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intimen Freunde, dem Prinzen Ferdinand, die Meinung gesagt hatte und dergleichen Bewundernswertes mehr.

      Trotzdem ward der Vortragende, ein noch junger Mensch, dessen linkes Auge erblindet schien, mit Worten, Gesten und Püffen an die Außenluft genähert. Doch die hinter ihm ins Schloß fallende Tür vermochte nicht seine inzwischen an Kraft geschwollene Stimme zu unterdrücken, welche noch beteuerte: er ginge von selbst aus der verdammten Spielhölle, und er danke für Pastete, Lamettrie sei an Trüffelpastete gestorben usw. usw.

      Diese Szene war es, die den Onkel Fußball im Lachen schüttelte, als er mit Andex das Café verließ. Wenn sein Begleiter nur gezwungen beilächelte, so lag das daran, daß ihn der Anblick des Einäugigen entsetzt hatte. Herr Andex murmelte unterwegs schaudernd mehrmals vor sich hin: „Sie haben es ihm ausgeschaufelt.“ Auch war eine Goldplombe im Gebisse jenes Trunkenboldes aufgefallen, die den Hauslehrer an qualvolle Lehrjahre bei einem Zahntechniker erinnerte und an eine Erfindung, für die er damals viel Arbeit, Zeit und Hoffnung vergeudet hatte. Seine Idee war ein künstlicher Zahnschmelz gewesen, welcher viel Heil, Ruhm und Geld bringen sollte.

      3

      Mademoiselles Antlitz wurde mild. Sie war eingeschlummert und träumte nun, daß sie als Gemahlin des blonden Husarengenerals von St. Honoré, zudem als Mutter von drei Kindern mit ihrer Familie und etlichen geladenen Gästen in einem – ihrem – entzückenden goldweißen Speisesaal soupierte. Auch der Stadtrat nebst Frau waren geladen.

      „Nein, was besitzt Exzellenz“ – Mademoiselle war gemeint – „für bildhübsche und artige Kinder!“ äußerte jemand; und Herr und Frau Scholz erröteten. Ihre Exzellenz erwiderte sehr vernehmlich: „Artig sind sie freilich, und es kommt davon, daß wir uns nie in die Erziehungsmethode unseres Hauslehrers, beziehungsweise unserer Mademoiselle einmischen.“

      Herr und Frau Scholz er-violetteten.

      „Aber so langen Sie doch bitte zu, Frau Stadträtin,“ ermunterte Ihre Exzellenz und winkte einer Livree, den letzten Gang, gefüllten Kapaun, nochmals zu präsentieren. „Bei uns darf niemand hungrig von Tisch aufstehen, n’est-ce pas mon cher?“

      Seine Exzellenz küßte die weiße, brillantüberfunkelte Hand von Ihrer Exzellenz. Ihre Exzellenz bog ihren anmutigen Nacken so, daß sie just noch das Ehepaar Scholz im Auge behielt und scherzte leichthin: „Ja, bei uns geht es immer friedlich zu, wir streiten uns nie.“

      Beifällige Meinungen umflüsterten die Tafel. Einiges, wie „anmutiger Nacken“, „liebenswürdige Gesinnung“, „General, welch aristokratische –“ wurde verständlich.

      Stadtrat und Stadträtin wollten sich grimmig auf Ihre Exzellenz stürzen, um sie zu erwürgen, wurden aber von den Livreen gepackt und lautlos aus dem Saal geführt.

      Und alles verurteilte aufgebracht die ordinären Störenfriede, welche Frau Generalin hochherzig als Leute entschuldigte, denen krankhafte Phantasie die Köpfe verwirrt hätte. Und alles pries enthusiastisch Ihre und Seine Exzellenz. –

      Als Mademoiselle noch träumte, ward der Papagei munter, reckte sich, plusterte und begann zu gröhlen: „Caro As – Lausbub – Lausbub – Lausbu–“ Als der Vogel den elften Lausbub ausrief, ward Mademoiselle munter.

      Ob ich am Ende das alles nur träumte? dachte sie. Ja! Nein! … Doch! … Nein! … Ja! Der General ist ja schon elf Jahre tot. Oder nicht? Nein! … Ja! … Nein! … Ja!

      Sie trieb sich in Stößen aus dem Bette, gähnte grauenhaft und nahm sich während des Ankleidens vor, Daja wegen einer lüderlichen Übersetzung zu züchtigen.

      4

      „Verschwelt, schmutzig waren die Wände, die Tische und Bänke, die niedrige Decke in dem Lokal und alles schmucklos, aus plumpem Material, um der rücksichtslosen Behandlung einer beschränkten und verdächtigen Menge standzuhalten. Und diese Menge umgab mich dicht, bunt und in mehrerlei Sprachen durcheinander zankend. Es gab ein Bild, wie es bäuerische Obstmärkte ähnlich bieten. Doch jene Trinkstube war mit Menschen verschiedener Rassen, tiefstehenden, harten, gefühlsarmen Wesen vollgestopft, Männern und Weibern, die nur das Recht persönlicher Stärke fürchteten oder nutzten. Schwarze, Weiße, Gelbe, Braune, Cowboys – stellen Sie sich diese Cowboys vor: Riesenhafte, muskulöse, urschöne Kerle, mit langen Haaren von flutendem Taubenblau, mit verwegenen, stolztrotzigen spiegelnden Augen, mit gleichsam metallenen Gesichtern. Derbfriedlich, rohfeindlich: Man sagt, bei ihnen käme auf zwei Worte ein „God dam“, auf fünf Worte ein „shake hands“ und auf zehn Worte ein Messerstich oder Revolverschuß. Das sind die Kuhjungen.

