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wusste selbst nicht, warum er Simone das sagte. Es war ihm ein Bedürfnis, ihr mitzuteilen, dass auch er die besondere Verbindung zwischen ihnen spürte. Selbst wenn nichts daraus entstehen konnte und durfte.

      Unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, starrte Simone dem Prinzen nach, wie er das Krankenzimmer verließ. Sie wusste nicht, was sie denken oder fühlen sollte. Daher tat sie einfach das, was er ihr gesagt hatte, und schloss die Augen, um in einen unruhigen Schlaf zu fallen. Sie träumte von René, mit dem sie einen Ausritt machte. René auf seinem Hengst Kimba, Simone auf Aramis. Sie ritten durch einen Wald und erreichten eine Lichtung, auf der ein Tierarzt mit einer riesigen Spritze und hämischem Grinsen im Gesicht auf ihr Pferd wartete. Als sich Simone erschrocken nach René umdrehte, war er verschwunden. Dafür kam der Mann mit der Spritze immer näher. Bevor er sie Aramis in den Hals rammen konnte, wachte sie mit einem Schrei auf.

      »Ich genieße es wirklich, dass Hasher bei uns zu Besuch ist«, seufzte Felicitas. Sie lag im Bett neben ihrem Mann und schmiegte sich in Daniels Arm. Der Tag war lang und anstrengend gewesen und der Abend in Gesellschaft des Prinzen zwar schön, aber wenig erholsam. »Aber ehrlich gesagt vermisse ich die abendliche Zweisamkeit mit dir schon ein bisschen.«

      Daniel blickte auf sie hinab und strich ihr zärtlich eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

      »Du fühlst dich doch nicht etwa vernachlässigt?« Ein ungläubiges Lächeln lag in seiner Stimme. Mit dem Zeigefinger hob er ihr Kinn und küsste sie sanft.

      »Wenn ich so darüber nachdenke, dann leide ich durchaus unter Schmuseentzug«, raunte sie ihm scherzhaft zu und kuschelte sich noch enger an ihn. »An deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Die Langzeitfolgen sind gar nicht abzuschätzen.«

      »Oje, das klingt ja dramatisch«, ging Daniel auf ihr Spiel ein. »Mit welchen Folgen werde ich denn zu kämpfen haben?«

      Darüber musste Felicitas nicht lange nachdenken. Während sie ihre Fingerspitzen über seine nackte Brust wandern ließ, sagte sie: »Ich werde über einen längeren Zeitraum hinweg vermehrt Streicheleinheiten benötigen. Die Therapie ist langwierig und wird nicht ohne Nebenwirkungen bleiben.«

      »Herrje, auch noch Nebenwirkungen!«, stöhnte Daniel in gespielter Verzweiflung auf. »Das ist ja wirklich bedenklich, welchen Gefahren du dich aussetzt, wenn wir nicht genügend Zeit füreinander haben. Du musst mich wirklich lieben.«

      »Von ganzem Herzen. Hattest du daran je Zweifel?«, hakte Fee verwundert nach und suchte in Daniels Augen nach einer Antwort.

      Im Zimmer war es dunkel. Nur die Nachttischlampe spendete ein romantisches Licht, und so konnte sie nicht viel erkennen. Auch Dr. Norden war auf einmal ernst geworden.

      »Eigentlich nicht. Aber wenn ich an Hashers Wirkung auf die Frauenwelt denke … Ist dir eigentlich aufgefallen, dass sogar Anneka seinem Charme verfallen ist?« Als seine Söhne angefangen hatten, sich für Mädchen zu interessieren, war Daniel ganz gelassen geblieben. Doch jetzt, bei seiner großen Tochter, lagen die Dinge anders. Ein heißer Stich der Eifersucht durchfuhr ihn, wenn er nur daran dachte, dass sich ihr ein Mann nähern könnte.

      In seine Gedanken hinein lachte Fee leise.

      »Ganz so drastisch würde ich es nicht formulieren«, erklärte sie und streichelte versonnen über die Brust ihres Mannes. »Aber in einem Punkt hast du sicherlich recht: Anneka ist kein kleines Mädchen mehr und gegen seine männlichen Reize nicht völlig immun. Eines Tages wirst du dich mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass du nicht mehr der einzige Mann in ihrem Leben sein wirst.«

      Daniel seufzte schwer und drehte sich auf die Seite, damit er Fee besser ansehen konnte.

