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trat er in den Versammlungsraum ein. Die Loge war bereits versammelt. Freundliche Willkommrufe begrüßten seinen Eintritt. Der lange Raum war überfüllt. Durch den blauen Tabakdunst gewahrte er die schwarze Mähne des Logenmeisters, das grausame, mißmutige Gesicht Baldwins, das Geiergesicht Harraways, des Sekretärs, und ein Dutzend andere Führer der Loge. Es freute ihn, daß sie alle da waren, um seine Nachrichten zu hören.

      »Es freut uns, Sie zu sehen, Bruder,« rief der Vorsitzende. »Wir haben eine Sache hier, für die wir ein salomonisches Urteil brauchen.«

      »Es ist die Geschichte mit Lander und Egan,« erklärte ihm sein Nachbar, als er Platz nahm. »Beide beanspruchen das Kopfgeld, das die Loge für das Erschießen des alten Crabbe drüben in Stylestown ausgesetzt hat, aber wer soll entscheiden, wessen Kugel traf?«

      McMurdo stand auf und hob die Hand. Der Ausdruck seines Gesichtes zog die Aufmerksamkeit der ganzen Versammlung auf sich. Ein erwartungsvolles Schweigen folgte.

      »Verehrungswürdiger Meister, Freunde und Brüder,« sagte er. »Ich bin heute der Überbringer schlimmer Nachrichten, aber es ist besser, daß sie bekannt und besprochen werden, als daß ein Schlag, der uns alle vernichten kann, uns unvorbereitet trifft. Ich habe die böse Nachricht erhalten, daß sich die mächtigsten und reichsten Unternehmungen dieses Staates zu unserer Vernichtung vereinigt haben und daß in diesem Augenblick ein Pinkerton-Detektiv, und zwar ein gewisser Birdy Edwards, sich in unserer Gegend aufhält, damit beschäftigt, Beweismaterial zu sammeln, um vielen von uns eine Schlinge um den Hals zu legen und jeden Mann in diesem Raum in die Verbrecherzelle zu bringen. Das ist die Lage, die ich zur Besprechung bringen will und für die ich Dringlichkeit verlange.«

      Totenstille herrschte im ganzen Raum, bis sie von dem Vorsitzenden gebrochen wurde.

      »Welche Beweise haben Sie dafür, Bruder McMurdo?« fragte er.

      »Der Beweis ist in diesem Brief enthalten, der in meine Hände gelangte,« sagte McMurdo. Er las die Stelle laut vor. »Es ist für mich eine Ehrensache, daß ich über den Brief nichts weiter sage und ihn euren Händen vorenthalte, aber ich versichere euch, daß sonst nichts darin steht, was die Interessen der Loge betrifft. Ich lege euch die Sache genau so vor, wie sie mir zugekommen ist.«

      »Ich möchte bemerken, Herr Vorsitzender,« sagte einer der älteren Brüder, »daß ich von Birdy Edwards schon gehört habe, und daß er als der fähigste Mann im Dienste der Pinkertons gilt.«

      »Kennt ihn einer von euch vom Sehen?« fragte McGinty.

      »Jawohl,« sagte McMurdo, »ich kenne ihn.«

      Ein Murmeln der Verblüffung ging durch den Raum.

      »Ich glaube, wir haben ihn in unserer Gewalt,« fuhr er mit einem frohlockenden Lächeln in seinem Gesicht fort. »Sofern wir schnell und klug vorgehen, können wir die Gefahr beseitigen. Wenn Ihr mir Vertrauen schenken und volle Unterstützung zuteil werden laßt, haben wir kaum etwas zu fürchten.«

      »Haben wir denn überhaupt etwas zu fürchten? Was kann er denn von unseren Angelegenheiten wissen?«

      »So könnten Sie vielleicht reden, Rat McGinty, wenn alle so verschwiegen und treu wären wie Sie. Aber dieser Mann hat Millionen von Kapitalistengeld hinter sich. Glauben Sie etwa, daß sich in allen Logen nicht ein Bruder finden wird, der für dieses Geld den Verräter spielt? Er kommt hinter unsere Geheimnisse – vielleicht hat er sie schon – und es gibt nur eine mögliche Lösung –«

      »Er darf niemals unser Tal verlassen,« sagte Baldwin.

