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ein Langes und Breites und gingen endlich wieder fort; ich ließ das Geld für die Hammel neben ihn hinlegen — er rührte es aber nicht an, sondern lag mit dem Gesicht auf der Erde, wie ein Todter. Wollen Sie wohl glauben, daß er bis tief in die Nacht und die ganze Nacht hindurch so gelegen hat? Erst am andern Morgen kam er in die Festung und bat, daß man ihm den Räuber nennen wolle. Die Schildwache, die gesehen hatte, wie Asamat das Pferd abband und auf ihm davonjagte, hielt es nicht für nöthig, ihm ein Geheimniß daraus zu machen. Bei diesem Namen funkelten Kásbitsch’ Augen und er begab sich nach dem Aúle, wo Asamats Vater wohnte.

      „Wie ergings dem Vater?“

      — Ja das ist ja eben der Witz, daß Kásbitsch ihn nicht zu Hause traf; er war irgend wohin auf ein Tager Sechs verreist; wäre es denn sonst wohl Asamat gelungen, seine Schwester zu entführen?

      — Als nun der greise Vater zurückkehrte, da fand er weder Tochter noch Sohn; denn der Schlaukopf hatte wohl bedacht, daß er seinen Kopf nicht davon bringen würde, wenn er jemals dem Kásbitsch unter die Hände fiele. So war er denn seit jener Zeit verschwunden; wahrscheinlich hatte er sich zu einer Bande Abréken geschlagen, oder er hatte jenseits des Téreks oder Kúbans sein unruhiges Haupt irgendwo niedergelegt. Dort kommt man leicht genug dazu!

      — Nun muß ich gestehen, daß auch mich die Sache etwas anging. So wie ich erst erfahren hatte, daß die Tscherkessin bei Grigórii Alexándrowitsch war, legte ich meine Epauletten an, steckte den Degen ein und begab mich zu ihm.

      — Er lag im Vorderzimmer auf dem Bette, die eine Hand unter dem Nacken geschlagen und mit der andern die ausgegangene Pfeife haltend; die Thüre nach dem zweiten Zimmer war verschlossen und der Schlüssel abgezogen. Ich bemerkte dies Alles im Nu . . . Ich fing an mich zu räuspern und mit den Absätzen an der Schwelle zu scharren — er that aber, als hörte er nichts.

      — „Herr Lieutenant!“ sagte ich so streng wie möglich, „sehen Sie denn nicht, daß ich zu Ihnen gekommen bin?“

      „Ach, guten Tag, Maksim Maksimitsch! Ist Ihnen eine Pfeife gefällig?“ antwortete er, ohne auch nur aufzustehen.

      — Ich bitte um Entschuldigung! Ich stehe jetzt nicht als Maksim Maksimitsch, sondern als Stabskapitain vor Ihnen!“

      „Das ist ja einerlei. Wollen Sie eine Tasse Thee? Ach, wenn Sie wüßten welche Sorge mich jetzt drückt . . .“

      — Ich weiß Alles, entgegnete ich ihm, an sein Bett tretend.

      „Desto besser, ich bin gar nicht aufgelegt, viel zu erzählen.“

      — „Herr Lieutenant, Sie haben sich eines Vergehens schuldig gemacht, für das auch ich zur Verantwortung gezogen werden kann . . .“

       „Nun hören Sie doch auf! Was ist denn daran gelegen? Als ob nicht schon längst zwischen uns alles zur Hälfte ginge!“

      — Ei was für Späße! Ich bitte um Ihren Degen.

      „Mitka! den Degen!“

      Mitka brachte den Degen. Als ich nun so meiner Pflicht genügt hatte, setzte ich mich zu ihm aufs Bett und sagte: „Höre, lieber Grigórii Alexándrowitsch, gestehe selbst, daß es nicht hübsch war.“

      „Was nicht hübsch?“

      — „Je nun, daß Du die Bela entführt hast . . . Ach diese Bestie von Asamat! . . . Nun, gestehe selbst,“ sagte ich zu ihm.

      „Ja, wenn sie mir nun einmal gefällt?“

      — Nun bitte ich Sie, was sollte ich ihm hierauf antworten? Ich war ganz verdutzt. Indessen sagte ich ihm nach einem kurzen Schweigen, daß, wenn ihr Vater sie wieder fordern sollte, man doch genöthigt sein würde, sie herauszugeben.

      „Ist durchaus nicht nöthig.“

      — „Ja, wenn er nun aber erfährt, daß sie hier ist?“

      „I, wie soll er denn das erfahren?“

      Ich war abermals festgefahren. — „Hören Sie, Maksim Maksimitsch“, begann Petschorin endlich, indem er sich erhob: „Sie sind ein guter Mensch, — bedenken Sie selbst, daß, wenn wir diesem Wilden seine Tochter wiedergeben, er sie entweder umbringt oder verkauft. Die Sache ist nun einmal geschehen, es kommt also bloß darauf an, daß wir sie nicht muthwillig selbst verderben; lassen Sie sie also bei mir und meinen Degen bei Ihnen . . .“

      — „So zeigen Sie mir sie wenigstens,“ sagte ich.

