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zur Alimentation der Klägerin verurteilt und dieses Urteil endgültig bestätigt wurde. Er musste der Klägerin 15 Taler vierteljährlich zahlen, und da dieselbe noch zwanzig Jahre fortlebte, so hat ihm dieser Akt einer heftigen und rohen Selbsthilfe 1200 Taler gekostet! Als er endlich die offizielle Todesnachricht empfangen hatte, schrieb er auf den Brief: »obit anus, abit onus!«164

      Hätte er sich in wohlgeordneten häuslichen Verhältnissen befunden, so würde eine solche Szene, wie die mit der Näherin, unmöglich gewesen sein; aber er wollte, gleich den Philosophen, die bei ihm hoch in Ansehen standen, wie Hobbes und Locke, Descartes und Kant, Hagestolz bleiben und pflegte weniger treffend als witzig zu sagen, dass die Ehemänner umgekehrte Papagenos wären; während dem Papageno in der Zauberflöte sich ein altes Weib blitzschnell in ein junges verwandle, ginge es in der Wirklichkeit den Ehemännern gerade umgekehrt. Das Gleichnis zeigt, wie er von der Ehe dachte. Er hat die Heirat, nicht die Weiber vermieden, die nach seinen eigenen Worten ihm viel zu schaffen gemacht haben: er hat sich seiner Hamburger Jugendsünden geschämt, in Dresden einen natürlichen Sohn gehabt, der früh gestorben ist, in Venedig eine Geliebte im Stich gelassen und in Berlin »in zarten Beziehungen zu einer dem Theater angehörenden Dame gestanden«, die er noch in seinem Testamente bedacht hat.165 In seinen späteren Schriften erscheint er, wie es dem Pessimisten ziemt, als der ausgemachteste Misogyn.

      1. Übersetzungspläne

      So sah sich unser Philosoph auf ein einsames, der Meditation und den literarischen Beschäftigungen gewidmetes Leben angewiesen. Auch in dieser Hinsicht war die Berliner Periode bisher steril geblieben. Während seines letzten Aufenthaltes in Dresden hatte er den Plan gehabt, einige Schriften des englischen Philosophen David Hume und des italienischen Philosophen Giordano Bruno ins Deutsche zu übersetzen; bei diesem hatte er die Schrift »Della causa, principio ed uno«, bei jenem »The natural history of religion« und »Dialogues on natural religion« ins Auge gefasst, da man aus einer Seite von Hume mehr lernen könne als aus sämtlichen Werken von Schleiermacher, Hegel und Herbart (1824).

      Angemessener aber und seiner würdiger war es, wenn er, der deutsche Philosoph, dem die englische Sprache beinahe zur zweiten Muttersprache geworden, den größten aller deutschen Philosophen ins Englische übersetzte. Er war daher lebhaft überrascht und erfreut, als er in der »Foreign Review« einem Artikel über Damirons Geschichte der Philosophie in Frankreich begegnete (Juli 1829), worin der Wunsch nach einer englischen Übersetzung der Hauptwerke Kants ausgesprochen wurde. Der ungenannte Verfasser des Artikels war Francis Haywood in Liverpool. An diesen schrieb Schopenhauer und legte ihm, einleuchtend und wohlgeordnet, alle Gründe dar, aus denen er bereit sei, das gewünschte Werk auszuführen: Deutschland habe während des letzten Jahrhunderts zwei Genies wahrhaft ersten Ranges hervorgebracht: Kant und Goethe; die vielgenannten Nachfolger Kants seien mit diesen nicht zu vergleichen, und der gegenwärtige Philosoph, der von sich reden mache, Hegel, »a mere swaggerer and charlatan«. Die Deutschen seien unfähig, Kant zu verstehen und zu würdigen; die Engländer dagegen wären es imstande, denn sie seien die intelligenteste Nation in Europa; freilich sei das Verständnis Kants sehr schwierig, denn seine Meditationen wären die tiefsinnigsten, die je in eines Menschen Kopf gekommen. Nun habe er sein Leben metaphysischen Betrachtungen gewidmet und seit zehn Jahren als Lehrer der Logik und Metaphysik der Berliner Universität angehört, wie deren Lektionsverzeichnisse ausweisen; der geniale Jean Paul habe sein Werk ein genial philosophisches, kühnes, vielseitiges Werk voll Scharfsinn und Tiefsinn genannt; und von allen Schriften über Kants Lehre, die sich auf tausend belaufen, habe der Theologe Baumgarten-Crusius in seiner christlichen Sittenlehre nur zwei hervorgehoben: Reinholds Briefe über die kantische Philosophie und die Kritik der letzteren von Schopenhauer.166

      Man möge die Sache nicht fallen lassen, mahnte er in einem späteren Brief an die Verleger der Zeitschrift, denn es könne ein Jahrhundert vergehen, bevor in einem und demselben Kopf so viel kantische Philosophie und so viel Englisch zusammentreffen, wie in dem seinigen. Und darin hatte er vollkommen recht. Nur die Hinweisung auf seine akademische Lehrtätigkeit und die Berliner Lektionsverzeichnisse macht einen etwas wunderlichen und seiner Wahrheitsliebe nicht gerade günstigen Eindruck, denn in diesen Verzeichnissen stand freilich nicht zu lesen, dass er seine »zehnjährige Lehrtätigkeit« nur während eines Semesters ausgeübt hatte.

