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Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen
Читать онлайн.Название Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman
Год выпуска 0
isbn 9783740936952
Автор произведения Christine von Bergen
Жанр Языкознание
Серия Der Landdoktor Staffel
Издательство Bookwire
»Ich kann das nicht verstehen«, fuhr seine Jugendfreundin mit zitternder Stimme fort. »Ihr kennt euch doch kaum. Ich habe mich erkundigt. Sie ist noch gar nicht so lange hier. Wie kannst du dann von Liebe sprechen? Ich kann zwar verstehen, dass dich das Unbekannte mehr reizt als das Bekannte, das Vertraute. So seid ihr Männer halt. Aber für eine Zukunft, für eine lebenslange Bindung reicht das doch nicht aus.« Sie trat näher an ihn heran. Ihre Lippen bebten, und ihr Blick glich jetzt dem eines geprügelten Hundes.
Was hatte sich Katja nur eingeredet?, fragte er sich mit aufsteigender Verzweiflung. Hatte er einen Fehler im Umgang mit ihr gemacht, nachdem er zurückgekommen war? Er konnte sich nicht erinnern, ihr irgendwelche Hoffnungen auf eine neue Beziehung gemacht zu haben. O nein! Er fuhr sich durchs Haar. Er war bestimmt kein Mann, der Unsicherheit kannte, aber gerade spürte er, wie ihm die Fäden aus der Hand glitten. Natürlich wollte er Katja nicht verletzen.
Als sie noch näher an ihn herantrat, ihre Handflächen auf seine Brust legte und zu ihm aufschaute, so flehend, so bittend, und schließlich ihr auch noch zwei Tränen über die Wangen kullerten, nahm er sie in die Arme.
»Bitte, Katja«, tröstete er sie. »Was uns verbunden hat, war Freundschaft. Meinetwegen jugendliche Verliebtheit, bevor ich gegangen bin. Das Gefühl freundschaftlicher Verbundenheit zu dir ist bei mir geblieben, aber lieben kann ich dich nicht. Dieses Gefühl reicht nicht, um sich fürs Leben zusammenzutun. Glaube mir. Abgesehen davon gehört mein Herz Nicole. Vom ersten Augenblick an. Sie ist meine große Liebe und wird auch meine einzige bleiben. Ich bin sicher …« Er strich Katja übers Haar, über den Rücken, drückte sie noch einmal an sich, um sie dann loszulassen. Doch sie klammerte sich an ihn, sodass er sie noch ein paar Sekunden lang festhielt. »Wir zwei kennen uns seit dem Kindergarten«, sprach er in beschwörendem Ton weiter. »So wie jetzt habe ich dich auch schon als Junge getröstet. Und du kannst zukünftig immer zu mir kommen, wenn du mit jemandem reden willst, der neutral ist, der außerhalb deines Lebens steht. Aber mehr kann ich dir nicht anbieten.«
*
Nur wenige Stunden später, nachdem Daniel nach einer wunderschönen Nacht und einem gemeinsamen Frühstück ins Geschäft gefahren war, meldete sich in Nicole wieder die Sehnsucht nach ihm. Sie wunderte sich. War sie schon so sehr abhängig von Daniels Liebe? Solange sie sich verstehen würden, war dies der wunderschönste Zustand, den sie sich vorstellen konnte. Aber was würde sein, wenn Daniels Gefühle für sie irgendwann einmal verrauchten?
Angst überfiel sie. Eine ähnliche Angst, wie sie sie in ihrem Beruf immer gespürt hatte. Über ihrem Leben hatte stets die bange Frage geschwebt: »Was wird sein, wenn du den Ansprüchen an eine Primaballerina nicht mehr gerecht werden kannst?« Gab es auch solche Befürchtungen in der Liebe? »Was wird sein, wenn du Daniels Bedürfnissen nicht mehr gerecht werden kannst?«
Nicole versuchte, sich durch Arbeiten im Haushalt von diesen belastenden Vorstellungen abzulenken. Umsonst. Ihr Geist wollte nicht mitspielen. Schließlich zog sie sich um und fuhr zu Daniels Geschäft. In seiner Mittagspause wollte sie ihm ihre Ängste anvertrauen. Und bestimmt würde er sie am Ufer der Steinache wegküssen.
*
Nicole ging am Schaufenster des Sportgeschäfts vorbei und wollte gerade die Glastür öffnen, als sie Daniel und Katja entdeckte. Die beiden standen zusammen in inniger Umarmung.
Sie erstarrte, sah durch die Scheibe in den Verkaufsraum, aber das Bild vor ihr blieb erst einmal an ihrer Netzhaut hängen. Es drang nicht in ihr Bewusstsein vor. Dann sickerte langsam, ganz langsam durch, was dort drinnen geschah. In ihrem Gehirn bildete sich nur ein Satz, der das Schreckliche umfasste: »Daniel und Katja lieben sich noch.«
Da war ihr zumute, als würde ihr ein Schleier von den Augen fallen und ihr wieder die richtige, eine schonungslose Sicht auf die Dinge gewähren. Es war der rosarote Schleier, durch den sie die Liebe gesehen hatte. Von wegen große einzige Liebe. Wie konnte Daniel sich seiner Jugendfreundin so gegenüber verhalten, wenn er sie, Nicole, doch liebte? Ihr gehörten diese zärtliche Umarmung, seine streichelnden Hände, sein Körper, an den Katja sich gerade schmiegte.
