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      Sein letz­tes Ge­ständ­nis diente ihr als Stich­wort. »Denkst du noch an den Gen­fer See?«

      »Wie soll­te ich nicht? Ich war fast über­mensch­lich glück­lich.«

      Sie nick­te, und ihre Au­gen leuch­te­ten.

      »Es gibt so et­was wie alte Erin­ne­run­gen. Willst du nicht ein­mal dar­an zu­rück­den­ken, Grant … ein klei­nes biss­chen, oh, nur ein ganz klein we­nig … was wir da­mals ein­an­der wa­ren … nicht?«

      »Jetzt ver­schaffst du dir in­kor­rek­te Vor­tei­le«, lä­chel­te er und be­gann wie­der an sei­nem Dau­men zu ar­bei­ten. Er zog den Dorn her­aus und un­ter­such­te ihn kri­tisch. Dann sag­te er: »Nein, ich dan­ke schön. Ich emp­fin­de nicht das Be­dürf­nis, hier den barm­her­zi­gen Sa­ma­ri­ter zu spie­len.«

      »Und doch hast du die­se schwe­re Rei­se ge­macht, um ei­nem Un­be­kann­ten zu hel­fen«, mein­te sie.

      Er gab sich nicht die Mühe, sei­ne Un­ge­duld zu ver­ber­gen. »Glaubst du viel­leicht, dass ich die Rei­se ge­macht ha­ben wür­de, wenn ich ge­ahnt hät­te, dass es sich um den Lieb­ha­ber mei­ner Frau han­del­te?«

      »Aber jetzt bist du ein­mal hier. Und dort liegt er. Was willst du jetzt tun?«

      »Nichts, sage ich ja. Ich bin nicht der An­ge­stell­te die­ses Herrn. Er hat mich be­stoh­len.«

      Sie woll­te et­was sa­gen, als an der Tür ge­klopft wur­de.

      »Ver­schwin­den Sie«, rief er.

      »Wenn Sie Hil­fe brau­chen …«

      »Ge­hen Sie, zum Teu­fel. Ho­len Sie einen Ei­mer Was­ser. Stel­len Sie ihn vor die Tür.«

      »Du willst also doch …«, be­gann sie mit zit­tern­der Stim­me.

      »Mir die Hän­de wa­schen.«

      Sie zuck­te zu­rück, als sie sei­ne bru­ta­le Ant­wort hör­te, und ihre Lip­pen schlos­sen sich fest und hart. Dann sag­te sie trot­zig: »Jetzt höre, Grant. Ich wer­de sei­nem Bru­der er­zäh­len, was du tust. Ich ken­ne die Strangs. Kannst du die Ver­gan­gen­heit ver­ges­sen, so kann ich es auch. Wenn du nichts tun willst, wird er dich tö­ten. Selbst Tom Daw wür­de es tun, wenn ich ihn dar­um bäte.«

      »Du soll­test mich zu gut ken­nen, um mir zu dro­hen«, rüg­te er ernst. Dann füg­te er spöt­tisch hin­zu: »Au­ßer­dem sehe ich nicht ein, was es Rex Strang hel­fen soll­te, wenn ich er­mor­det wür­de.«

      Sie ließ ein lei­ses Stöh­nen hö­ren und schloss ih­ren Mund fest. Sie merk­te, dass sei­ne scharf­bli­cken­den Au­gen schon ent­deckt hat­ten, wie sie am gan­zen Kör­per zit­ter­te. »Es ist kei­ne Hys­te­rie, Grant«, rief sie schnell und vol­ler Angst, miss­ver­stan­den zu wer­den. Ihre Zäh­ne klap­per­ten beim Spre­chen. »Du hast mich nie hys­te­risch ge­se­hen. Ich bin es nie ge­we­sen. Ich weiß nicht, was mit mir ist, aber ich wer­de mich be­herr­schen. Ich bin nur so ganz an­ders als sonst. Zum Teil ist es Zorn … Zorn auf dich. Und es ist Un­ru­he und Angst. Ich möch­te ihn nicht ver­lie­ren. Ich lie­be ihn, Grant! Er ist mein Herr und mein Ge­bie­ter! Und ich habe so vie­le furcht­ba­re Tage und Näch­te hier ne­ben ihm ge­wacht. Oh, Grant, ich bit­te dich … bit­te dich …«

      »Na­tür­lich sind es dei­ne Ner­ven«, er­klär­te er tro­cken. »Du musst dich be­herr­schen. Du kannst dich schon zu­sam­men­neh­men. Wärst du ein Mann, so wür­de ich dir den Rat ge­ben, eine Pfei­fe zu rau­chen.«

      Sie trat un­ru­hig wie­der an den Stuhl und be­ob­ach­te­te ihn von dort aus. Sie tat, was sie konn­te, um sich zu be­herr­schen. Von dem roh er­bau­ten Herd hör­te man das Zir­pen ei­ner Gril­le. Drau­ßen keif­ten die Wolfs­hun­de. Die Brust des Ver­wun­de­ten hob und senk­te sich sicht­bar trotz der Pelz­de­cken. Sie sah, dass ein nicht all­zu lie­bens­wür­di­ges Lä­cheln sei­ne Lip­pen kräu­sel­te.

