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wo er aber bald, einer Schlägerei wegen, hat das Feld räumen müssen. Sie werden den Vater kennenlernen, werter Herr Graf; erlauben Sie, daß ich Sie ihm vorstelle.«

      »Das ist mein Wunsch!« rief Georg. »Lassen Sie uns unsere freie Zeit benutzen und gleich zu ihm gehen.«

      »So sei es!« rief der junge Lafiat.

      Sie gingen noch ein paar Straßen, dann kamen sie an ein großes ärztliches Institut für Kranke; dort erkundigte sich der Sohn, und man wies ihn in ein Zimmer. Von dort zurückgekommen, rief er seinem Gefährten zu: »Wir wollen ihn im Hause aufsuchen, wo er jetzt ist.« Eine Wohnung im Nachbarhause war die des Arztes. Herr Lafiat Gervais befand sich gerade in seinem Studierzimmer, als ihm sein Sohn mit einem fremden Herrn vom Hofe gemeldet wurde. Der Arzt trat aus seinem Zimmer, und nachdem er seinem Sohne freundlich die Hand gereicht, sah er sich mit einer Miene von Mißtrauen den fremden Jüngling an, ehe er dessen Gruß erwiderte. »Mein Vater,« begann der junge Lafiat, »hier ist der Herr Graf von der Pfalz, der mit unserer neuen Herzogin aus Deutschland gekommen ist und dich kennenlernen möchte, aus keinem anderen Grunde, als weil er von mir gehört, daß du in Heidelberg und Wittenberg studiert hast.«

      »Wie?« sagte der Vater, »hast du dem Herrn Grafen gesagt, daß ich in jenen beiden Städten studiert habe? Ich habe daselbst nichts weiter getan, als in dem ersten einem jungen Manne meiner Bekanntschaft eine Wunde verbunden, und in dem zweiten habe ich mir selbst eine Wunde schlagen lassen. Nennt man das studieren?« –

      Die Weise, in der Herr Lafiat Gervais dies sagte, war so komisch, daß Georg laut auflachen mußte und freimütig entgegnete, daß man das allerdings nicht studieren nennen könnte.

      »Aber ich achte die deutsche Kunst, und ihre Jünger haben mir Respekt eingeflößt! Das ist wahr, und diese Wahrheit bin ich überall zu beteuern erbötig!« sagte der Arzt. »Wollte der Himmel, man könnte dasselbe von unseren Ärzten sagen. Doch dies unter uns, mein junger Herr und Freund. Man macht sich eben keine Freunde, wenn man seine Herren Mitbürger verlästert. Paris hat große Ärzte, wer wollte dies leugnen, und es hat in schwierigen Fällen noch immer seinen Mann gewiesen. Arthur, du wirst deine Schwester heute bedeutend besser finden; geh hin, mein Sohn, besuche sie und frage, ob wir auch kommen dürfen.«

      Der Jüngling entfernte sich, und die beiden Zurückbleibenden vertieften sich in eine Untersuchung über die Vorzüge und Mängel einer großen Stadt wie Paris. Georg gewann den Mann lieb, der einfach und natürlich, nicht ohne Beimischung einer unschuldigen Satire, sich aussprach, und er war eben daran, ihm das Wahre und die Eigentümlichkeit einer deutschen Stadt im Vergleich zu Paris zu schildern, als Artur zurückkam und versicherte, Madeleine würde sich sehr freuen, in ihrer Krankenstube den Vater mit seinem Gaste zu sehen.

      »So lassen Sie uns denn gehen!« sagte der Arzt, und schob Georg vor sich hin. Der Page folgte. Sie traten in ein helles, luftiges, reinliches Zimmer, wo zwei junge Mädchen in sittsam bürgerlicher Kleidung, mit Schürzen und Häubchen versehen, ihnen bewillkommnend entgegentraten. »Dies ist meine Tochter Madeleine,« rief der Arzt, ein blondes, blauäugiges, siebzehnjähriges Mädchen Georg vorstellend, »und diese da ist ein kleiner Unhold, ein böser Kobold mit Namen Susanne, und scheinbar eine Freundin Madeleines, eigentlich aber ihr und unser aller Ruhestörerin und Hausfreundin.«

      Das junge Mädchen, das so vorgestellt wurde, machte eine empfindliche Miene und drohte dem Arzte mit dem Finger, worüber die andern alle lachten. Sie war kleiner als die Tochter, schwarz von Haar und Augen, mit einem hübschen Mündchen und wundervollen Zähnen, die sie nicht verfehlte bei jedem Worte zu zeigen, bei dem sich ein Lachen als Begleiter anbringen ließ.