Während der Anblick der beiden ihr Herz in Stücke riss, fielen ihr Heikos Worte wieder ein: »Mit der großen Liebe ist das so eine Sache. Wenn du mich fragst, gibt es sie nicht.«
Zumindest für Daniel konnte sie nicht die große Liebe sein, wenn er in diesem Augenblick eine andere Frau so innig umarmte.
Nicole trat ein paar Schritte zur Seite, lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand.
Ein heißes Aufbegehren, ein deutliches Gefühl von Eifersucht durchzog ihre Brust. Ihre Fantasie ging mit ihr durch. Was mochten die beiden noch miteinander machen? Wie jede liebende Frau konnte sie den Gedanken nicht ertragen, dass ihr Mann in den Armen einer anderen lag. Das Bild, das sich ihr dort im Geschäft gerade geboten hatte, vergiftete sie innerlich. Die Erkenntnis, mit diesem brennenden Gefühl, das sich in ihrem Innern ausbreitete, nicht leben zu können, durchfuhr sie wie ein Blitz. Niemals. Das konnte und wollte sie sich nicht zumuten.
Sie drehte sich um, eilte zu ihrem Wagen zurück. Wie sie nach Hause gekommen war, hätte sie im Nachhinein nicht mehr sagen können. In der Stube setzte sie sich aufs Sofa, beschwor widersinnigerweise Bilder herauf, um sich weiter zu quälen. Bilder von Daniel und seiner Jugendfreundin, wie er sie anlächelte, sie in seine Arme nahm, sie streichelte …
»Nein!«, rief sie aus. »Genug!« Sie drehte sich auf den Bauch, vergrub das Gesicht im Kissen und versuchte, diese Fantasievorstellungen zu vertreiben, die ihren Kopf besetzten, die ihre Seele marterten, aber es gelang ihr nicht. Ein trockenes Schluchzen brach aus ihr hervor. Weinen konnte sie nicht. Sie war innerlich zu Eis erstarrt.
Als sie aufstand, um in der Küche einen Schluck Wasser zu trinken, wurde ihr klar, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Sie hatte ihre Karriere für einen Mann aufgegeben, der sie nicht liebte. Zumindest nicht so sehr wie sie ihn. Wie hatte sie nur die Liebe ihrem erfolgreichen Berufsleben vorziehen können? Daniel und sie kannten sich viel zu kurz, als dass sie ihm hätte vertrauen dürfen. Sie musste nicht bei Sinnen gewesen sein. Ihr Burnout. Nur ihr Zusammenbruch war schuld daran. Ohne ihn hätte sie Daniel niemals kennengelernt.
Nur, weil mein Körper mich im Stich gelassen hat, sagte sie sich voller Wut gegen sich selbst.
Im nächsten Moment jedoch flammten der Ehrgeiz, ihr eiserner Wille, ihren Körper zu bezwingen, in ihr wieder auf. Lieber den Kampf gegen sich selbst austragen als gegen eine andere Frau, die den Mann begehrt, den ich liebe, dachte sie. Auf Daniel würde sie bei dem Kampf um ihre Liebe nicht zählen können, wie sie gerade gesehen hatte. Er pendelte offensichtlich zwischen ihr, der reizvollen neuen, und seiner vertrauten alten Liebe.
Nicoles neues Leben, ihre gerade neu geborene Welt im Ruhweiler Tal war eingestürzt, dem Boden gleichgemacht worden. Ein verbrannter Boden, auf dem sie nicht mehr länger bleiben wollte. Das Gift der Eifersucht und das vermeintliche Wissen darum, ihre tiefsten Gefühle an einen Mann vergeudet zu haben, der neben ihr noch eine andere Frau liebte, hatten ihre Augen für die Schönheiten der Natur blind werden lassen, ihre Ohren taub für den Gesang der Nachtigall, alle Sinne abgetötet.
Ihre Abreise am Spätnachmittag glich einer Flucht in ihr altes Leben zurück. Doch bevor sie aus Ruhweiler abfuhr, verfasste sie noch zwei Briefe mit gleichem Inhalt.
*
»Schwester Gertrud, ist mein Mann zu sprechen?« Atemlos betrat Ulrike die Praxis.
Sie wirkte derart aufgeregt, dass die altgediente Sprechstundenhilfe, die sonst nichts aus der Ruhe bringen konnte, die Hände vor der Brust zusammenschlug und fragte: »Um Himmels willen, was ist passiert?«
Die Landarztfrau holte tief Luft, brachte ein beruhigendes Lächeln zustande. »Hat er gerade einen Patienten?«
Gertrud nickte.
»Wie lange wird es dauern?«
»Ich weiß nicht. Soll ich ihn aus der Sprechstunde holen?«
»Nein.« Ulrike zögerte.
Ihr Puls raste. Sie