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Aber es kam ihr gar nicht in den Sinn, das zu sagen. Sie hatte Dorothee das Versprechen gegeben, sich als Leilas Mutter auszugeben, bis Dorothee sich selbst zu ihrer Mutterschaft bekennen würde, und an dieses Versprechen fühlte Gudrun sich gebunden. Auch noch, als sie jetzt spürte, wie Hanno sich förmlich vor ihr verschloß.

      Das konnte sie ihm nicht einmal übelnehmen. Eine Mutter mit zwei unehelichen Kindern von zwei verschiedenen Vätern – das mußte ja etwas viel für einen Mann wie Hanno Werth sein. Er tat ihr fast leid. Und sie selbst war auch ein bißchen bedrückt, denn sie hatte auch begonnen, Dorothees Sohn sehr zu mögen.

      »Bleiben wir trotzdem Freunde?« fragte sie leise.

      Hanno nickte. Ein bißchen zu hastig vielleicht und auch etwas schuldbewußt. »Natürlich«, versicherte er aber. »Warum denn nicht? Wir verstehen uns doch prima. So wie richtig gute Freunde.«

      Und dabei blieb es denn auch. Hanno und Gudrun wurden Freunde, wirklich gute Freunde. Sie schätzten sich gegenseitig sehr. Aber beide waren doch sehr bemüht, daß nicht mehr daraus wurde.

      *

      So war der Stand der Dinge, als eines Tages unerwarteter Besuch vor der Tür des Hauses im Weidengrund stand. Es war am Abend, die Kinder schliefen bereits, und Dorothee war allein zu Hause. Vorsichtig blickte sie zunächst durch den Spion in der Tür, und dann glaubte sie ihren Augen nicht trauen zu können. Stand da doch tatsächlich Alexander Werth, der Mann, mit dem sie immer noch verheiratet war.

      »Alexander!« rief sie, noch während sie die Tür öffnete. »Das ist aber eine Überraschung. Wo kommst du denn her?«

      »Direkt vom Münchener Flughafen«, antwortete der Mann lächelnd, »und ich bin froh, dich zu Hause anzutreffen. Dann kann ich das Taxi, mit dem ich gekommen bin, ja wohl wieder fortschicken.«

      »Ja, natürlich«, nickte Dorothee. »Mein Gott, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Aber ich freue mich. Ja, sicher, ich freue mich, dich zu sehen. Komm herein.«

      »Sofort, Dorothee. Ich sage nur noch dem Taxifahrer Bescheid.«

      Dorothee machte aus ihrer Freude keinen Hehl, und auch Alexander ließ erkennen, daß ihm seine Frau in dieser anderen, ihm bisher ja noch unbekannten Umgebung gefiel.

      Aber er ließ sie nicht lange im unklaren, warum er gekommen war.

      »Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, Dorothee«, sagte er gleich, noch ehe sie sich im Wohnzimmer niedergelassen hatten.

      »Sollte ich dir nicht vorher etwas anbieten?« fragte Dorothee. »Hast du gegessen?«

      »Ja, im Flugzeug. Aber wenn du ein Bier hättest, ein richtig schönes deutsches Bier.«

      Dorothee lachte. »Da Hanno oft bei uns ist, ist auch immer Bier im Kühlschrank. Nimm schon einmal Platz, ich hole dir das Bier.«

      Ja, und dann kam Alexander Werth gleich zur Sache. »Es fällt mir nicht ganz leicht, mit dir zu reden, Dorothee, aber es muß sein. Ich habe mich dazu entschlossen und habe dann auch gleich den nächsten Flug gebucht, denn die Angelegenheit soll so schnell wie möglich geregelt werden.«

      »Welche Angelegenheit, Alexander?«

      »Eigentlich hätte das zwischen uns kein Thema sein sollen. Jedenfalls ich wollte den Anstoß dazu nicht geben. Aber nun ist Rosita da, und damit hat sich vieles… nein, eigentlich alles geändert.«

      Dorothee gab keine Antwort, sah ihren Mann nur ruhig abwartend an.

      Dieser hatte wohl mit einem Einwand, einer Frage gerechnet, doch nach kurzem Schweigen fuhr er dann fort: »Ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß Rosita eine Mutter braucht. Sie soll nicht nur mit einer alten Kinderfrau aufwachsen und einem Vater, der sie zwar liebt, der aber doch wenig Zeit für sie hat. So ein kleines Menschenkind braucht eine Mutter. Und darum bin ich hier, Dorothee. Selbstverständlich kann ich dich nicht bitten, die Mutterrolle für meine kleine Tochter zu übernehmen. Abgesehen davon, daß du mir ohnehin schon erklärt hast, nicht wieder nach Santiago zurückkommen zu wollen, was ich zu akzeptieren habe, so wäre es auch sonst wohl etwas viel verlangt. Ich sehe das ganz nüchtern und mache mir da auch keine Illusionen.«

      »Und welche Lösung schwebt dir dazu vor?« fragte Dorothee, ohne das zu kommentieren, was Alexander gerade gesagt hatte.

