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war.

      »Ich krieg langsam Hunger, und Großvater hat nichts Gutes zu essen im Haus«, meinte Sebastian, während er die dürftige Auswahl an Lebensmitteln auf den Regalen der Vorratskammer sichtete. »Es wirkt so, als würde er immer noch nur überleben. Was haben wir denn hier? Thunfisch, noch mehr Thunfisch und – oha – Thunfisch in Öl«, zählte er auf, während er eine Dose hochhielt.

      »Und was wirst du jetzt machen?«, fragte Hunter spöttisch.

      »Hör mal, ich bin jetzt schon länger als eine Woche hier, glaube aber immer noch, irgendwann mal etwas Anständiges in diesem staubigen alten Schrank zu finden«, klagte Sebastian und schloss die Tür. »Lass uns in die Stadt fahren. Das Restaurant im Hotel McCall ist klasse.«

      Hunter konnte seine Augen nicht von den beiden draußen Sitzenden abwenden. Streng genommen beobachtete er sie nicht nur, sondern weidete sich geradezu an ihnen, so als träume er und sei an einen Ort versetzt worden, wo Wunder geschehen können.

      »Bruder, du begreifst doch wohl, wie außergewöhnlich das hier ist, oder?«, erwiderte er.

      Enttäuscht darüber, dass er nichts Essbares finden konnte, trat Sebastian aus der Küche und ging zu seinem Bruder. »Das tue ich und darum wollte ich auch, dass du herkommst.«

      »Großvater zu sehen ist wirklich toll. Mir kommt es vor, wie eine Gelegenheit, George Washington persönlich zu treffen.«

      »Bloß ohne dessen schlechte Zähne«, witzelte Sebastian.

      »Ist für dich eigentlich alles nur ein Witz?«

      »Ich bin schon eine Weile hier, und es ist ja nicht so, dass ich diesen Augenblick nicht zu schätzen wüsste – glaub mir, das tue ich –, aber ich habe im Moment einfach nur Hunger, und du weißt, wie grantig ich werden kann, wenn ich nichts zwischen die Kiemen kriege.«

      »Achtung, sie kommen wieder rein«, sagte Hunter aufgeregt, als er sah, wie Haley mit Gordon aufstand und auf die Glasschiebetür zuging. Er lief hinüber und zog sie auf. Als ein kräftiger Windstoß hineinwehte, fiel ihm wieder ein, dass es in den Bergen deutlich kälter war als in seiner neuen Heimat mitten in Texas.

      »Dein Großvater muss etwas zu sich nehmen«, sagte Haley, während sie Gordon in die Wohnung führte.

      »Na, meine Rede!«, rief Sebastian erfreut.

      »Kein Problem, was soll ich denn zubereiten?«, fragte Hunter, der immer gerne half.

      Als die beiden hereingekommen waren, schloss Haley die Tür und wandte sich an Gordon: »Was möchtest du denn gerne essen, Dad?«

      »Ein Steak, medium, nicht ganz durchgebraten«, antwortete er.

      »Ein Steak? Du hast keine, das weiß ich genau«, beteuerte ihm Sebastian. »Ich weiß es genau, weil ich nämlich die Gefriertruhe in der Garage gründlich durchstöbert habe.«

      Gordon hielt einen Zeigefinger in die Höhe und entgegnete: »Wartet mal. Warum setzt ihr euch nicht einfach alle, während ich Abendessen mache?«

      »Nein Dad, wir können das doch übernehmen. Du siehst müde aus«, beharrte Haley. »Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen.« Sie ließ seinen Arm die ganze Zeit nicht los.

      Gordon schaute in ihre hellen Augen und versicherte ihr in einem zuversichtlichen Tonfall: »Ich bin fit, jetzt nehmt Platz und entspannt euch.«

      »Soll ich den Grill anschmeißen?«, erkundigte sich Hunter.

      »Setz dich einfach und trink etwas«, meinte Gordon. Auf dem Weg zu seinem Arbeitszimmer hielt er kurz inne und drehte sich um. »Im Schrank unter der Treppe steht eine alte Holzkiste. Ich hoffe, ihr mögt Scotch.« Daraufhin ging er weiter und verschwand im Schatten.

      »Mom, ich … äh … ich komme einfach nicht darüber hinweg.«

      »Bist du mir immer noch böse?«, fragte Haley.

