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weinen und lachen durcheinander. Er soll fluchen und zürnen, wenn sie geht, sie aber soll tanzen, wenn er sich ärgerlich fortschleicht, lachen, wenn er weint, innerlich aber ersticken wollen an zurückgehaltenen Tränen, und all der neckende Unmut, das weinende Entzücken der Liebe soll bei ihnen wohnen und Hütten bauen in ihren Herzen. – Sie sprach es, und die ersten Menschenherzen fingen ihr unruhiges Geklopfe an. Ein schöner Garten war erbaut, mit düstern heimlichen Gängen, wie der quälende Dämon der Liebe es verlangt, und die Gottgeliebte freute sich der Genüsse und Qualen ihrer lieben Puppen. Aber ach, sie selbst mußte untergehen, ihre Natur war zu schön, um ewig zu sein, sie starb am Geruch einer Blume. Als sie nicht mehr war, fand der höchste Gott kein Gefallen mehr an der Erde, er mochte den Schauplatz, der ihn an sein verlorenes Glück mahnte, nicht mehr schauen, einsam ließ er die arme Erde in die Nacht hinrollen und sie kam unter den Pöbel der übrigen Gestirne. Alljährig aber, o Himmel, welch Entzücken! wirft er einen Blick auf sie, und ein seliges Liebeserinnern gießt sich dann über sie aus. Dann sagen wir Menschen, der Frühling ist da und freuen uns innig; der hohe Gottestraum der Liebe geht in den Blicken unserer Knaben und Mädchen, in unsern Blumen und klaren Brunnen auf.« –

      Er schwieg und Massiello hob den schönen Pagen mit einem Kuß aus dem Blumenbecken, und trocknete ihm die Tränen von den vollen roten Wangen und sprach: »Tröste Dich, mein Enzio, wenn jene Frühlinge und Götterträume immer kürzer werden, so haben wir jetzt so viel Erziehung und Bildung, daß wir das gar nicht bemerken, ja man kann bei einem wärmenden Schlückchen Magentee, bei einem Stümpfchen Licht und bei der Abendzeitung auf die alleranständigste Weise aller Frühlinge entbehren! Ist man nun auch so glücklich, daß man von einem soliden Frauenzimmer ein Paar grauer wollener Strümpfe zum Winter erhält, dazu sich die Füße und den Kopf warm hält, so kann ein Billigdenkender die übertriebenen Anstrengungen der Sonne und all das farbige Gras ganz entbehren.« Er sprach die letzten Worte mit fast kreischender Stimme, indem er den weinenden Knaben an sich drückte, und wenig fehlte, daß er nicht selbst in Tränen ausbrach. Jokonde lachte, weil sie glaubte, der Herzog wünsche das, als dieser aber ihr sehr ernst in die Augen sah, wußte sie nicht, was sie denken und tun sollte.

      Der Vorhang rauschte jetzt von neuem auf. Die Bühne hatte sich gänzlich verändert, sie stellte eine dunkle Höhle vor in tiefer Nacht. Eine düstre niedergebrannte Ampel erhellte phantastisch die dicken Steinwände, dunkles Gebüsch, dessen Enden vom Lichte smaragdgrün anliefen, wehte im Nachtwinde. Zwei rohe, aber schöne Buben saßen an einem Steintisch und würfelten, ein schlankes volles Mädchen lehnte zwischen beiden, und ihr Antlitz, besonders zwei große schwarze Augen, sogen das Licht ein und starrten in glänzender Pracht. Es gab einen warmen Streit, jeder der Buben wollte die volle Schöne für sich, sie redeten heftig und das Mädchen trat mit einem lustigen Vorschlag hervor. »Nun, Ihr Gesellen, so will ich mich teilen, wenn Ihr anders Frieden halten wollt; bis hierher, – sie zeigte auf den goldenen Gürtel, – gehöre ich mit dem obern Teil, mit Mund, Kuß und Rede dem Einen, mit dem übrigen muß der Andere zufrieden sein! Nun würfelt!« »Guten Dank,« rief der Schwarze, »ich soll also die Füße erhalten, die zu nichts weiter dienen, als zum Davonlaufen?« Sie würfelten, und der Blonde erhielt den Oberleib, der Schwarze lachte, daß der volle Lockenkopf schüttelte und die dunkeln sinnlichen Augen blitzten im höchsten Feuer, das sonderbare Mädchen aber lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, und sah gedankenvoll vor sich hin. »Nun gut,« rief der Blonde, und strich sich die goldenen Locken aus der hellen Stirne, »ich bin zufrieden, ich will von Küssen, Seufzern, holden Blicken und süßen Träumen leben, meine Seele soll im Gesang aufblühen und diese Blüte soll Liebe heißen, von der heißen, reifen Frucht der Sinnlichkeit will ich nichts wissen.« Der Schwarze lachte aber noch wilder und leerte einen hohen Becher mit Wein, indem er die Schöne zu sich auf den Schoß zog, – sie aber blickte mit sehnsüchtigen Augen hinüber zum Blonden, und der hatte eine Zither hervor geholt, auf der er weiche, rührende Lieder sang, die sich draußen mit dem stillen Lispeln der Gebüsche, mit dem ruhigen Walten der Mitternacht mischten.