      „Sie ist hinter jener Thür; indessen habe ich mich heut selbst vergebens bemüht, sie zu sehen; sie sitzt, in ihren Schleier gehüllt, in einem Winkel und spricht nicht und rührt sich nicht; sie ist scheu wie eine wilde Gemse. Ich habe unsere Marketenderin in Dienst genommen: die versteht tatarisch und wird sie an den Gedanken gewöhnen, daß sie mein ist, denn sie soll Niemandem anders gehören als mir,“ fügte er hinzu, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug. — Ich ließ ihn auch hierin gewähren . . . Was soll man machen? Sehen Sie, es giebt Leute, denen man durchaus ihren Willen thun muß.

      — „Hat er sie denn wirklich“ fragte ich Maksim Maksimitschen, „so weit gebracht, oder verkam sie in der Gefangenschaft vor lauter Heimweh?“

      — „Ja warum denn vor Heimweh, ich bitte Sie um Alles. Aus der Festung konnte man dieselben Berge sehen, wie aus ihrem Aúle, — na, und mehr brauchen diese Wilden ja nicht. Dann beschenkte sie auch Grigorii Alexandrowitsch jeden Tag mit etwas Neuem; die ersten zwei Tage wies sie die Geschenke stolz von sich, welche dann der Marketenderin zufielen und deren Beredsamkeit anregten. Ach, die Geschenke! Was thut ein Frauenzimmer nicht alles für einen bunten Lappen! . . . Doch das gehört jetzt nicht hierher! Grigorii Alexandrowitsch kämpfte lange mit ihr, lernte aber unterdessen tatarisch und auch sie fing an, unsere Sprache etwas zu verstehen. Nach und nach gewöhnte sie sich an seinen Anblick, obschon sie ihn anfänglich nur verstohlen unter den Augenbrauen hervor ansah, und sich immer härmte, und ihre Liedchen mit halber Stimme vor sich hin sang, so daß es mir wohl auch manchmal recht weh um’s Herz wurde, wenn ich sie im Nebenzimmer hörte. Niemals werde ich eine Scene vergessen: Ich ging am Fenster vorüber und schaute hinein: Bela saß auf einem Schemel, mit dem Köpfchen auf die Brust gesenkt; Grigorii Alexandrowitsch stand vor ihr. „Höre, meine Peri,“ sagte er, „siehe, Du weißt doch, daß Du früh oder spät mein sein mußt — warum mich also so quälen? Vielleicht liebst Du irgend einen Tschetschiner? Wenn dem so ist, so laß ich Dich augenblicklich nach Hause gehen.“ — Sie fuhr kaum bemerkbar zusammen und schüttelte mit dem Kopfe. — „Oder,“ fuhr er fort, „bin ich Dir so durchaus verhaßt?“ — Sie seufzte leise. „Oder verbietet Dir Dein Glaube, mich zu lieben?“ — Sie erblaßte und schwieg. — „Glaube mir, Allach ist für alle Völkerstämme ein und derselbe, und wenn er mir gewährt hat, Dich so innig zu lieben, warum sollte er Dir verbieten, mich mit Deiner Gegenliebe zu beglücken?“ — Sie blickte ihm scharf in’s Gesicht, wie von diesem netten Gedanken getroffen; in ihren Augen malte sich die Ungläubigkeit und der Wunsch, sich zu überzeugen. Was für Augen! Sie leuchteten wahrhaftig wie ein Paar Kohlen.

       — „O höre, süße, theure Bela!“ fuhr Petschórin fort, „Du siehst, wie lieb ich Dich habe; ich will alles für Dich dahingeben, wenn ich Dich nur erheitern kann; ich möchte Dich so gern glücklich sehen, und wenn Du wieder so traurig sein wirst, werde ich sterben. Sage mir, daß Du heiterer sein willst?“ — Sie versank in Nachdenken, ohne ihre schwarzen Augen von ihm zu wenden, lächelte dann milde und nickte bejahend mit dem Kopfe. Er ergriff ihre Hand und suchte sie nun zu überreden, ihm einen Kuß zu geben, sie wehrte sich nur schwach, indem sie mehrmals sagte: „Bitte, bitte, nicht nöthig, nicht nöthig.“ Er wurde immer zudringlicher; da fing sie an zu zittern und in Thränen auszubrechen. „Ich bin Deine Gefangene,“ sagte sie, „Deine Sklavin; mithin kannst Du mich freilich zwingen,“ — und wieder Thränen.

      Grigorii schlug sich mit der Faust vor die Stirn und sprang aus ihrem in das andere Zimmer. Ich begab mich zu ihm; er ging mit gefaltenen Händen im Zimmer finster auf und ab. „Nun, mein Lieber?“ sagte ich zu ihm. — „Ein Dämon ist sie, aber kein Weib!“ erwiederte er; „ich gebe Ihnen aber

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