      Sie tragen die Taschen voll zerknitterter Banknoten, die sie mit der Faust auf den Tisch dröhnen, wenn sie fordern, und dann unmäßig für sich oder wohlfeile Freunde fordern. Denn so gewichtig der Lohn ist, den ihre rauhe Arbeit in den Ställen und Steppen bringt, sie wissen ihn ansehnlich und wüst zu verschlemmen!“

      Die drei Zuhörer suchten ihre Aufmerksamkeit durch periodisches Kopfnicken und verschiedene So und Ja zu legitimieren, aber ihre Andacht war offenbar nur obligatorisch. Denn der Bergdirektor widmete einen Teil seiner Sehkraft den Neuesten Nachrichten, was mit Schwierigkeit verknüpft war, da die Zeitung in den Händen eines Knaben zitterte und sich zudem nur überkopf präsentierte; der Besitzer des Hotels schaute auf den Zeitungsjungen selbst, seinen Angestellten, weil dieser sich unterfing, in respektloser Nähe und ungebührlicher Haltung ebenfalls der Erzählung zu lauschen; und der Verlagsbuchhändler zog auffällig oft seine Uhr hervor.

      „Ich trank,“ fuhr der Sprecher ahnungslos fort, „Whisky mit diesen Leuten. Ich mischte meinen Pfeifenqualm zu dem ihren, spuckte wie sie in die Stube, deren Fußboden für solchen Sport mit Sägemehl bestreut war, und sprach ein gemeines Matrosenenglisch. Aber ich blieb trotzdem über ihnen, nicht hochmütig, sondern lernend, forschend, angeregt und gefesselt, wie ein Maler, der sich an Effekten freut, wie Harun al Raschid, wenn er verkleidet das Volk belauschte; wie ein Knabe, der sich in ein Märchen aus Tausend und eine Nacht hineinlebt, vielleicht auch wie ein beobachtend schwelgender Dichter. Ich kostete große Welt im kleinen Raume und wußte, daß, wenn ich die zerschrammte Kneipentür öffnete, mir die tropische Nacht kühl entgegenhauchen und das Raunen des Meeres meine Gedanken weit, weit entführen würde.“

      Herr Andex schwieg plötzlich, entgoß sein Glas in die Kehle und sprach, nachdem er eine nervöse Verlegenheit durch ein Taschentuchmanöver bemeistert hatte, in abfallender, nüchterner Tonart weiter: „Ich werde mich so knapp fassen, wie die Eile es zumißt: Also, während ich in jener Kneipe wie ein Pinseltupf in einem farbigen Gemälde sitze, schiebt sich auf einmal – –“ Fritz, der Zeitungsjunge, hatte wirklich vergessen, was und wo er war, daß er jemandem die Neuesten Nachrichten bringen sollte und daß nicht fern von ihm sein Chef saß. Fritzens begeisterter Geist war in die Tropen entflogen und nur der leere Körper blieb mit offenklaffendem Munde zurück. Es war umsonst, daß der Hotelwirt böse Blicke schoß und seitwärts, unter Tischhöhe, dauernd mit der Faust signalisierte. Auch der Bergdirektor und der Verlagsbuchhändler interessierten sich jetzt für den Bengel und verfolgten sein unbewußtes Mienenspiel mit zunehmendem Vergnügen.

      „– schiebt sich auf einmal ein alter zerlumpter Neger durch das Gedränge zum Schanktisch und will auf die Platte ein rotes, beutelartig gefaltetes und merklich schweres Schnupftuch heben, aber ein Zipfel desselben entgleitet seiner Hand, worauf eine Menge blanker Goldstücke zu Boden klimpert und nach allen Seiten unter die trunkene lärmende Gesellschaft verrollt.

      Ich weiß nicht, ob der Niger Auftrag hatte, das Geld umzuwechseln, oder ob es ihm selbst gehörte. Kurzum, nun geschah etwas Eigenartiges: –“

      Fritz bog sich nach Möglichkeit vornüber; seine Augenbrauen verzogen sich zu gotischen Bogen, seine Hände zerdrückten grausam die Neuesten Nachrichten.

      „Im nächsten Augenblicke stürzten sämtliche Anwesende mit geradezu tierischer Gier zu Boden, um von dem Gelde aufzuraffen, und im übernächsten Moment sprang einer von diesen ungeschlachten Cowboys auf einen Stuhl, zog mit jeder Hand einen Revolver aus der Hosentasche und schrie, die Waffen gespannt vorstreckend: ‚hands up.‘ Und da alle, auch ich, im Nu die Hände hochwarfen – denn wir wußten, da galt kein Spaßen – hieß der

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