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überfällt ihn eine schrille Frauenstimme.

      »Jürgen, du bist ein Schuft!« gellt es ihm entgegen. »Seit drei Wochen warte ich auf dich. Warum kommst du nicht?«

      »Ich weiß zwar nicht, wer Sie sind«, erwidert er mit vor Ironie triefender Stimme. »Aber Sie werden wohl noch länger warten müssen. Hier spricht nämlich Jürgens Vater.«

      Kröger knallt den Hörer auf die Gabel.

      »Wenn du schon Bettina betrügst«, wendet er sich an seinen Sohn, der die Farbe verloren hat, »dann würde ich mir eine etwas kultiviertere Dame aussuchen.«

      »Ich verstehe dich nicht.«

      »Du verstehst mich recht gut, mein Junge. Das war keine Frau, das war eine Höllenmaschine, die dicht vor der Explosion steht.«

      Nana! durchfährt es Jürgen. Sie hatte schon mehrmals angerufen, und er hatte sie immer zu vertrösten verstanden. Verdrießlich nagt er an seiner Unterlippe.

      »Nun? Jetzt kannst du dich nicht mehr verteidigen. Gib mir die Adresse von der Dame.« Er zieht das Wort »Dame« besonders in die Länge. »Ich werde zu ihr gehen und ihr Geld geben. Das ist mir Bettinas Seelenfrieden wert. Wenn es ihr einfällt, kommt sie noch zu uns ins Haus und macht Bettina eine Szene.«

      Jürgen sieht rote Kreise vor seinen Augen. Er wirft den Aktendeckel auf seinen Schreibtisch.

      »Bin ich ein kleiner Junge?« schreit er seinen Vater an. »Darf ich nicht tun und lassen, was ich will? Wer spioniert hinter mir her?«

      »Sachte, sachte!« Kröger mißt seinen Sohn mit einem verächtlichen Blick. »Spiel nicht den Verrückten. Ich habe es geahnt, daß du Bettina nicht treu bist…«

      »Bettina, immer Bettina! Sie hat dich gegen mich aufgehetzt…«

      »Sei still!« herrscht Kröger seinen Sohn an. »Du verdienst Bettina gar nicht. Viel zu schade ist sie für dich. Gib dir wenigstens Mühe, daß sie nichts von deinen Seitensprüngen erfährt. Es könnte dich eines Tages reuen. Und sorge dafür, daß diese Person nie wieder hier anruft. Ich dulde es nicht. Verstanden?«

      Eine heftige Erwiderung liegt Jürgen auf der Zunge. Er schweigt verbissen, und Rudolf Kröger geht bedrückt und kummervoll. Das war nun sein Einziger, auf den er so viel Hoffnung gesetzt hat.

      Am Abend bleibt Jürgens Platz am Eßtisch leer. Er ist bei Nana.

      Sie küßt ihn überschwenglich, und er ist gerührt von ihrer Freude. Sie zieht ihn auf die Couch.

      »Habe ich einen Schreck bekommen, als ich deinen Vater am Telefon hörte«, sagt sie und kuschelt sich in seinen Arm.

      »Es hat auch einen schönen Krach deshalb gegeben. Das darfst du nicht wieder tun, Nana. Das mußt du mir versprechen.«

      »Ich verspreche es dir«, behauptet sie. »Jetzt bist du bei mir. Was wollen wir machen? Wollen wir ausgehen? Wollen wir es uns hier gemütlich machen? Wir könnten uns ein Abendessen servieren lassen. Was meinst du?«

      »Bleiben wir hier, Nana«, schlägt er vor, und sie stimmt zu. Sie hätte allem zugestimmt, wenn er nur bei ihr ist.

      Sie entwickelt ihren ganzen

      Charme, sie bedient ihn, mixt ihm, was er gern trinkt, sie zündet ihm die Zigaretten an, sie spielt die Platten, die er leiden mag.

      Sie tanzen und trinken und lachen über allerlei törichtes Zeug. Es ist sehr spät, als Jürgen sie verläßt.

      Er hat das Gefühl, seit Wochen wieder einmal gelebt zu haben.

      *

      Am anderen Ende der Stadt hat Rudolf Kröger Bettinas Mutter ein kleines Haus, ganz in Grün gebettet, gekauft. Dort lebt Franziska von Welling, betreut von einer älteren Frau. Sie muß sich sehr schonen, denn ihr Herz ist sehr schwach.

      Aber sie hat auch keine Aufregungen. Sie weiß Bettina in der prächtigen Krögerschen Villa gut aufgehoben und wähnt sie glücklich.

      In letzter Zeit ist ihr bei Bettinas Besuchen allerdings deren schlechtes Aussehen aufgefallen.

