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Zimmer,« fuhr Ferrier zornglühend fort, »einen durch die Thür, den anderen durch das Fenster. Ihr habt die Wahl.«

      Seine Miene war so drohend und seine hagern Hände schienen so eisenstark, daß die beiden unwillkommenen Besucher eilig aufsprangen und den Rückzug antraten. Der alte Mann folgte ihnen bis zur Thür.

      »Sobald ihr untereinander ausgemacht habt, wer es sein soll, laßt mich’s wissen,« rief er ihnen höhnisch nach.

      »Dafür sollt Ihr büßen,« schrie Stangerson bleich vor Erregung. »Ihr habt dem Propheten getrotzt und dem hohen Rat der Vier – das sollt Ihr bereuen bis an Euer Lebensende.«

      »Die Hand des Herrn werdet Ihr fühlen,« stimmte der junge Drebber ein. »Er wird wider Euch aufstehen und Euch schlagen.«

      »Mit dem Schlagen kann es gleich seinen Anfang nehmen,« rief Ferrier zornbebend. Er wollte die Flinte von der Wand reißen, aber Lucy war herzugeeilt und fiel ihm in den Arm. Bevor er sich noch von ihr losmachen konnte, tönte schallender Aufschlag und die Flüchtlinge waren außer seinem Bereich.

      »Die jungen heuchlerischen Schurken,« murmelte er voll Ingrimm; »weit lieber möchte ich dich im Grabe sehen, mein Herzenskind, als daß dich einer von ihnen als sein Weib heimführte.«

      »Ja Vater, – lieber sterben!« erwiderte sie entschlossen. »Doch bald wird Jefferson hier sein.«

      »Freilich – und je früher er kommt, desto besser ist es. Wer kann wissen, was jene gegen uns im Schilde führen.«

      Es war in der That hohe Zeit, daß ein kluger Ratgeber und Helfer dem wackern alten Ferrier und seiner Tochter in ihrer Not beistand. Seit der Gründung der Niederlassung war ein solches Beispiel von Ungehorsam und Widersetzlichkeit gegen die Befehle der Aeltesten noch niemals vorgekommen. Wenn schon kleine Vergehen mit unnachsichtiger Strenge bestraft wurden, welches Schicksal erwartete dann diesen Erzrebellen? Ferrier wußte, daß weder sein Reichtum noch seine Stellung ihn schützen würde. Leute, die über ebenso große Mittel verfügten und in nicht geringerem Ansehen standen wie er, waren schon spurlos verschwunden und ihre Güter der Kirche anheimgefallen. Der tapfere Mann hätte sich jeder offenen Gefahr kühn entgegengestellt, aber das düstere unheimliche Verhängnis, das über ihm schwebte, erschütterte seine starke Seele und flößte ihm Grauen ein. Zwar verbarg er seine Furcht vor der Tochter und that, als lege er der ganzen Sache nicht viel Wert bei, allein, mit dem scharfen Auge der Liebe erkannte Lucy nur zu deutlich die Unruhe in seinem Gemüt.

      Nach dem, was vorgefallen war, mußte er sich darauf gefaßt machen, von Young wegen seines Benehmens eine Rüge oder Warnung zu erhalten. Die Botschaft traf auch wirklich ein, aber sie kam auf eine ihm völlig unerwartete Weise. Als er am nächsten Morgen erwachte, fand er auf der Bettdecke gerade über seiner Brust einen kleinen viereckigen Zettel angesteckt, auf welchem mit großen deutlichen Buchstaben die Worte standen: »Neunundzwanzig Tage sind dir zur Sühne gewährt, und dann – –«

      Jede Drohung wäre weniger furchtbar gewesen als der beängstigende Gedankenstrich. John Ferner zerbrach sich vergebens den Kopf, wie der Zettel in sein Zimmer gekommen sein könne, denn das Gesinde schlief in einem Nebenbau und er hatte mit eigener Hand alle Fenster und Thüren wohl verwahrt und verschlossen. Er vernichtete das Papier und sagte seiner Tochter nichts von dem Vorfall, aber ihn schauderte doch, wenn er daran dachte. Die neunundzwanzig Tage waren offenbar der Rest des Monats, den Brigham Young ihm zugesagt hatte. Was vermochten aller Mut und alle Kraft gegen einen Feind auszurichten, der so geheimnisvolle Hilfsmittel besaß? Die Hand, welche jenen Zettel befestigte, hatte ihn ebenso gut ins Herz treffen können und kein Mensch würde jemals erfahren haben, wer ihn erschlagen.

      Am folgenden Morgen wurde er noch heftiger erschüttert. Sie saßen zusammen beim Frühstück, als Lucy plötzlich einen Schrei der Ueberraschung ausstieß und nach oben blickte. Mitten auf der Zimmerdecke stand in schwarzer Schrift die Zahl 28. Seine Tochter wußte nicht, was das zu bedeuten habe und er klärte sie nicht auf. Die folgende Nacht hindurch saß Ferrier mit der geladenen Flinte da und hielt Wache. Alles blieb still, er vernahm keinen Laut, aber am nächsten Morgen fand er die Zahl 27 auf seiner Hausthür angeschrieben.

