er griff mit der Hand unter sein Gewand auf der Brust und zog das Rad des Lebens hervor. »Sieh her! Ich betrachtete dieses, nachdem ich meditiert halte. Nicht mehr als meines Fingernagels Breite blieb unzerrissen durch den Götzendiener.«

      »Ich sehe.«

      »So groß denn ist die Spanne meines Lebens in diesem Körper. Ich habe dem Rad gedient in all meinen Tagen. Jetzt dient das Rad mir. Ohne das Verdienst, das ich erwarb, indem ich Dich auf den Weg leitete, würde mir jetzt noch ein anderes Leben auferlegt sein, bevor ich meinen Strom gefunden hätte. Ist es klar, Chela?«

      Kim starrte auf die schmählich zerstörte Karte. Der Riß ging in der Diagonale von links nach rechts; ging vom Elften Hause, wo Wunsch dem Kind Entstehung gibt (so wird es von den Tibetanern gezeichnet) hinüber durch die Menschen-und die Tierwelt, bis zum Fünften Hause, dem leeren Haus der Sinne. Die Logik war unwiderlegbar.

      »Bevor Unser Herr Erleuchtung gewann,« der Lama faltete mit Ehrfurcht alles wieder zusammen, »nahte Ihm die Versuchung. Auch mir nahte die Versuchung, aber es ist vorüber. Der Pfeil fiel in den Ebenen – nicht in den Bergen. Deshalb: was machen wir hier?«

      »Sollen wir nicht wenigstens auf den Hakim warten?«

      »Ich weiß, wie lange ich lebe in diesem Körper. Was kann ein Hakim tun?«

      »Aber Du bist ganz krank und erschüttert. Du kannst nicht gehen.«

      »Wie kann ich krank sein, wenn ich Freiheit sehe?« Er richtete sich unsicher auf die Füße.

      »Erst muß ich Speise aus dem Dorfe holen. Oh, der mühselige Weg!« Kim fühlte, daß er auch der Ruhe bedurfte.

      »Das ist nach dem Gesetz. Laß uns essen und gehen. Der Pfeil fiel in den Ebenen … aber ich gab der Begierde nach. Mach Dich bereit, Chela.«

      Kim wandte sich zu der Frau mit dem Türkisenkopfschmuck, die müßig Steinchen über die Klippe warf. Sie lächelte ihm freundlich zu.

      »Ich fand ihn, wie einen verirrten Büffel im Kornfeld – den Babu; niesend und schnaufend. Er war so hungrig, daß er seine Würde vergaß und mir schöne Worte machte. Die Sahibs haben nichts.« Sie streckte die leere Hand aus. »Einer hat arge Brustschmerzen. Dein Werk?«

      Kim nickte mit strahlendem Auge.

      »Zuerst sprach ich zu dem Bengalen, später zu den Leuten eines nahe liegenden Dorfes. Die Sahibs werden die Nahrung, die sie bedürfen, erhalten und die Leute werden kein Geld fordern. Der Raub ist schon verteilt. Der Babu lügt den Sahibs etwas vor. Warum bleibt er bei ihnen?«

      »Weil er ein großmütiges Herz hat.«

      »Nie hat ein Bengale ein Herz größer als eine getrocknete Wallnuß gehabt. Aber das ist nicht wichtig … nun, was die Wallnüsse anbetrifft – nach dem Dienst kommt die Belohnung. Ich sagte es, das Dorf ist Dein.«

      »Schade für mich,« begann Kim. »Ich hatte es mir so schön gedacht – (wozu die Schmeicheleien, die für die Gelegenheit paßten, anführen?) Er seufzte tief … »Aber mein Meister, durch eine Vision geleitet –«

      »Huh! Alle Augen sehen nur nach der gefüllten Bettelschale.«

      »– wendet sich von diesem Dorfe wieder den Ebenen zu.«

      »Befiehl ihm zu bleiben.«

      Kim schüttelte den Kopf. »Ich kenne meinen Heiligen und seinen Zorn, wenn man ihm widersteht,« sprach Kim nachdrucksvoll. »Seine Flüche machen die Berge beben.«

      »Schade, daß sie ihn nicht schützen konnten, als man ihm den Kopf zerschlug! Ich hörte, Du wärest der Tigerherzige, der den Sahib niederstreckte. Laß den alten Mann noch ein wenig weiter träumen. Bleibe!«

      »Bergfrau,« sagte Kim mit Strenge, die jedoch das weiche Oval seines jungen Gesichts nicht härter machte, »diese Dinge sind zu hoch für Dich.«

      »Die Götter mögen uns gnädig sein! Seit wann sind Männer und Weiber etwas anderes als Männer und Weiber?«

      »Ein Priester ist ein Priester. Er sagt, er will in dieser Stunde gehen. Ich bin sein Chela und ich gehe mit ihm. Wir haben Speise für die Reise nötig. Er ist in allen Dörfern ein geehrter Gast, aber« – er lächelte kindlich – »das Essen hier ist gut. Gib mir etwas.«

      »Und

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