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Tollheit kaum vergleichen mit der ihrer römischen Vorgänger, die bei ihren Mahlzeiten Nachtigallenzungen auftrugen und kostbare Perlen in Essig auflösten. Mit dem Luxus stieg natürlich auch die Zahl der Haussklaven, die man zur persönlichen Bediemmg brauchte, um so mehr, je billiger das Sklavenmaterial wurde. Horaz meint in einer seiner Satiren, das geringste, was ein in leidlichen Umständen Lebender brauche, seien zehn Sklaven. In einem vornehmen Haushalt konnte ihre Zahl in die Tausende steigen. Steckte man die Barbaren in die Bergwerke und Plantagen, so die feiner gebildeten, namentlich griechischen Sklaven in die „städtische Familie“, das heißt den städtischen Haushalt. Nicht nur Köche, Schreiber, Musiker, Pädagogen, Schauspieler, sondern auch Ärzte und Philosophen wurden als Sklaven gehalten. Im Gegensatz zu den Sklaven, die dem Gelderwerb dienten, hatten diese meist nur eine geringe Arbeitslast zu tragen. Der größte Teil von ihnen waren ebenso große Tagediebe, wie nunmehr ihre Herren. Aber die zwei Umstände gingen verloren, die ehedem dem Familiensklaven in der Regel gute Behandlung verschafft hatten: sein hoher Preis, der ihn zu schonen hieß, und das kameradschaftliche Verhältnis zum Herrn, mit dem der Sklave zusammen arbeitete. Jetzt, bei dem großen Reichtum des Herrn und der Billigkeit der Sklaven, legte man sich nicht den geringsten Zwang mehr ihnen gegenüber an. Für die große Masse der Haussklaven hörte aber auch jedes persönliche Verhältnis mit dem Herrn auf; dieser kannte sie kaum. Und wenn Herr und Diener nun einander persönlich näher traten, geschah es nicht bei der Arbeit, die gegenseitige Achtung erzeugte, sondern bei Schwelgereien und Lastern, die der Müßiggang und Übermut erzeugte und die den Herrn wie den Dienern gegenseitige Mißachtung beibrachten. Müßig, noch gehätschelt, waren die Sklaven des Hauses doch schutzlos jeder üblen Laune, jedem Zornesausbruch preisgegeben, die für sie schnell gefährliche Dimensionen annahmen. Bekannt ist die Untat des Vedius Pollio, dessen Sklave ein Kristallgefäß zerschlagen hatte, wofür jener ihn den Muränen zum Fraß vorzuwerfen befahl, als Leckerbissen geschätzten Raubfischen, die er in einem Teiche hielt.

      Mit diesen Haussklaven wuchs die Zahl der unproduktiven Elemente in der Gesellschaft sehr stark an, deren Scharen gleichzeitig durch das Anwachsen des großstädtischen Lumpenproletariats geschwellt wurden, in dem die Mehrheit der freigesetzten Bauern unterging. Und das vollzog sich, während gleichzeitig die Ersetzung der freien Arbeit durch Sklavenarbeit in vielen produktiven Tätigkeiten die Produktivität der Arbeit stark herabsetzte.

      Je mehr Mitglieder aber ein Haushalt zählte, desto leichter wurde es, für diesen Produkte von eigenen Arbeitern herstellen zu lassen, die der kleine Haushalt hatte kaufen müssen, manche Kleidungsstücke und Hausrat. Das führte zu einer erneuten Ausdehnung der Produktion für den Selbstgebrauch in der Familie. Aber man darf diese spätere Form der Familienwirtschaft der reichen Leute nicht mit der ursprünglichen einfachen Familienwirtschaft verwechseln, die auf dem fast völligen Fehlen der Warenproduktion begründet war, und die gerade die wichtigsten und unentbehrlichsten Bedarfsmittel selbst erzeugte, nur Werkzeuge und Luxusmittel kaufte. Die zweite Form der Produktion für den Selbstgebrauch in der Familie, wie wir sie am Ende der römischen Republik und zur Kaiserzeit in den Haushaltungen der Reichen finden, beruhte gerade auf der Warenproduktion, der Produktion der Bergwerke und Latifundien für den Markt; sie selbst diente vornehmlich der Luxusproduktion.

      Durch diese Art Ausdehnung der Produktion für den Selbstgebrauch wurde das freie Handwerk geschädigt, dem die mit Sklaven in Gang gehaltenen Industriebetriebe der Städte und der Latifundien ohnehin Abbruch taten. Relativ mußte es abnehmen, das heißt, es mußte die Zahl der freien Arbeiter im Verhältnis zu den Sklaven auch im Handwerk stark zurückgehen. Absolut mochten indes trotzdem in manchen Gewerben die freien Arbeiter zunehmen, dank der Zunahme der Verschwendung, die eine wachsende Nachfrage nach Gegenständen der Kunst, des Kunsthandwerks, aber auch bloßer Üppigkeit, wie Salben und Pomaden, erzeugte.

