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Liede heißt.

      Als die ersten drei Jahre verstrichen waren, meldete sich ein anderer Freier. Er war häßlich zu schauen, ihre Eltern glaubten aber, daß er reich sei, und sie zwangen sie durch Reden und Versprechungen, durch Schläge und böse Worte, ihn zum Manne zu nehmen. An jenem Tage starb Margarete Celsing.

      Seit jener Zeit hat es keine Margarete Celsing gegeben, sondern nur eine Majorin Samzelius, und sie war nicht gut, nicht sittsam; sie glaubte an viel Böses und gab nicht acht auf das Gute.

      Du weißt es wohl, wie dann alles gekommen ist. Wir wohnten in Sjö, hier am Löfsee, der Major und ich. Aber er war nicht reich, wie die Leute gesagt hatten. Ich hatte schwere Tage.

      Da kam Altringer heim, und nun war er reich. Er ward Besitzer von Ekeby und unser Nachbar. Er kaufte auch noch sechs andere Güter am Löfsee. Er war tüchtig, unternehmend; ein herrlicher Mann war er. Er stand uns bei in unserer Armut, wir fuhren in seinem Wagen, er sandte uns Speisen für unsere Küche, Wein für unsern Keller. Er füllte mein Leben mit Fest und Freude. Als der Krieg ausbrach, reiste der Major fort, was aber kehrten wir uns daran! Den einen Tag war ich sein Gast auf Ekeby, den nächsten Tag kam er nach Sjö. Ach, es ging wie ein Freudenreihen an den Ufern des Sees entlang!

      Dann aber fingen sie an, Böses über mich und Altringer zu reden. Hätte Margarete Celsing gelebt, so würde es sie sicherlich betrübt haben, mir aber tat es nichts. Doch wußte ich noch nicht, daß dies daher kam, weil ich tot, weil ich gefühllos war.

      Die bösen Gerüchte über uns fanden ihren Weg bis zu meinem Vater und meiner Mutter, die da oben zwischen den Kohlenmeilern im Elfdalswalde lebten. Die Alte besann sich nicht lange; sie reiste hierher, um mit mir zu reden.

      Eines Tages, als der Major fort war und ich mit Altringer und mehreren andern zu Tische saß, kam sie nach Sjö. Ich sah sie in den Saal eintreten, aber ich fühlte nicht, daß es meine Mutter war, Gösta Berling. Ich begrüßte sie wie eine Fremde und bat sie, an meinem Tische niederzusitzen und teil an der Mahlzeit zu nehmen. Sie wollte mit mir reden, als wenn ich ihre Tochter sei, aber ich sagte ihr, sie irre sich, meine Eltern lebten nicht mehr, sie seien beide an meinem Hochzeitstage gestorben.

      Da ging sie auf das Spiel ein. Siebzig Jahre zählte sie, dreißig Meilen war sie in drei Tagen gefahren. Jetzt setzte sie sich ohne weitere Umstände an den Mittagstisch und aß mit uns; sie war eine kräftige alte Frau.

      Sie meinte, es sei doch traurig, daß ich just an dem Tage einen solchen Verlust erlitten habe.

      ›Das Traurigste bei der Sache war‹, entgegnete ich, ›daß meine Eltern nicht einen Tag früher gestorben waren, denn dann wäre nichts aus der Hochzeit geworden.‹

      ›Frau Majorin sind also nicht glücklich in Ihrer Ehe?‹ fragte sie darauf.

      ›Ja‹, sagte ich, ›jetzt bin ich glücklich. Ich werde stets glücklich sein, dem Willen meiner teuren Eltern zu folgen.‹

      Sie fragte, ob es der Wille meiner Eltern gewesen sei, Scham und Schande über sie und mich selber zu bringen und meinen Gatten zu betrügen. Wenig Ehre erzeige ich meinen Eltern, indem ich mich selber in der Leute Mund bringe.

      ›Sie müssen so liegen, wie sie sich gebettet haben‹, erwiderte ich. ›Und übrigens mag die fremde Dame wissen, daß ich mich nicht darin finde, daß jemand die Tochter meiner Eltern verhöhnt.‹

      Wir aßen allein, wir beide. Die Männer rings um uns her saßen schweigend da und konnten weder Messer noch Gabel rühren.

      Die Alte blieb einen Tag und eine Nacht, um sich auszuruhen. Aber solange ich sie sah, konnte ich nicht begreifen, daß es meine Mutter war. Ich wußte nur, daß meine Mutter gestorben sei.

