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MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2). Robert Mccammon
Читать онлайн.Название MATTHEW CORBETT und die Königin der Verdammten (Band 2)
Год выпуска 0
isbn 9783958353299
Автор произведения Robert Mccammon
Жанр Языкознание
Серия Matthew Corbett
Издательство Bookwire
Der Docht flackerte und Matthew beschloss, dass es an der Zeit war, wieder mit dem Rest der Welt Verbindung aufzunehmen. Auch sein Magen machte sich bemerkbar und verlangte nach einem Frühstück. Als er auf die Uhr sah, entdeckte er mit Schrecken, dass es fast acht war. Er war erschöpfter gewesen, als er gedacht hatte. Normalerweise wachte er gegen sechs auf. Er spritzte sich kühles Wasser ins Gesicht, aber es gab weder Seife noch ein Handtuch. Er nahm sich vor, nach dem Frühstück zum Rasieren und Baden zum Barbier zu gehen, denn ihm saßen sowohl der Schmutz der Reise als auch der Unglücksstaub in den Poren.
Er nahm ein sauberes hellblaues Hemd aus seiner Tasche – wobei sauber ein dehnbarer Begriff war – und fand noch ein Paar frische Strümpfe. Die beiden Kniehosen in der Tasche waren fast so dreckig wie die, in denen er geschlafen hatte, weshalb er sich nicht die Mühe machte, sie zu wechseln. Dann schob er Ausleys Notizbuch in die Tasche unter die Hosen und stopfte sie unter das Bettgestell. Der helle Sonnenschein draußen blendete ihn zuerst; in dem holländischen Milchhaus war es dunkler, als er gedacht hatte, aber so war es ja extra gebaut worden. Er schloss die Tür hinter sich ab.
Auf sein Klopfen hin öffnete Marmaduke und bat ihn herein, und bevor Matthew es sich versah, saß er an Grigsbys Küchentisch, während der ihm gepökelten Speck in Scheiben schnitt und zwei Eier in die Pfanne über der Feuerstelle schlug. Eine Tasse starker Tee beseitigte die letzten Spinnweben in Matthews Kopf.
Matthew genoss das äußerst schmackhafte Frühstück und trank eine Tasse Apfelmost, bevor er fragte: »Berry ist wohl eine Langschläferin?«
»Langschläferin? Das Mädchen schläft so gut wie gar nicht. Sie ist schon aufgestanden und rausgegangen, bevor es richtig hell war.«
»Tatsächlich? Wohin ist sie denn so früh gegangen?«
»Die Queen Street hoch. Um, wie sie sagte, einen Ort zu finden, der das Morgenlicht einfängt.«
Matthew hielt beim Speckkauen inne. »Das Morgenlicht einfängt? Warum?«
»Das fasziniert sie nun mal«, sagte Grigsby und schenkte sich selbst eine Tasse Tee aus der Kanne ein. »Habe ich Euch nicht davon erzählt, dass sie Malerin werden möchte? Wobei, sie ist ja schon eine Malerin, aber sie hofft, damit auch Geld zu verdienen.« Grigsby setzte sich Matthew gegenüber an den Tisch. »Schmeckt es Euch?«
»Ausgezeichnet, danke. Ich weiß Eure Gastfreundschaft sehr zu schätzen.« Matthew aß seinen Speck auf, bevor er weitersprach. »Eine Malerin? Ich dachte, sie wollte Lehrerin werden.«
»Ja, das hat sie vor. Schulmeister Brown wird nächste Woche mit ihr sprechen. Aber Berry hat sich schon als kleines Mädchen fürs Zeichnen und all so was interessiert. Wenn ich mich recht entsinne, ist sie einmal kräftig dafür verdroschen worden, ihren Hund mit Fingerfarben angemalt zu haben.«
»Irgendwie überrascht mich das nicht.«
Grigsby musste lächeln. Aber dann runzelte er die Stirn. »Solltet Ihr nicht auf der Arbeit sein? Mir ist klar, dass Euch das heute nicht leicht fällt, aber Ihr solltet zumindest mit Richter Powers reden.«
»Ich bin entlassen worden«, gab Matthew zurück und wünschte sich, er hätte das nicht gesagt, denn der Blick des Zeitungsmannes verschärfte sich sofort und er beugte sich über den Tisch zu Matthew vor.
