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aber auch sie waren verhüllt.

      »Du hast jetzt erschaut, was du erschauen darfst,« sagte Olivier, »laß uns jetzt den Rückweg antreten. Vielleicht kehrst du bald wieder hierher zurück, aber dann in anderer Gesellschaft als der meinigen.«

      »Den Rückweg, Olivier?« fragte Georg. »Wie willst du den finden?«

      »Folge mir getrost. Wie gerne hätte ich dir noch mehr gezeigt, aber ich darf nicht. Hast du nicht bemerkt, wie er das Haupt verneinend schüttelte, als ich ihn im geheimen fragte?«

      »Du hast mir schon genug des Wunderbaren gezeigt!« rief Georg. »Mein Himmel, nie hätte ich mir früher träumen lassen, daß es dergleichen gebe! Welch eine Welt ist das! Wieviel Erhabenes, Großes und zugleich wieviel Schrecken! Es war doch eine große Zeit, die der unseren vorherging!«

      »Wir sind geschaffen, sie wieder herbeizuführen!« rief der Jüngling begeistert. »Gib mir die Hand drauf, daß du mit mir arbeiten willst, die Zeit der edlen Helden, der starken Märtyrer neu hervorzurufen! Schwöre mir das, hier beim Grabe Hugo von Payens!«

      »Ich schwöre es dir,« rief Georg. »Wir wollen unserer Väter würdig sein.«

      »Es ist genug!« sagte Olivier. »Wir sind jetzt verbunden in Leben und Tod. Wie sich auch unsere Lebenspfade wenden, wir bleiben einig. Am Grabe der Bekenner haben wir es beschworen.«

      Mit diesen Worten wendete er sich rasch zur Seite, öffnete eine niedrige Pforte, und hier zeigte sich eine enge Wendelstiege, die aufwärts führte, doch gelangte sie nicht im Walde zur Oberwelt, sondern durch eine enge Felsenschlucht, in der Nähe des Weges, der zum Schlosse führte.

      Beide Jünglinge trennten sich mit dem gegenseitig abgelegten Gelöbnis, niemand etwas von dem zu vertrauen, was sie an diesem Tage erlebt hatten. Ein baldiger Besuch bei dem Köhler wurde verabredet.

      14.

       Hinaus in die Welt!

       Inhaltsverzeichnis

      Fast zwei Jahre hatte Georg in diesen einsamen Bergschluchten und an diesem versteckten Orte der Welt zugebracht, er hatte vierzehn Jahre gezählt, als er gekommen, er war ein sechzehnjähriger Jüngling, als er diese seine zweite Heimat wieder verließ. Der kurze Aufenthalt hatte eine bleibende und tiefgehende Spur in seinem Charakter hinterlassen. Es war, als hätte auf dem wilden Knaben eine segnende Hand geruht; zur rechten Zeit war die böse Wirkung der Welt vernichtet worden, und ohne die Blüte der Jugend und des Frohsinns in ihm zu brechen, war doch das Unstäte und Verderbliche des jugendlichen Leichtsinns wirksam bekämpft worden.

      Es war im Beginn des Hochsommers, als auf Schloß Udallan geheimnisvolle Anstalten zum Empfang von Gästen getroffen wurden. Man sah fremde Männer anlangen, die ihre Diener mit sich brachten und in den weitläufigen Baulichkeiten des Schlosses untergebracht wurden. Die Jünglinge wurden durch Meister Ulrich von dem Herannahen gewisser Feierlichkeiten unterrichtet, die zunächst auf sie Bezug hätten. Olivier war seit einigen Wochen in einer Art schwärmerischer Aufregung; er kam mehrere Nächte hintereinander nicht nach Hause, und Toni behauptete, er nächtige in der Köhlerhütte im Walde.