      »Wenn ich böse bin,« rief sie, »so habt Ihr mich dazu gemacht; denn keinem menschlichen Geschöpfe wird so übel mitgespielt wie mir. Schon öfters habe ich ernstlich daran gedacht, dieses Haus aus der Reihe meiner Bekanntschaften auszustreichen, immer aber fiel mir ein, daß es die Stätte sei, in welcher meine beste Freundin lebt, und da habe ich es stets wieder sein lassen.«

      »So ist's recht!« rief Herr Gervais mit Lachen. »Tat doch der liebe Gott nicht anders, als er damit umging, eine verhaßte Stadt samt ihren Einwohnern von der Erde zu vertilgen; er ließ sich zuvörderst die herausholen, die ihm gefielen. So hoffe ich, daß, wenn Fräulein Susanne Paris den Flammen übergibt, sie zuerst mich, meine Frau, meine Tochter und vielleicht auch meinen Sohn herausführen lassen wird, oder darf ich diesen freundlichen Wunsch auch auf unseren Freund hier« –er wies auf Georg – »ausdehnen?«

      Susanne stand mit Erröten dem Genannten gegenüber. »Es ist möglich,« sagte sie, »daß Monsieur sich so artig beträgt, daß er den Beweis führt von seinem Rechte zur Ausnahme. Fürs erste weiß ich's noch nicht.«

      »Da haben wir's!« rief der Arzt. »Sie gibt nichts zu. O, Susanne, Susanne, wo ist ein Kraut gewachsen für deinen Starrsinn und Eigensinn?« –

      So war gleich beim Beginn der neuen Bekanntschaft durch Herrn Gervais' munteres Wesen eine gewisse Zutraulichkeit eingeleitet, die sich durch Erzählungen und Gespräche anmutig fortsetzte. Madeleine war, gegen ihre Freundin gehalten, still, aber man sah ihr an, daß sie dem Geplauder mit Aufmerksamkeit folgte und kein Wort von dem, was die anderen sprachen, verlor. Als eine Pause entstand, wandte sie sich zu ihrem Bruder und fragte nach Babet, der älteren Schwester, die bei Fräulein von Lenclos sich befand. »Ich habe sie seit einer Woche nicht gesehen, und alles, was sie mir Freundliches erwiesen und geschickt, erhielt ich durch eine ihrer Freundinnen, die hier in der Nähe in einem Putzladen beschäftigt ist.«

      »Du mußt sie entschuldigen,« antwortete der Bruder. »Fräulein Lenclos ändert ihr Quartier, sie zieht in das Faubourg St. Germain, und da hat Babet alle Hände voll zu tun, ihr behilflich zu sein. Sie hat uns in diesen Tagen, im Namen ihrer Dame einladen lassen, die neue Wohnung zu besehen. Was mich betrifft, ich werde nicht verfehlen hinzugehen! Schon um alle die Bewohnerinnen des Schlosses Rambouillet beisammen zu sehen und ihren glänzenden Unsinn anzuhören, ist es nötig, sich hinzubegeben.«

      »Lieber Freund,« sagte Madeleine, »du spottest nach der Weise der jungen Herren über Dinge, die du nicht verstehst. Die jungen Damen sind voll Kenntnis und haben den feinsten Geschmack, wie man ihn bei Hofe nicht einmal kennt.«

      »Oho, bei Hofe!« rief der Bruder. »Ich möchte wissen, wo die Prüden und Preziösen das herhaben, wenn nicht vom Hofe? Nur was bei uns sich im Sinne einer edlen Einfachheit und wahrer Würde entwickelt hat, haben sie übertrieben und daraus ein Zerrbild gemacht.«

      »Gleichviel,« rief die Schwester empfindlich, »Fräulein Lenclos ist keine Prüde.«

      »Ja, weiß Gott,« riefen Vater und Sohn, »das ist sie nicht.«

      »Und auch keine Preziöse!« setzte Susanne hinzu. »Sie ist eine artige, schöne, reiche Weltdame, die alle Welt bei sich sieht, folglich auch die Bewohnerinnen des Schlosses Rambouillet.«

      »Wir wollen alle hingehen, da uns Babet einladet!« rief der Vater Gervais. »Man muß jedes Ding in der Welt selbst betrachten und seine Vorzüge und Mängel kennenlernen, und sollte dieses Wesen auch so widerhaariger Natur sein, als es Mademoiselle Susanne ist.«

      »Ei, seht doch, mein Herr! Ich will mich aber nicht betrachten und untersuchen lassen!« rief die Aufgezogene munter. »Ich habe allen Respekt vor Ihren Salbentöpfen und getrockneten Eidechsen. Hu, man sehe nur in das Laboratorium eines Chemisten! Was brodelt, kocht und vermischt sich nicht alles daselbst. Eine ganze Küche des Teufels. Nein, nur keinen Arzt, habe ich immer meiner Mutter geantwortet, wenn sie das endlose Thema vom Heiraten begann.«

      »Und Sie werden doch einen Arzt heiraten, Susanne!« rief Artur, sie vom Rücken aus plötzlich umarmend und ihr einen Kuß raubend. »Die Ärzte wissen recht gut, was jung und hübsch ist, gerade weil sie immer mit etwas Trockenem und Veraltetem zu tun haben.«

      So spielte sich der lustige Auftritt noch eine Weile weiter. Georg war nach Verlauf der ersten Stunde in diesem Familienkreise so bekannt, als wäre er darin aufgewachsen. Er entfernte sich mit dem Versprechen, bald wiederzukommen. Im Nachhausegehen dankte er Lafiat für das Vergnügen, das er ihm verschafft. Noch hatte er Herrn Lafiat Gervais nichts von dem Wunsche der Prinzessin gesagt; er nahm sich vor, dies beim

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