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Körper, um Amelie den Blick auf ihre Mutter zu verwehren und um Zeit zu gewinnen. Aber das alles nutzte ihm nichts – Amelie riß sich aus Yvonnes Umklammerung los und rannte die Treppe hinunter.

      »Mami, Mami!« schrie sie und warf sich in ihre Arme. Nina preßte ihr Kind an sich. »Endlich! Mami, ich will weg von hier, ganz schnell! Ich möchte nach Hause!«

      »Gleich, Liebling«, sagte Nina mit vor Erregung zitternder Stimme. »Gleich. Ich habe nur noch ein paar Worte mit – mit diesem Herrn zu reden. Geh du so lange mit Matthias zum Auto und warte mit ihm dort auf mich.«

      »Nein, Amelie bleibt hier«, sagte Ulf barsch. »Sie ist noch nicht gesund. Ich – als ihr Arzt – kann das nicht zulassen. Sie darf keinerlei Aufregung haben. Sie bleibt hier!«

      Mit großen angsterfüllten Augen sah Amelie zu ihrer Mutter auf, schaute hilfeflehend auf Matthias, der neben Nina stand.

      »Nein«, flüsterte sie angstvoll. »Ich will hier nicht bleiben…«

      »Amelie ist genauso gesund wie Sie und ich, Herr Kollege«, antwortete Matthias mit beißendem Spott. »Und Aufregung verursachen Sie. Nur Sie!«

      Er beugte sich zu Amelie hinunter und nahm sie auf den Arm.

      »Komm, mein Mädchen«, sagte er liebevoll, und die Kleine zögerte nur kurz, bevor sie beide Arme wie schutzsuchend um seinen Hals legte und sich an ihm festklammerte.

      »Ich bin so froh, daß du mit Mami gekommen bist«, schluchzte sie erleichtert. »Gehen wir jetzt nach Hause?«

      Matthias nickte zustimmen, obwohl Ulf hochfahrend sagte: »Darüber ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Dieses Kind ist meine Tochter, und ich habe jegliches Recht…«

      »Nein, du hast kein Recht«, sagte Nina fest. »Du hast kein Recht auf meine Tochter.«

      »Es ist auch meine Tochter«, gab er zurück.

      »Du hast dich nie darum gekümmert, du wußtest noch nicht einmal, daß du ein Kind hast – und jetzt auf einmal entdeckst du Vatergefühle!« sagte sie mit beißendem Spott.

      »Aber jetzt weiß ich, daß ich ein Kind habe – und ich bin sehr glücklich darüber«, sagte er. »Du kannst mir nicht verwehren, für mein Kind zu sorgen, es in besten Verhältnissen aufwachsen zu lassen und ihm die beste Umgebung und später die bestmögliche Ausbildung zu geben.«

      »Für was hältst du mich?« rief Nina voller Zorn. »Du tust gerade so, als hätte ich die Kleine verwahrlosen lassen! Ich habe sehr gut für sie gesorgt und ich werde weiterhin alles für sie tun, was in meinen Kräften steht. Sie wächst in guten, liebevollen Verhältnissen auf, lebt in einer angenehmen Umgebung, und auch ich werde für eine gute Ausbildung sorgen. Da kannst du sicher

      sein.«

      »Davon bin ich überzeugt, Nina«, sagte er weich. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie sah einfach atemberaubend aus in ihrem Zorn – mit den glühenden, hochroten Wangen, den blitzenden Augen, den bebenden Lippen. Ihre Brust hob sich in heftigen Atemzügen – und er hätte sie am liebsten in seine Arme gerissen. Yvonne stand reglos auf der Treppe und umklammerte mit beiden Händen das Geländer so fest, daß ihre Knöchel weiß hervortraten. Das also war die Mutter der Kleinen, das also war die Frau, die Ulf einmal geliebt hatte. Sie sah nicht nur entzückend aus, sie schien trotz ihrer zierlichen Erscheinung eine starke Persönlichkeit zu sein. Furchtlos stand sie Ulf gegenüber, und Yvonne, die ihren Mann gut genug kannte, merkte, daß seine anfängliche Wut, seine Unbeherrschtheit einem an Bewunderung grenzendem Gefühl gewichen war. Er sah diese junge Frau an, als wollte er sie im nächsten Moment in seine Arme reißen. Sehnsucht stand in seinen Augen, seine Züge waren weich und voller Bewunderung für diese junge Frau. Furcht überfiel Yvonne, ließ sie erzittern. Was – wenn Ulf sich von ihr abwenden würde, um Amelies Mutter und damit auch Amelie für sich zu gewinnen? Er wollte dieses Kind unbedingt haben – und sie merkte, daß in ihm Gefühle für Nina aufloderten, die er längst verschüttet glaubte. Was, wenn er sie letzten Endes doch verlassen würde?