      »Solange ich mich nicht an den Gedanken gewöhnen muss, dich mit einem anderen zu teilen, ist alles in Ordnung«, raunte er ihr zu und erinnerte sich an das Spiel, das sie vorhin miteinander gespielt hatten. »Aber du wolltest mir noch von den Nebenwirkungen erzählen.«

      »Frag lieber nicht«, ging sie amüsiert auf seine Aufforderung ein. »Die sind wirklich gravierend. Von akuten Sehnsuchtsschüben bis hin zu Urlaubsgelüsten zu zweit ist alles möglich«, warnte sie ihn schelmisch. »Im Augenblick könnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als ein Wochenende ganz allein mit dir zu verbringen, irgendwo in einem schicken Hotel…«

      »Das wäre wirklich schön«, teilte Daniel die Sehnsüchte seiner Frau. »Aber solange Hasher noch unser Gast ist, wird wohl leider nichts draus.« Er beugte sich über sie und strich mit seinen Lippen über ihr seidenweiches Haar. »Ich hoffe, das verstehst du.«

      »Natürlich«, seufzte Felicitas, auch wenn sie tatsächlich einen Anflug von Melancholie fühlte. »Manchmal ist das Schicksal wirklich grausam.«

      Daniel, der spürte, was in seiner Frau vor sich ging, stützte sich auf den Ellbogen und betrachtete sie. Selbst nach all den Jahren schlug sein Herz noch schneller, wenn sie so nah bei ihm war.

      »So schlimm?«, fragte er mitfühlend.

      Fee nickte.

      »Und wenn wir die Therapie vorziehen?«, fragte er sanft und küsste sie. »Um die Nebenwirkungen ein bisschen abzumildern, meine ich.«

      Felicitas wusste, was er im Schilde führte, und war sofort einverstanden.

      »Was für eine ausgesprochen gute Idee«, flüsterte sie ihm ins Ohr und begann seinen Hals mit kleinen Küssen zu bedecken.

      »Auf diese Idee hast du mich gebracht«, erwiderte er mit vor Leidenschaft rauer Stimme und zog die Decke über sie …

      *

      Schwester Emmas Frühdienst in der Behnisch-Klinik hatte schon vor einer Weile begonnen. Sie war gerade in ihre Arbeit versunken, als sie laute Schritte und eine polternde Stimme auf dem sonst so ruhigen Klinikflur aus ihrer Konzentration riss.

      »Herrgott noch mal, wo ist meine Tochter?«, grollte Heinz Kühn und machte vor jeder Tür Halt, um die Namen zu studieren. »Gibt es hier auch Personal oder haben alle frei?«

      Emma schickte ihrer Kollegin einen vielsagenden Blick. Die beiden Schwestern hatten Erfahrung genug, um diesen Menschen in die richtige Kategorie einzusortieren.

      »Ich bin hier und richte gerade die Medikamentengaben für unsere Patienten her.« Tapfer stellte sie sich der Begegnung mit dem übellaunigen, unfreundlichen Mann.

      »Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, erwiderte Heinz Kühn ohne eine Spur Freundlichkeit im verkniffenen Gesicht. »Wo ist meine Tochter?«

      »Wenn Sie mir verraten, wer Ihre Tochter ist, kann ich Ihnen möglicherweise Auskunft geben«, erwiderte Emma so zuckersüß, dass Heinz nur noch wütender wurde.

      Am liebsten hätte er sie mit einer ganzen Schimpftirade überschüttet. Doch die Sorge um sein einziges Kind und seine Nachfolgerin war schließlich größer.

      »Kühn. Simone Kühn«, brummte er eine Antwort.

      Kritisch zog Emma die Augenbrauen zusammen. Sie war vorgewarnt und wusste, was zu tun war.

      »Ihre Tochter darf sich unter keinen Umständen aufregen«, ermahnte sie den älteren Herrn streng, als sie ihn zu Simones Zimmer brachte. »Sie schläft ohnehin die ganze Zeit so unruhig und träumt offenbar ganz schreckliche Sachen.« Mit Schaudern erinnerte sie sich an den markerschütternden Schrei, der sogar bis hinaus auf den Klinikflur gehallt war.

      »Schon gut«, winkte Heinz Kühn grimmig ab. »Ich gebe ihr sicher keinen Grund.«

      »Dann ist es ja gut.« Sie öffnete die Tür und ließ ihn ein, ehe sie zu ihrer Arbeit zurückkehrte.

      Blass und mit schmalem Gesicht lag Simone im Bett und drehte den Kopf. Ein feines Lächeln huschte über ihre Lippen.

      »Paps.«

      Heinz erschrak. Er kannte seine Tochter voller Tatendrang und Schaffenskraft. Sie so angeschlagen und hilflos im Bett liegen zu sehen, schnitt ihm tief ins Herz.

      »Mone, wie geht es dir?« Schnell zog er sich einen Stuhl ans Bett und

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