      Er trat auf sie zu und verneinte. »Ich kann's bloß immer noch nicht fassen. Wie ist das überhaupt möglich?«

      »Alles ist möglich, wenn man sich dafür einsetzt«, sagte Haley.

      »Was soll das denn jetzt wieder heißen?«, erwiderte Hunter.

      »Bist du wirklich so begriffsstutzig?«, unterstellte ihm Sebastian.

      »Wie hält man so etwas denn bitteschön geheim?« Hunter schaute sie gespannt an, während er auf eine Antwort wartete, die seine Neugierde stillen würde.

      Haley stellte sich vor ihn und streichelte ihm über seine stoppeligen Wangen. »Indem man genau weiß, auf welche Freunde man zählen kann. Denn das ist das Wichtigste.«

      »Und außerdem?«

      »Und außerdem habe ich einen trockenen Hals. Wie wär's, wenn du mal diesen Scotch holst?« Damit ging sie an Hunter vorbei in den großen Raum, um es sich dort bequem zu machen.

      »Bin dabei, Mom«, sagte Sebastian und verschwand in Richtung Treppe.

      Hunter folgte Haley und ließ sich neben ihr auf der Couch nieder. »Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ist einfach wunderbar.«

      »Und doch traurig«, ergänzte sie leise.

      Hunter schaute ihr ins Gesicht und erkannte darin ihre Anspannung. »Was hast du?«

      Sie nahm eine seiner Hände und drückte sie.

      »Heiliger Strohsack, dieser Scotch ist mehr als neunzig Jahre alt«, freute Sebastian sich mit gepresster Stimme, wobei er eine Flasche Macallan 30 Years Old hochhielt, der 2014 abgefüllt worden war.

      Gordon kam lachend aus dem dunklen Flur. »Das ist die letzte Flasche meines alten Kameraden Jimmy. Er hat mir einst drei davon geschenkt. Eine habe ich Colonel Barone gegeben – ich habe sie an dem Tag geöffnet, als ich in mein Amt eingeführt wurde –, und diese hier, soll heute zur Feier des Tages aufgemacht werden, weil wir wieder als Familie zusammen sind.«

      Sebastian ging strahlend zu den anderen und stellte die Flasche und vier Gläser auf den Tisch.

      Gordon schlurfte hinüber und setzte sich. Als er in die Polster sackte, seufzte er.

      »Alles in Ordnung?«, fragte Haley.

      »Könnte nicht besser sein, ich wünschte mir bloß, dass deine Mutter jetzt auch hier wäre, das ist alles«, meinte Gordon stöhnend.

      »Ich auch«, entgegnete Haley.

      »Bitte sehr«, sagte Sebastian, während er jedem einen Scotch reichte.

      »Worauf sollen wir denn anstoßen?«, fragte Hunter.

      »Auf die Familie?«, schlug Gordon vor und hob sein Glas hoch.

      Dann sprachen alle gleichzeitig: »Auf die Familie.«

      Sie stießen an und tranken genüsslich einen Schluck.

      »Wann gibt's denn jetzt ein Steak?«, drängte Sebastian, dessen Magen sich bereits vor Hunger verkrampfte.

      »Bald«, antwortete Gordon, während er sein Glas schwenkte und den satten dunkelbraunen Farbton des Scotchs bewunderte.

      »Tut mir leid, aber ich würde gerne hören, wie es weiterging. Wie bist du schließlich Präsident geworden?« Hunter war auf die Kante der Couch gerutscht, wohingegen sich die anderen zwanglos zurückgelehnt hatten, und es sich auf den weichen Polstern bequem machten.

      Gordon schaute auf seine Uhr. »Wir haben noch ein bisschen Zeit. Äh, wo waren wir noch gleich stehen geblieben?«

      »Bei dem Gefecht um die Rainbow Bridge«, kam es wie aus der Pistole geschossen von Hunter.

      »Ach ja, richtig. Wir hatten gerade Major Schmidt geschlagen«, entsann sich Gordon und schaute nach unten auf sein Getränk. Seine Hand zitterte wieder, während er das Glas an den Mund führte und noch einen Schluck nahm. »Ich brachte Sebastians Leichnam zum Haus zurück, wo wir ihn noch am selben Tag im Garten begruben. Er war der erste Van Zandt,

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