      Yvonne schlug die Hände vors Gesicht und eilte die Treppe hinauf in das neu eingerichtete Kinderzimmer. Schluchzend ließ sie sich auf das mit entzückender hellblauer Bettwäsche bezogene Kinderbett sinken.

      »Sieh mal, Nina, ich kann dem Kind einfach mehr bieten. Sieh dich doch um, sieh doch, wie ich lebe. Ich bin inzwischen ziemlich wohlhabend, weißt du«, sagte er weich.

      »Ja, das glaube ich dir gerne. Das ist alles, was bei dir zählt«, sagte sie höhnisch. »Alles, was immer gezählt hat…«

      »Ich kann ihr alles geben, Nina, alles.«

      »Aber keine Liebe…«

      Er musterte sie stumm.

      »Wie kannst du so etwas sagen, Nina? Es ist doch auch mein Kind«, sagte er dann. »Ich fühle es hier – tief in meinem Herzen. Auch ich liebe die Kleine, obwohl ich sie erst ein paar Tage kenne. Und sie, sie mag mich auch. Sie hat mir anvertraut, wie sehr sie sich nach ihrem Vater, ihrem richtigen Vater sehnt.«

      Nina gab keine Antwort, und er holte tief Luft.

      »Ich kann ihr alles geben, Nina, alles«, wiederholte er. Er griff nach ihrer Hand und brachte mit heiserer Stimme heraus. »Und auch dir, Nina. Und auch dir, wenn du nur willst…«

      Nina hob abwehrend die Hände, als wollte sie einen Schlag abwehren. Sie starrte Ulf an, der ihr gegenüberstand.

      »Nein, nein, nein und noch mal nein…«, flüsterte sie tonlos. »Du hast eine Frau, du bist verheiratet. Hast du das vergessen?«

      »Dich – dich konnte ich nie vergessen«, sagte er leise. Er trat auf sie zu und riß sie in seine Arme, sein Kuß war hart und fordernd, und er hielt sie so fest, daß sie sich nicht befreien konnte. Erst nachdem sie wie eine Wilde nach ihm getreten hatte, gab er sie frei.

      »Versuch das nie wieder«, sagte sie mit erzwungener Ruhe. Sie bebte am ganzen Körper. »Nie wieder, hörst du? Laß mich in Ruhe.«

      »Ich werde dich nicht in Ruhe lassen, Nina. Mir geht es um Amelie«, sagte er. »Ich will dieses Kind…«

      … und dich…, hätte er am liebsten gesagt, aber Ninas abweisende Miene hieß ihn besser schweigen.

      »Ich habe ein Recht auf sie«, wandte er ein.

      »Du hast kein Recht auf sie, nicht das geringste«, sagte Nina kühl. »Nirgends steht geschrieben, daß du der Vater bist. In Amelies Geburtsurkunde steht ›Vater unbekannt‹.«

      Ulf war es, als hätte sie ihn geohrfeigt.

      »Vater unbekannt«, wiederholte er tonlos. Er sah sie an. »Ist – ist das dein Ernst? Wie sehr mußt du mich gehaßt haben…«

      Sie nickte und wandte sich zum Gehen. Er streckte die Hand nach ihr aus. Der Gedanke, daß sie jetzt weggehen würde – weggehen, vielleicht für immer – war ihm unerträglich.

      »Bitte, laß uns alles vergessen, die Mißverständnisse, den Haß, alles, was zwischen uns steht. Bitte, Nina…«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein, Ulf, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Ich will dich auch nie, nie mehr sehen. Nie mehr…«

      »Haßt du mich denn immer noch?« fragte er. Sie sah ihn an aus diesen goldbraunen Augen, die er einmal so sehr geliebt hatte.

      »Hassen? Nein, Ulf. Du bist mir nur entsetzlich gleichgültig«, sagte sie ruhig. Dann ging sie, und er sah ihr nach, wie sie den Weg durch seinen wohlgepflegten Garten entlang ging bis zu dem schmiedeeisernen Tor, vor dem das Auto hielt, in dem die kleine Amelie auf sie wartete – und dieser junge Mann, der Arzt war wie er. Er lief ihr nach und packte sie am Arm, sah ihr ins Gesicht, in die furchtlos blickenden Augen.

      »Dieser junge Mann dort«, fragte er rauh, »dieser junge Mann, was bedeutet er dir, Nina? Liebst du ihn?«

      Mit einer resoluten Bewegung machte sie sich frei.

      »Ja, ich liebe

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