      »Es gibt da nur eine Lösung, Dorothee. Ich muß wieder heiraten. Um meiner kleinen Tochter eine Mutter geben zu können, muß ich wieder heiraten.«

      »Hast du da schon eine bestimmte Frau im Auge?« fragte Dorothee ruhig.

      »Nein, ganz und gar nicht. Überhaupt nicht. Erst müssen die Verhältnisse geregelt werden. Das heißt, du mußt in eine Scheidung einwilligen. Es fällt mir schwer, das zu sagen, Dorothee, denn ich wollte keine Scheidung. Will es eigentlich auch jetzt nicht. Aber so, wie die Verhältnisse nun einmal liegen… Also, zunächst Scheidung. Ich hoffe, du machst mir da keine Schwierigkeiten. Und dann werde ich ganz gezielt nach einer Mutter für Rosita suchen.«

      »Und nach einer Frau für dich selbst.«

      »Ja, natürlich. Aber das ist für mich zunächst einmal zweitrangig. Das Wohl des Kindes ist mir wichtiger.«

      »Von dieser Seite kenne ich dich ja noch gar nicht, Alexander.« Dorothee war wirklich erstaunt.

      Alexander nickte, und sein Lächeln wirkte fast verlegen. »Du glaubst ja gar nicht, Dorothee, was solch ein kleines Menschlein aus einem machen kann. Ich bin selbst ganz erstaunt. Aber Rosita ist ungeheuer wichtig für mich geworden. Und die neue Vaterrolle gefällt mir sehr. Ich hätte das selbst nicht für möglich gehalten. Immerhin bin ich ja kein junger Mann mehr.«

      »Vielleicht genießt man das neue Kinderglück darum besonders intensiv«, sagte Dorothee leise.

      »Ja, kann schon sein. Und darum bin ich auch bereit, für diese neue Rolle alle Konsequenzen auf mich zu nehmen.«

      »Auch eine neue Ehe?«

      »Ja, auch das. Wenn es mir, ehrlich gesagt, auch schwerfällt, mich an einen solchen Gedanken zu gewöhnen. Aber ich weiß wirklich keine bessere Lösung. Wie gesagt, dieses kleine Wesen hat in so kurzer Zeit einen ganz anderen Menschen aus mir gemacht. Das wirst du kaum begreifen können, Dorothee. Ich hätte so etwas ja auch nicht für möglich gehalten.«

      »Ob ich das begreifen kann?« lächelte Dorothee geheimnisvoll. »Komm mal mit. Ich möchte dir jemanden vorstellen.«

      Die Türen zu den beiden Kinderzimmern im oberen Stockwerk standen offen, damit man unten hören konnte, wenn sich hier etwas rührte. »Das ist Annika«, deutete Dorothee im Vorübergehen in das erste Kinderzimmer hinein. »Sie ist vier Jahre alt und ein richtiger kleiner Sonnenschein.«

      »Sie ist die Tochter von der jungen Frau, mit der du hier im Haus lebst. Erinnere ich mich da richtig?«

      »Ja, Alexander, da erinnerst du dich richtig.« Sie knipste im zweiten Zimmer die Lampe an, die ein gedämpftes, sehr angenehmes Licht verbreitete. Trotzdem wurde das Kind in seinem Bettchen wach. Leila verzog erst weinerlich das Mündchen, doch als Dorothee sich über sie beugte, strahlten die blauen Augen, und zwei Ärmchen streckten sich ihr entgegen.

      Dorothee nahm das Kind hoch, drückte es zärtlich an sich und wandte sich dann ihrem Mann zu. »Das ist Leila«, sagte sie glücklich. »Leila ist meine Tochter.«

      »Du meinst, du vertrittst so etwas wie Mutterstelle an dem Kind deiner Hausgenossin.«

      »Nein, Alexander. Das haben wir bisher zwar behauptet, weil ich zu feige war, mich zu dem Kind zu bekennen. Du bist der erste, der die Wahrheit erfährt. Leila ist wirklich meine Tochter. Ich habe sie geboren, ich mit meinen vierundvierzig Jahren. Ich war und bin unsagbar glücklich über dieses Wunder, wollte mich aber doch nicht zu dieser späten Mutterschaft bekennen, weil ich mich zu alt fühlte. Aber inzwischen empfinde ich das selbst als albern. Wir sind nur einfach so bei unseren Rollen geblieben, Gudrun und ich. Aber damit ist jetzt Schluß. Siehst du, Alexander, wir haben beide eine Tochter. Und darum habe ich unwillkürlich so lachen müssen, als ich von deiner Rosita

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