      Auch heute wieder muß sie Bettina immer anschauen.

      »Bist du krank, Liebling?« erkundigt sie sich.

      Bettina erschrickt. Sie zwingt sich ein Lächeln auf die Lippen.

      »Nein, Mama, ich fühle mich sehr wohl.«

      »Hast du Kummer, Kind? Irgend etwas stimmt nicht mit dir«, bohrt Franziska weiter. Sie ist eine zierliche vornehme Frau, warmherzig, und Bettina ist ihr Sonnenschein. Sie hat viel gelitten in ihrem Leben, und immer war es Bettina, die ihr Halt gegeben hat.

      Bettina sieht sich in die Enge getrieben. Sie überlegt fieberhaft.

      »Stimmt in deiner Ehe nicht alles, Betty? Sag es mir, dich bedrückt doch etwas.«

      Mit Bettinas Beherrschung ist es vorbei. Sie kniet vor ihrer Mutter nieder und legt ihren Kopf in deren Schoß. Ihr Körper wird von bitterlichem Weinen geschüttelt. Franziskas Hände streicheln über den

      dunklen Kopf ihres Kindes. Sie ist bis ins Herz erschrocken. Aber sie wartet geduldig, bis Bettina zu sprechen beginnt.

      Wie ein Sturzbach fließen die Worte über ihre Lippen.

      »Ich wollte es dir nicht sagen, Mama, um dich nicht aufzuregen. Aber ich muß es einem Menschen sagen. Jürgen quält mich, ist brutal zu mir – und er betrügt mich. Dabei erwarte ich ein Kind. Ein Kind von dem Mann, den ich aus tiefster Seele verachten gelernt habe. Soll sich mein Kind seines Vaters schämen? Ich wollte, ich wäre tot.«

      »Bettina!« ruft Franziska entsetzt aus und hebt ihren Kopf empor. Die Hände zittern ihr dabei. »Wie kannst du so etwas sagen! Komm, rück deinen Sessel zu mir und laß dir eine andere Geschichte erzählen. Vielleicht tröstet es dich.«

      Sie sucht nach einem Anfang. Sie ist völlig verwirrt. Alles hätte sie geglaubt, nur das nicht. Wie sehr muß Bettina heimlich gelitten haben!

      Die Dämmerung fällt in das Zimmer. Die Fenster sind weit geöffnet, denn es war ein heißer Tag. Es kommt süßer Duft von draußen. Der Wind fächelt leicht durch die Bäume.

      Franziska von Wellings Gedanken wandern zurück in die Vergangenheit. Während die Dämmerung sie einspinnt, beginnt sie mit leiser Stimme zu erzählen.

      »Ich war so jung wie du, Betty, als ich deinen Vater heiratete. Er hieß allgemein ›der schöne Welling‹. Überall, wo er auftauchte, gewann er durch seine Erscheinung Freunde, und man beneidete mich um diesen Mann. Keiner wußte, was ich an der Seite dieses Mannes leiden mußte.

      So ahnungslos wie ich war, dauerte es sehr lange, bis ich dahinterkam, daß er spielte und trank und viele Frauen neben mir hatte. Ich war damals wahnsinnig vor Verzweiflung. Nach außen hielt ich die Ehe aufrecht, aber ich war todunglücklich. Mein Leben bedeutete mir nichts mehr. Alles war leer in mir. Da merkte ich, daß ich ein Baby erwartete, und ich fand zu mir zurück.

      Meine Freude war unbeschreiblich. Selten ist ein Kind so herbeigesehnt worden wie du, Betty. Der Gedanke an das werdende Kind ließ mich alles ertragen. Er machte mich stark und unabhängig von deinem Vater. Nie hätte ich es dir erzählt, wenn sich nicht das gleiche Schicksal nun an dir erfüllen würde.

      Eines Tages brachte man deinen Vater tot ins Haus. Bei einem tollen Ritt war er gestürzt und ums Leben gekommen. Ich weinte nicht. Tränen hatte ich in meiner Ehe genügend vergossen. Es stellte sich heraus, daß er das Gut vernachlässigt hatte, daß er mit dem Geld nur so um sich geworfen hatte. Zusammen mit dem Verwalter haben wir nach einem Ausweg gesucht, haben die Bücher durchgesehen und versucht zu retten, was zu retten war. Es waren erhebliche Schulden da. Ich setzte mich mit den Gläubigern in Verbindung und kam mit ihnen überein, daß sie in Kürze ihr Geld erhalten würden. Alles gab ich hin. Der Verwalter half mir beim Verkauf. Die Gläubiger erhielten ihr Geld.

      Ich dachte dabei immer nur an das zu erwartende Kind. Wenn es auch arm geboren werden würde, so sollte

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