      Wer den Wohlstand der Gesellschaft nach dieser Verschwendung beurteilt, wer sich also auf den beschränkten Standpunkt der römischen Cäsaren und Großgrundbesitzer und ihres Anhanges an Höflingen, Künstlern und Literaten stellt, dem erscheint freilich zur Zeit des Kaisers Augustus die gesellschaftliche Situation als glänzend. Unendliche Reichtümer strömten in Rom zusammen, einzig zu dem Zwecke, dem Genießen zu dienen; genußfrohe reiche Prasser taumelten von Fest zu Fest, mit vollen Händen mitteilend von ihrem Überflusse, den für sich allein zu verbrauchen ihnen ganz unmöglich war. Viele Künstler und Gelehrte erhielten von den Mäzenaten materielle Mittel in ausgiebigem Maße, riesige Bauten entstanden, deren ungeheure Größe und künstlerisches Ebenmaß wir heute noch anstaunen, die ganze Welt schien Reichtum aus allen Poren zu schwitzen – und doch war diese Gesellschaft damals schon dem Tode geweiht.

      e. Der ökonomische Niedergang

      Eine Ahnung davon, daß es abwärts ging, erstand frühzeitig in den herrschenden Klassen, die ausgeschaltet wurden aus jeder Tätigkeit, alle Arbeit immer mehr von Sklaven besorgen ließen, selbst die Wissenschaft, selbst die Politik. In Griechenland hatte die Sklavenarbeit zunächst dazu gedient, den Herren volle Muße zu gewähren für die Verwaltung des Staates und das Nachdenken über die wichtigsten Probleme des Lebens. Aber je mehr sich die Überschüsse steigerten, die durch die Konzentration des Grundbesitzes, die Ausdehnung der Latifundien und die Vermehrung der Sklavenmassen in den Händen weniger vereinigt wurden, desto mehr wurde das Genießen, die Verschwendung dieser Überschüsse die vornehmste gesellschaftliche Funktion der herrschenden Klassen, desto mehr entbrannte unter ihnen der Konkurrenzkampf der Verschwendung, der Wetteifer, einander an Glanz, Üppigkeit, Nichtstun zu überbieten. Das vollzog sich in Rom noch leichter als in Griechenland, weil jenes in seiner Kulturhöhe verhältnismäßig rückständiger war, als es diese Produktionsweise erreichte. Die griechische Macht hatte sich hauptsächlich barbarischen Völkern gegenüber ausgedehnt, dagegen war sie in Kleinasien und Ägypten auf starke Hindernisse gestoßen. Ihre Sklaven waren Barbaren, von denen die Griechen nichts lernen konnten, denen sie nicht die Staatsverwaltung überlassen durften. Und die Reichtümer, die man aus den Barbaren herauszuholen vermochte, waren relativ gering. Die Römerherrschaft dehnte sich dagegen rasch über die ganzen uralten Kulturstätten des Ostens bis nach Babylonien (oder Seleukia) hinaus; aus diesen neu eroberten Provinzen zogen die Römer nicht bloß unendliche Reichtümer, sondern auch Sklaven, die ihren Herren an Wissen überlegen waren, von denen diese zu lernen hatten, denen sie leicht die Staatsverwaltung überlassen durften. An Stelle der großgrundbesitzenden Aristokraten als Verwalter des Staates traten in der Kaiserzeit immer mehr Sklaven des kaiserlichen Hauses und ehemalige Sklaven des Kaisers, Freigelassene, die dem früheren Herrn verpflichtet blieben.

      So blieb den Latifundienbesitzern und ihrem zahlreichen Anhang an Schmarotzern keine andere Funktion in der Gesellschaft übrig als die des Genießens. Aber der Mensch wird gegen jeden Reiz abgestumpft, der dauernd auf ihn einwirkt, gegen die Freude wie gegen den Schmerz, gegen die Wollust wie gegen die Todesfurcht. Das ununterbrochene bloße Genießen, das keine Arbeit, kein Kampf unterbrach, erzeugte zunächst eine stete Jagd nach neuen Genüssen, durch die man die alten zu überbieten, die abgestumpften Nerven aufs neue zu kitzeln suchte, was zu den unnatürlichsten Lastern, zu den ausgesuchtesten Grausamkeiten führte, aber auch die Verschwendung aufs höchste und sinnloseste steigerte. Alles hat jedoch seine Grenzen und war der einzelne einmal so weit, aus Mangel an Mitteln oder an Kräften, infolge finanziellen oder körperlichen Bankrotts, daß er nicht mehr die Genüsse zu steigern vermochte, dann trat bei ihm der schlimmste Katzenjammer, Ekel vor jedem Gemäß, ja völliger Lebensüberdruß ein, das Empfinden, daß alles irdische Dichten und Trachten eitel sei – vanitas, vanitatum vanitas. Verzweiflung, Todessehnsucht, aber auch die Sehnsucht nach einem neuen, höheren Leben trat ein – so tief wurzelte jedoch die Abneigung gegen die Arbeit in den Gemütern, daß auch dies neue, ideale Leben nicht als ein Leben freudiger Arbeit gedacht wurde, sondern als eine völlig tatlose Seligkeit, die ihre Freude nur daraus zog, daß sie von allen Schmerzen und Enttäuschungen der leiblichen Bedürfnisse und Genüsse befreit war.

      In den besten unter den Ausbeutern erstand aber auch ein Gefühl der Scham darüber, daß ihr Wohlleben sich aufbaute auf dem Untergang zahlreicher freier Bauern, auf der Mißhandlung Tausender von Sklaven in den Bergwerken und Latifundien. Der Katzenjammer erweckte auch Mitleid mit den Sklaven – ein seltsamer Widerspruch gegen die rücksichtslose Grausamkeit, mit der man damals über deren Leben verfügte

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