      Als sie reisen wollte, Gösta Berling, und ich neben ihr auf der Treppe stand und der Wagen vorgefahren war, da sagte sie zu mir: ›Einen Tag und eine Nacht bin ich hier gewesen, ohne daß du mich als Mutter hast anerkennen wollen. Auf öden Wegen bin ich hierhergereist, dreißig Meilen in drei Tagen. Und aus Scham über dich zittert mein armer Körper, als sei er mit Ruten gepeitscht. Möchtest du verleugnet werden, wie ich verleugnet worden bin, verstoßen werden, wie ich verstoßen bin. Möge die Landstraße dein Heim, der Graben dein Bett, der Kohlenmeiler deine Feuerstätte werden. Schande und Verschmähung sei dein Lohn, mögen dich andere schlagen, so wie ich dich jetzt schlage!‹

      Und sie versetzte mir einen harten Schlag auf die Wange.

      Ich aber hob sie auf, trug sie die Treppe hinab und setzte sie in den Wagen.

      ›Wer bist du, daß du mich verfluchst?‹ fragte ich. ›Wer bist du, daß du mich schlägst? Das leide ich von niemand!‹

      Und ich gab ihr die Ohrfeige zurück. Im selben Augenblick fuhr der Wagen, aber da, in dem Augenblick, Gösta Berling, wußte ich, daß Margarete Celsing tot sei. Sie war gut und unschuldig. Sie kannte nichts Böses. Die Engel würden auf ihrem Grabe geweint haben. Hätte sie gelebt, sie würde niemals ihre Mutter geschlagen haben.«

      Der Bettler an der Tür hatte gelauscht, und die Worte hatten für einen Augenblick das Sausen der ewigen Wälder übertäubt. Sieh, diese reiche Frau stieg zu ihm herab in ihren Sünden, ward seine Schwester in ihrem Elend, nur um ihm Mut zum Leben zu machen. Er sollte erkennen lernen, daß auch auf den Häuptern anderer Sorge und Schuld lastete. Er erhob sich und trat auf die Majorin zu.

      »Willst du jetzt leben, Gösta Berling?« fragte sie mit einer Stimme, die von Tränen fast erstickt war. »Weshalb willst du sterben? Du hättest ein tüchtiger Pfarrer werden können, nie aber war der Gösta Berling, den du in Branntwein ertränktest, so strahlend unschuldsrein wie die Margarete Celsing, die ich in Haß erstickte. Willst du jetzt leben?«

      Gösta fiel vor der Majorin auf die Knie. »Vergib mir«, sagte er, »aber ich kann nicht.«

      »Ich bin eine alte Frau«, sagte die Majorin, »verhärtet in bitterem Kummer, und ich sitze hier und gebe mich selber einem Bettler preis, den ich halb erfroren in einer Schneewehe am Wege gefunden habe. Es geschieht mir recht. Geh Er nur hin und werd’ ein Selbstmörder, dann kann Er jedenfalls nichts von meiner Torheit erzählen.«

      »Ich bin kein Selbstmörder, ich bin ein zum Tode Verurteilter. Mache mir den Kampf nicht zu schwer. Ich kann nicht leben. Mein Körper hat die Obergewalt über meine Seele gewonnen, deswegen muß ich die freigeben, damit sie zu Gott kommen kann.«

      »Er glaubt also, daß sie zu Gott kommt?«

      »Lebt wohl, Majorin Samzelius, lebt wohl!«

      »Leb wohl, Gösta Berling!«

      Der Bettler erhob sich und ging mit hängendem Kopf und schleppenden Schritten auf die Tür zu. Diese Frau machte ihm den Weg zu den ewigen Wäldern schwer.

      Als er an die Tür kam, mußte er sich umwenden. Da begegnete er einem Blick der Majorin, die regungslos dasaß und ihm nachsah. Er hatte niemals eine solche Veränderung in einem Gesicht wahrgenommen, und er stand still und starrte sie an. Sie, die eben noch böse und drohend gewesen war, saß still da wie verklärt, und ihre Augen strahlten vor erbarmender, mitleidiger Liebe. Es war etwas in ihm, in seinem verwilderten Herzen, das vor diesem Blick schmolz; er lehnte seine Stirn gegen den Türpfosten, hob die Arme über dem Kopf in die Höhe und weinte, als wenn sein Herz brechen sollte.

      Die Majorin warf die Tonpfeife ins Feuer und kam zu ihm hin. Ihre Bewegungen waren plötzlich so sanft wie die einer Mutter.

      »Nun, nun, mein Junge!«

      Und sie zog ihn zu sich auf die Bank neben der Tür, so daß er, den Kopf in ihrem Schoß, weinte.

      »Will Er noch sterben?«

      Er wollte aufspringen. Sie mußte ihn mit Gewalt festhalten.

      »Jetzt sage ich Ihm zum letztenmal, daß Er tun kann, was Er will. Das aber verspreche ich Ihm, wenn Er leben will, so werde ich die Tochter des Brobyer Pfarrers zu mir nehmen und sie zu einem tüchtigen Menschen erziehen: dann kann Er ja Gott danken, daß Er ihr Mehl stahl. Nun, will Er?«

      Er hob den Kopf in die Höhe und sah ihr in die Augen.

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