»Was war denn? Ist Powers gefeuert worden?«
»Nein. Ich kann es Euch genauso gut sagen: Der Richter verlässt New York. Ihm ist in der Carolina-Kolonie eine bessere Stelle angeboten worden: Mit seinem Bruder auf Lord Kents Tabakplantage zu arbeiten.« Matthew konnte an Grigsbys hinter der Brille glänzenden Augen sehen, dass gerade ein Artikel für den Ohrenkneifer das Licht der Welt erblickt hatte. »Aber hört mal, Marmy, das darf nicht gedruckt werden. Ich meine das ernst.« Wenn ein Ohrenkneifer im Tollhaus von Westerwicke auftauchen konnte, war es auch möglich, dass Professor Fell ihn zu Gesicht bekam. »Ihr müsst unbedingt begreifen, dass das eine streng vertrauliche Auskunft ist.«
»Und warum ist sie streng vertraulich?« Grigsby musterte ihn eingehend und streckte die Hand nach einer Schüssel voller Walnüsse aus. Er nahm sich eine heraus. »Es sind ein Umzug und eine neue Position für ihn, nicht wahr? Oder steckt noch mehr dahinter?«
»Es ist streng vertraulich, mehr nicht. Ich erwarte von Euch, dass Ihr es unterlasst, darüber zu berichten.«
»Unterlassen.« Grigsby verzog das Gesicht. »Das ist aber ein starkes Wort. Vor allem, wenn Ihr es an einen Mann in meinem Berufszweig richtet.« Er schlug sich die Hand mit der Walnuss gegen die Stirn. Ein pistolenartiges Krachen war zu hören, und ohne persönlichen Schaden genommen zu haben, entfernte Grigsby die Nuss aus der zerbrochenen Schale. »Ihr müsst verstehen, dass ich an Neuigkeiten nehmen muss, was ich bekommen kann, seit der Maskenmörder durch den Sperrstundenerlass zu morden aufgehört hat. Es ist meine Pflicht, Tatsachen und Ereignisse zu berichten. Etwas unterlassen zu müssen, kann schwierig sein.« Er hörte einen Moment auf, die Walnuss zu kauen, schlürfte seinen Tee und sah Matthew dann über den Rand seiner Tasse an. »Was haltet Ihr von Berry? Ganz ehrlich.«
»Ich habe keine Meinung.«
»Natürlich habt Ihr eine.« Er suchte sich in der Schüssel eine zweite Walnuss aus. »Sie hat Euch gestern Abend etwas verärgert, nicht wahr?«
Matthew zuckte die Achseln.
»Das hat sie. So ist sie. Sie sagt, was sie denkt. All diesen Unsinn über ihr Pech. Ich bin mir nicht sicher, ob sie das auch wirklich glaubt. Aber vielleicht habt Ihr recht.« Es knackte und die Nuss zersplitterte.
»Womit?« Matthew aß seine Spiegeleier auf. Wie machte der Mann das nur? Das Nüsseknacken hinterließ an seiner Stirn keinerlei Spuren. Sein Schädel musste aus Eisen und die Haut aus Leder sein.
»Dass sie eine dunkle Wolke erschafft, in der sie sich verstecken kann. Ich glaube, das kommt, weil sie ihre Freiheiten liebt. Sie will sie nicht aufgeben. Besonders nicht für einen Ehemann; wobei sie dem Altar mit diesem jungen Herrn, der den roten Ausschlag bekam, schon recht nahegekommen war. Und ich glaube auch, dass sie nicht verletzt werden will. Das könnte doch ein Grund sein, eine dunkle Wolke um sich herum zu erschaffen, meint Ihr nicht?«
»Ja, das könnte sein«, stimmte Matthew ihm zu.
»Wisst Ihr«, sagte Grigsby kauend, »dass Ihr eine verfluchte Art und Weise an Euch habt, so zu tun, als ob Ihr nicht aufpasst. Und dabei entgeht Euch nichts. Das ist zum Verrücktwerden.«
»Oh, ist es das? Tut mir leid.«
»Also, ich will nicht, dass sie verletzt wird«, fuhr Grigsby fort. »Ihr wisst schon, was ich damit meine. Berry ist kein Modepüppchen. Der neueste Stil ist ihr ganz und gar gleichgültig. Diese französischen Frisuren und neuen Tänze, die in dieser Stadt fast jedem Mädchen ihres Alters schlaflose Nächte bereiten, berühren sie nicht im geringsten.«
»Den Unverheirateten zumindest bereitet es schlaflose Nächte«, sagte Matthew.
»Ja. Und dann ist da noch was.« Eine dritte Nuss wurde auserwählt, an der Stirn geknackt und gegessen. »Man kann den jungen Herren hier nicht trauen. Ich könnte Euch Dinge über das erzählen, was manche dieser Gentlemen samstagabends mit den Mädchen treiben … da würden Euch die Haare zu Berge stehen!«
»Ich nehme an, Ihr erfahrt das von der Witwe Sherwyn?«
»Ja, und auch von anderen. Diese Jünglinge sind wie ausgehungerte Wölfe, die sich jedes bisschen Unschuld schnappen, das ihnen über den Weg läuft! Vielleicht liegt es am Wasser von New York.«
»Ihr sprecht wie ein richtiger Großvater.« Matthew prostete ihm mit der Teetasse zu.
Grigsby lehnte sich zurück.