      So verging ein Tag nach dem andern und jeder neue Morgen brachte ihm Kunde, daß seine unsichtbaren Feinde ihre Rechnung weiter führten. An irgend einer Stelle, die ihm ins Auge fallen mußte, hatten sie die Anzahl der Tage verzeichnet, die ihm noch von der Gnadenfrist übrig blieb. Bald tauchten die verhängnisvollen Nummern an den Wänden auf, bald auf dem Fußboden, manchmal standen sie auf kleinen Anschlagzetteln, die an dem Gartenthor oder den Gitterstäben befestigt waren. Trotz aller Wachsamkeit konnte Ferrier nicht entdecken, woher diese täglichen Mahnzeichen kamen und er empfand ein fast abergläubisches Grauen, so oft er eine neue Zahl gewahrte. Er kam sich vor wie ein gehetztes Wild, eine verzehrende Unruhe ergriff ihn und wer in seinem Auge zu lesen verstand, konnte sehen, welche Qualen er litt. Nur der Gedanke, daß der junge Jäger jetzt bald aus Nevada eintreffen müsse, hielt ihn noch aufrecht.

      Aus 29 war 15, aus 15 war 10 geworden, aber noch traf keine Nachricht von dem fernen Freunde ein. Immer kleiner ward die Zahl der noch übrigen Tage und Jefferson ließ sich nicht blicken. Vernahm man einen Hufschlag oder kam ein Fuhrmann des Weges gefahren, so eilte der alte Farmer an das Thor, weil er glaubte, daß die ersehnte Hilfe da sei. Erst als auf die 5 die 4 folgte und aus dieser eine 3 wurde, sank ihm der Mut, und er gab jede Hoffnung verloren.

      Wenig vertraut mit Weg und Steg in den Gebirgen, welche die Ansiedlung umgaben, konnte er, auf sich allein angewiesen, die Rettung nicht ins Werk setzen; alle bekannten Pfade wurden aufs strengste bewacht, und jeder Wanderer, der sich darauf betreten ließ, mußte einen Passierschein des Hohen Rats vorweisen können. Wohin sich also Ferrier wenden mochte, nirgends bot sich ihm die Möglichkeit, dem Verhängnis zu entfliehen, das ihn bedrohte; dennoch schwankte der alte Mann keinen Augenblick in seinem Entschluß, lieber das Leben zu verlieren, als seine Tochter jener Verbindung preiszugeben.

      Er war in schweren Sorgen abends allein aufgeblieben und sann vergebens nach, ob denn kein Entrinnen mehr möglich sei. Am Morgen war die Zahl 2 auf der Hauswand erschienen und mit dem nächsten Tage ging die festgesetzte Frist zu Ende. Was würde dann geschehen? – Seine Einbildungskraft war geschäftig, sich alle erdenklichen Schrecken auszumalen. Und was sollte aus seiner Tochter werden, wenn er ihr nicht mehr zur Seite stand? – Er sah sich rings von einem unsichtbaren Netz umgeben, das sich immer dichter zusammenzog. Von dem Gefühl seiner Ohnmacht überwältigt, brach er in schmerzliches Schluchzen aus und das Haupt sank ihm auf die Brust.

      Aber was war das? – Durch die Stille der Nacht kam plötzlich ein leiser, schnarrender Ton deutlich zu ihm herüber. Er schien von der Hausthür zu kommen. Ferrier schlich geräuschlos durch den Gang und horchte scharf hinaus. Einige Augenblicke vergingen, dann ließ sich der seltsame, schwache Laut wieder vernehmen. Es klopfte jemand mit großer Behutsamkeit an der Thür. War es ein nächtlicher Abgesandter des heimlichen Gerichts, der gekommen war, um dessen Mordbefehl auszuführen, oder sollte ihm noch besonders angekündigt werden, daß der letzte Tag herannahe? Die furchtbare Ungewißheit schüttelte ihn wie im Fieber und nahm ihm jede Widerstandskraft. Länger vermochte er die Qual nicht mehr zu ertragen, mit der verglichen der Tod eine Erlösung schien. Rasch entschlossen zog er den Riegel zurück und öffnete die Thür.

      Draußen war alles still. Die Sterne flimmerten am klaren Nachthimmel und weder in dem kleinen Vorgarten, den der Zaun umschloß, noch auf der Straße jenseits des Gitterthors, war ein menschliches Wesen zu erblicken. Ferrier sah nach rechts und nach links und atmete erleichtert auf. Als er aber zufällig gerade vor sich auf den Boden schaute, sah er mit Entsetzen zu seinen Füßen einen Mann platt auf der Erde liegen, Arme und Beine weit von sich gestreckt.

      Der Anblick erschütterte ihn so sehr, daß er gegen die Wand taumelte und Mühe hatte, den wilden Schrei zu ersticken, der sich ihm auf die Lippen drängte. Sein erster Gedanke war, daß es ein Verwundeter oder Sterbender sein müsse; allein plötzlich kam Leben in die Gestalt, sie wand sich wie eine Schlange behende und geräuschlos am Boden entlang und erreichte die Hausflur. Sobald der Mann über die Schwelle gekommen war, sprang er rasch in die Höhe, schloß die Thür und vor dem überraschten Farmer stand Jefferson Hope mit ingrimmiger, entschlossener

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