      Als die zu übersetzenden Hauptwerke Kants bezeichnete er in erster Reihe die »Kritik der reinen Vernunft«, die »Prolegomena« und die »Kritik der Urteilskraft«, in zweiter die »metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft« und die »Kritik der praktischen Vernunft«. Für die Übersetzung der Vernunftkritik forderte er ein Jahr, für die der Prolegomena drei Monate. – Haywoods ungereimten Gegenvorschlag, dass er übersetzen wolle, Schopenhauer die Übersetzung korrigieren möge, ließ er unerwidert. Alle weiteren Schritte, die er zur Herstellung dieser ihm so wichtigen Sache teils bei dem Verleger der Review, teils bei dem Dichter Thomas Campbell noch versucht hat, blieben erfolglos.

      Statt der Werke Kants ins Englische übersetzte er ein spanisches Büchlein ins Deutsche: es war ein Schatz von dreihundert Regeln der Welt- und Lebensklugheit, welchen aus den Werken des berühmten Balthasar Gracian, Jesuitenrektors in Tarragona, dessen Freund Lastanosa gesammelt und als Handorakel: »Oraculo manuel y arte de prudencia« herausgegeben hatte (1653). Schopenhauer wollte seine dem Geist und Stil des Originals angepasste Übersetzung unter dem Namen Felix Treumund herausgeben und hatte auch mit dem Professor Keil in Leipzig schon Verhandlungen darüber angeknüpft (1832), die wohl zur Herausgabe geführt hätten; aber er gab die Absicht der letzteren auf, da er die Übersetzungskunst zu wenig geschätzt sah.167

      Der Gegenstand einer zweiten Übersetzung war eines seiner eigenen Werke. Damit die Schrift »über das Sehn und die Farben«, die doch einiges Aufsehen erregt hatte, auch im Auslande bekannt werde, hielt er es für zweckmäßig, dieselbe ins Lateinische zu übertragen und in der Sammlung der »Scriptores ophthalmologici minores«, die Justus Radius in Leipzig herausgab, einrücken zu lassen. Er schrieb deshalb an den Herausgeber (März 1829), und die Sache wurde so eingerichtet, dass die Schrift unter dem Titel »Theoria colorum physiologica eademque primaria« in dem dritten Bande der »Scriptores« als dessen erstes Stück erschien (1830).

      In dem Brief an Radius und in der Abhandlung selbst hatte Schopenhauer darauf hingewiesen, dass die Sensualisten, wie Locke und Condillac, nicht imstande gewesen wären, die Gesichtswahrnehmung zu erklären, da sie den Unterschied zwischen Eindruck und Wahrnehmung, zwischen Sensation und Anschauung nicht erkannt und daher beide für dasselbe gehalten hätten. Diesen Unterschied habe erst Kant entdeckt und dargetan, daher seine Philosophie sich zu der sensualistischen verhalte wie die Analysis zu den vier Spezies.

      Nicht ohne Bewunderung sehen wir diesen Mann vollkommen gerüstet, in derselben Zeit ein spanisches Buch ins Deutsche, die schwierigsten und tiefsinnigsten Werke der deutschen Philosophie ins Englische und eine seiner eigenen Schriften, welche keineswegs zu den leichteren gehörte, ins Lateinische zu übersetzen. Zu der Kenntnis dieser vier Sprachen kam bei ihm noch die der französischen in gleicher Vollkommenheit, dann die der griechischen und italienischen Sprache.

      Fünftes Kapitel

      Der erste Abschnitt der Frankfurter Periode (1831 – 1841)

      1. Traum und Flucht

      In der Neujahrsnacht von 1831 hatte Schopenhauer, den wir als einen traumgläubigen Philosophen noch werden kennen lernen, ein Traumgesicht, das er sich als eine bedeutungsvolle Warnung auslegte: er sah seinen Vater und einen früh verstorbenen Spielkameraden aus den Tagen seiner Hamburger Kindheit vor sich und glaubte, dass diese Erscheinung eine im neuen Jahr ihm bevorstehende Todesgefahr bedeute. Als nun die Cholera herannahte, verließ er Berlin im August 1831 und begab sich nach Frankfurt am Main. Diese Flucht galt ihm als die Rettung aus der Gefahr, vor der jener

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