      »Das ist die Liebe im Mittelalter,« erklärte der Herzog, zu seiner Nachbarin gewendet, »so teilen sich in dieser wunderbaren Zeit Sinnlichkeit und Andacht in ihre Flammen, und die Feuerrosen der Poesie blühen mit den reinen Lilien edler Sitte gepaart.« Als sich die Szene von neuem gestaltete, saß Massiello im Schlafpelz, mit dem Almanach der Liebe und Freundschaft, vor dem Ofen. An den Wänden hingen in saubern Stahlstichen zwölf politische Küpferchen, den übel abgelaufenen Freiheitskampf der Griechen, Polen und noch etlicher unterdrückter Völker und Völkchen darstellend, mit unterschriebenen liberalen Phrasen, um Feuer zu wecken, verziert. Die Büsten des Themistokles und Brutus lagen zertrümmert auf dem Boden. Ein altes Ritterschwert diente zur Kamingabel, und auf einem Schilde wurden Kastanien mit etwas Butter gebraten. In einer kleinen Bibliothek sah man die Memoiren des Casanova und ein paar frivole Kupferwerke hervorleuchten. Es wurde nichts gesprochen, sondern leise, aber immerwährend gegähnt, zwischendurch hörte man den Mops schnarchen. Der Vorhang fiel schnell, und verbreitete durch sein Niederschießen einen kalten Luftzug über das Parterre. Der Fürst erhob sich, und die alberne Musik ging wieder an. Eduard und der Abt schlichen verstimmt herum, der Graf ließ sich nicht blicken, der Herzog lag mit Jokonden in den Polstern einer Fensternische. Mit Unmut sprang er auf, als ein Kammerjunker vom Hof sich melden ließ; er wechselte mit diesem einige Worte und kehrte dann höchst verdrüßlich zu seinem Platz zurück. Es verbreitete sich augenblicklich das Gerücht, die Prinzessin Braut sei nur wenige Stunden von der Residenz entfernt, und wünsche und erwarte ihren hohen Geliebten zu sehen. Über Jokondens Antlitz zuckte es wie ein Schmerz, sie hing in einem langen Kusse an der Lippe ihres Freundes, dann sank sie in die Polster zurück, und die Wellen ihrer Atlasrobe rauschten über sie zusammen. –

      Der Herzog ging, die Gäste zerstreuten sich und Eduard stand unschlüssig in seinen Mantel gehüllt vor der Türe der Hütte. Der Sturm wehte, die Wolken flogen auf der Himmelsbühne wie wimmernde Schatten durcheinander, ziemlich hoher Schnee lag auf den niedern Dächern wie auf der Gasse, hier und da leuchtete ein dünnes Lichtlein, an dem ein altes Fischerweib die schadhaft gewordenen Netze besserte. Jetzt näherten sich zwei Männergestalten dem Hause, ohne Eduard zu bemerken. »Er ist fort,« rief eine Stimme, die Roberten angehörte, »kommen Sie, er darf, er wird heute nicht wiederkehren.« Eduard trat hervor und Robert eilte auf ihn zu. »Bist Du es? Schön, komme mit uns, Du Jugendlicher, ich will Dich mit einem hübschen Menschen bekannt machen; komm, das Wetter ist kalt, wir trinken ein Glas Punsch.« Eduard folgte und bemerkte jetzt, daß ein bildschöner, erhitzter Jüngling, in einen engen Überrock geknüpft, mit ihm zur Türe sich eindrängte. Ein heißer Atem berührte seine Wange, und ein offener Mund mit zwei vollen Lippen kam ihm so nahe, daß eine elektrische Bewegung ihn durchzuckte. Es ist ein Mädchen, rief es in ihm, das mystische Geheimnis der Form, die im Gedränge und in der Hitze seine Hüften berührte, jagte sein Blut in Bewegung. Als der Fremde eingetreten war, nahm er den Hut von einem schwarzen Lockenkopf, und blieb verlegen und befangen an der Türe stehen. Jokonde begrüßte Robert mit einem Freudenruf, und im Entzücken duldete sie seinen Kuß auf ihren weichen Oberarm. Der Abt und Massiello betrachteten den vollen Jüngling an der Türe durch ihre Gläser und winkten sich einander zu; der schöne Page Enzio ordnete mit Jokondens, Mädchen den Tisch, und beide schütteten wie übermütige Frühlingsgötter den ganzen Raum voll Früchte, Blumen und Zuckerwerk, zwischendurch schwankte das schwere goldne und purpurne Naß der köstlichsten Weine in Kristallvasen. Jetzt riß Robert den Fremden rasch zu sich nieder auf den Teppich, und beide knieten vor Jokonden, die erstaunt und fast kindisch verlegen aufsah. »Glänzende Leere, liebenswürdige Unbedeutenheit,« rief Robert zu ihr hinauf, »erlaube, daß ich Dir hier meinen Freund vorstelle, oder wie Du willst, eine Freundin, oder noch besser, einen geschlechtslosen Engel, der nicht freit und sich nicht freien läßt, mit Einem Worte, die Gräfin Eva. Sie hat in Göttingen studiert, in Bonn sich geschlagen, in London wettgerannt, in Spanien gebetet, für die Polen Charpie gezupft und in Rom einen dicken Abbate in die Tiber gestürzt; sie ist eine Katholikin und man sagt, sie werde den Papst heiraten und im zweispännigen Wienerwagen gen Himmel fahren.«

      Jokonde empfing das wunderliche Mädchen in ihren Armen, und Massiello machte seitwärts die Bemerkung, daß wenn ein Weib das andere umarme, eine gewisse diplomatische Feinheit und Kälte herrsche, die auch die täuschendste Maske der Leidenschaft durchbreche, indes wenn Mann dem Manne an die Brust falle, eine trockene, unendlich biedere, langweilige

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