      »Wie sehr liebst du ihn?« frag­te er. Sie reck­te sich, und ihre Au­gen be­gan­nen von un­ver­hoh­le­ner und stol­zer Lie­be zu leuch­ten. Er nick­te zum Zei­chen, dass er die Ant­wort ver­stan­den hat­te.

      »Hast du et­was da­ge­gen, wenn ich ein we­nig weit aus­ho­le?« Er schwieg, wäh­rend er nach­dach­te, wie er be­gin­nen soll­te. »Mir fällt eine Ge­schich­te ein, die ich ein­mal ge­le­sen habe. Her­bert Shaw hat sie ge­schrie­ben, glau­be ich. Ich will dir den In­halt er­zäh­len. Es war ein­mal eine Frau. Sie war jung und schön. Und es war ein Mann, ein pracht­vol­ler Mann, ein Lieb­ha­ber der Schön­heit und ein un­s­te­ter Wan­de­rer. Ich weiß nicht, ob er Rex Strang sehr ähn­lich sah, aber ich den­ke mir, dass sie ei­ni­ge Ähn­lich­keit mit­ein­an­der hat­ten. Nun, die­ser Mann war ein Ma­ler, ein Bo­he­mi­en, ein Va­ga­bund. Er küss­te – oh, mehr­mals und auch meh­re­re Wo­chen hin­durch … und ver­schwand dann wie­der. Sie fühl­te für ihn, was du, wie ich glaub­te, für mich fühl­test – dort am Gen­fer See. Zehn Jah­re wein­te sie ihm nach. Dann hat­ten die Trä­nen ihre Schön­heit ver­dor­ben. Du weißt, es gibt Frau­en, die gelb wer­den, wenn die Trau­er ihre na­tür­li­chen Säf­te ver­braucht hat.

      Nun ge­sch­ah es, dass die­ser Mann blind wur­de und nach zehn Jah­ren, wie ein Kind an der Hand ge­führt, zu ihr zu­rück­kehr­te. Es war ihm nichts ge­blie­ben. Er konn­te nicht mehr ma­len. Aber sie war sehr glück­lich, und na­ment­lich war sie glück­lich, weil er ihr Ge­sicht nicht mehr se­hen konn­te. Ver­giss nicht, dass er al­les Schö­ne an­be­te­te. Und er hielt sie wie­der in sei­nen Ar­men und glaub­te, dass sie schön wäre. Die Erin­ne­rung an ihre Schön­heit leb­te im­mer noch in sei­nem Her­zen. Er sprach auch stets da­von und klag­te, dass er sie nicht mehr se­hen könn­te.

      Ei­nes Ta­ges er­zähl­te er ihr von fünf großen Bil­dern, die er ma­len woll­te. Wenn es nur mög­lich wäre, dass er sei­ne Seh­kraft wie­der­be­käme – dann könn­te er zu­frie­den den Pin­sel nie­der­le­gen. Da kam ihr – gleich­gül­tig wie – ein Eli­xier in die Hän­de. Wenn sei­ne Au­gen da­mit be­stri­chen wur­den, er­hielt er sei­ne vol­le Seh­kraft zu­rück.« Lin­day zuck­te die Ach­seln. »Du ver­stehst, worin der Kon­flikt be­stand und wie sie kämpf­te. Sah er wie­der, so konn­te er sei­ne fünf Bil­der ma­len. Aber dann ver­ließ er sie auch. Schön­heit war sei­ne Re­li­gi­on. Es war ganz aus­ge­schlos­sen, dass er ihr Ge­sicht er­tra­gen könn­te. Fünf Tage kämpf­te sie die­sen Kampf mit sich. Dann be­strich sie ihm die Au­gen mit dem Eli­xier.«

      Lin­day un­ter­brach sei­ne Er­zäh­lung und such­te die Frau mit sei­nen Bli­cken. In den glän­zend schwar­zen Pu­pil­len leuch­te­te es scharf und ste­chend auf.

      »Die Fra­ge ist jetzt, ob du Rex Strang eben­so liebst, wie jene Frau ih­ren Lieb­ha­ber lieb­te?«

      »Und wenn ich es tue?« gab sie zu­rück.

      »Tust du es?«

      »Ja.«

      »Und du kannst Op­fer brin­gen? Kannst ihn auf­ge­ben?«

      Ihr Ja kam lang­sam und zö­gernd.

      »Und du wirst mit mir zu­rück­keh­ren?«

      »Ja.« Dies­mal flüs­ter­te sie ihr Ja. »Wenn er wie­der ganz ge­sund ist … ja.«

      »Du hast mich voll und ganz ver­stan­den? Es muss wie­der wer­den wie am Gen­fer See. Du musst mei­ne Frau sein.«

      Es sah aus, als ob sie zu­sam­men­schrumpf­te und zer­brä­che. Aber sie nick­te.

      »Gut.« Er stand

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