      »Ganz meine Meinung, Bruder Baldwin,« sagte er. »Sie und ich waren manchmal uneinig, aber heute befinden wir uns in voller Übereinstimmung.«

      »Wo ist er, und wie sollen wir ihn erkennen?«

      »Verehrungswürdiger Meister,« sagte McMurdo in ernstem Ton. »Ich möchte Ihnen zu bedenken geben, daß die Sache für uns zu wichtig ist, um in offener Sitzung besprochen zu werden. Ich möchte um alles in der Welt auf niemanden hier nur den Schatten eines Zweifels werfen, aber wenn selbst nur ein Wort dem Mann zu Ohren kommt, wäre jede Aussicht, seiner habhaft zu werden, für uns verloren. Ich beantrage, daß die Loge einen vertrauenswürdigen Ausschuß wählt, den Vorsitzenden und, wenn ich mir einen Vorschlag gestatten darf, Bruder Baldwin und fünf andere. Dann kann ich frei und offen über das, was ich weiß, sprechen und vorbringen, was nach meiner Ansicht zu tun ist.«

      Der Antrag wurde angenommen und der Ausschuß gewählt. Außer dem Vorsitzenden und Baldwin gehörten ihm an: Harraway, der Sekretär mit dem Geiergesicht, der rohe junge Meuchelmörder Tiger Cormac, der Schatzmeister Carter und die beiden Brüder Willaby, zwei furcht-und rücksichtslose junge Leute, die keinerlei Bedenken kannten.

      Die gewöhnliche Zecherei in der Loge war an jenem Abend kurz und gedämpft, denn eine Wolke hing über der Versammlung, und viele sahen zum erstenmal den Schatten des rächenden Gesetzes die Sorglosigkeit, in der sie solange gelebt hatten, verdunkeln. Die Schrecken, die sie selbst anderen bereitet hatten, waren so sehr eine Angelegenheit des Alltags geworden, daß der Gedanke einer Vergeltung in weite Ferne gerückt schien. Um so heftiger war die Reaktion, als sie die Gefahr so dicht vor sich sahen. Sie brachen frühzeitig auf und ließen ihre Führer in Beratung zurück.

      »Und jetzt, McMurdo, haben Sie das Wort,« sagte McGinty, als sie allein waren. Die sieben Leute saßen steif und regungslos auf ihren Plätzen.

      »Ich habe bereits gesagt, daß ich Birdy Edwards kenne,« erklärte McMurdo. »Ich brauche wohl nicht erst hinzuzufügen, daß er sich hier nicht unter diesem Namen aufhält. Er ist zwar ein tapferer Mann, dessen bin ich sicher, aber sicherlich nicht verrückt. Er wohnt unter dem Namen Steve Wilson in Hobsons Patch.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Ich habe ihn zufällig getroffen und bin mit ihm in’s Gespräch gekommen. Ich habe dem damals keine Bedeutung beigelegt und würde wahrscheinlich nicht mehr daran gedacht haben, wenn nicht dieser Brief gekommen wäre. Aber ich bin meiner Sache sicher. Ich traf ihn in der Bahn, als ich letzten Mittwoch hinunterfuhr. Er ist eine harte Nuß, das kann ich euch sagen. Er teilte mir mit, daß er ein Zeitungsmann sei, was ich damals auch glaubte. Er wollte alles über die Rächer und ihre Schandtaten, wie er sie nannte, für die New Yorker Presse erfahren. Er versuchte, mich nach jeder Richtung auszufragen, um Stoff für seine Zeitungen zu gewinnen. Aus mir hat er natürlich nichts herausbekommen. ›Ich bin bereit, dafür zu zahlen,‹ sagte er, ›und gut zu zahlen, wenn Sie mir das Material verschaffen, das mein Redakteur haben will.‹ Ich erzählte ihm einiges, von dem ich annahm, daß es ihn interessieren würde, und er gab mir dafür eine Zwanzig-Dollarnote. ›Sie können noch zehnmal mehr haben,‹ sagte er,›wenn Sie mir alles, was ich wissen will, besorgen.‹«

      »Was haben Sie ihm denn erzählt?«

      »Verschiedene Dinge, die ich mir in der Eile zusammengebraut habe.«

      »Woher wissen Sie, daß er kein Reporter ist?«

      »Aus folgendem: Ich stieg, wie er, in Hobsons Patch aus. Zufällig ging ich in das Telegraphenamt, als er eben herauskam. ›Eigentlich,‹ sagte der Telegraphist zu mir, nachdem er gegangen war, ›sollten wir die doppelten Gebühren für so etwas verlangen.‹

      Recht haben Sie, sagte ich. Er hatte ein Formular vor sich, das in einer Sprache geschrieben war, die ebensogut chinesisch hätte sein können. ›Er schickt jeden Tag so einen Bogen ab,‹ sagte der Telegraphist. ›Jawohl,‹ sagte ich, ›es sind Sondernachrichten für seine Zeitung, und er fürchtet sich, daß ihm die anderen etwas davon wegstehlen könnten.‹ Das dachte auch der Telegraphist, und ich war selbst damals ganz davon überzeugt. Aber jetzt denke ich anders darüber.«

      »Bei Gott! Ich glaube, Sie haben recht,« sagte McGinty. »Aber was schlagen Sie vor, das wir mit ihm anfangen sollen?«

      »Warum sollen wir nicht gleich jetzt hinuntergehen und ihn uns vornehmen?«

      »Jawohl, je früher, desto besser.«

      »Auch ich würde dies vorschlagen, wenn ich wüßte,

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