      Um die Mitternachtsstunde der Zeit des ersten wachsenden Mondes im Junius, geschahen drei Schläge an die Türe des Schlafgemaches Georgs. Als er öffnete, standen zwei vermummte Gestalten davor, die ihn in ihre Mitte nahmen und aus dem Schlosse führten. Der Weg ging zu der Kapelle des heiligen Dunstan, und von dort seitwärts ins Gebirge. Georg erkannte alsbald den Felsenspalt wieder, aus dem er damals mit Olivier auf die Oberwelt hinausgetreten. Er fragte nicht, denn er wußte so ziemlich, was ihm bevorstand. Wie er in der Halle unten angelangt war, verließen ihn seine Führer, und auf den Schall einer Glocke öffnete sich eine verborgene Tür in der gegenüberstehenden Wand, und das Innere einer erhellten Halle ward sichtbar, die mit mehreren Männern in der Ordenskleidung der Jesuiten gefüllt war. Ein schwarz verhangener Tisch stand in der Mitte, an dem Tische saß der Graf Udallan als Priester gekleidet. Er winkte den Jünglingen näherzutreten und richtete folgende Worte an sie:

      »Junge Männer! Die Zeit, von der ich gesprochen habe, ist um. Ihr seid beide ein Jahr, unter unmittelbarer Aufsicht des heiligen Ordens von Loyola, in dieser menschenleeren Wüste gewesen; eure Herzen sind geprüft, eure Geister gereinigt worden; jetzt beginnt eure Laufbahn. Du, Georg, Graf von der Pfalz, kehrst in die Welt zurück unter vorläufiger Aufsicht des Vaters Antonius, der dich dahin führen wird, wo dein Wirken beginnen soll; du, Olivier, Graf von Otronte, begibst dich, zu deiner weiteren Ausbildung in den Pflichten des Ordens, in das Profeß-Haus nach Paris, unter Leitung des Bruders William, der dir beigegeben ist. Lebt wohl, junge Freunde! Möge euch im Strudel der Welt oft im ernsten Augenblicke das Schloß am See Canongate einfallen und sein greiser Besitzer, der euch wohl will. Die Gesellschaft wird mit euch korrespondieren und jährlich werden wir Berichte von Euch empfangen. Lebt wohl!«

      Mit diesen Worten neigte sich der würdige Greis und entließ die Jünglinge, die kniend ihm die Hände küßten. Meister Antonius und der Köhler William, beide in Ordenstracht, standen jeder zur Seite des ihm zugewiesenen Jünglings. Vater Toni schloß Georg mit einem Segensspruche in die Arme, der geheimnisvolle Köhler tat desgleichen mit dem jungen Grafen, der sich ihm an den Hals warf und an seinem Busen heiße Tränen vergoß.

      Bis zum Feste auf dem Schloß blieben beide noch im Lande. Alsdann nahm Graf Udallan Abschied von seinem lieben Sohne Georg. Der sechzehnjährige Jüngling hing mit Tränen der innigsten Rührung an dem Greise. »Wo wäre ich, wenn ich nicht in Eure Hände gefallen wäre, edler Herr. Wie würdig fange ich jetzt mein Leben an, und wie danke ich Euch das schöne Andenken, das Ihr meinem unglücklichen Großvater zollt.«

      15.

       Ankunft in Heidelberg

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ein schöner, sonniger Morgen, als die Schloßtürme des alten Otto-Heinrich-Baues zu Heidelberg, den beiden Reisenden die Nähe des Ziels ihrer Wanderschaft ankündigten. Sie waren beide in ritterlicher Kleidung und zu Pferde.

      »Ich muß dich auf jemand aufmerksam machen, den wir dort finden werden!« hub Meister Toni mit seiner fröhlichen, vertrauten Stimme an, und sehr seltsam aussehend in seiner ehrwürdigen Ordenstracht. »Du wirst gut tun, ihn nicht als einen alten Bekannten zu begrüßen, da er sich dies wahrscheinlich verbitten würde. Ich meine den edlen Doktor Onofrius.«

      »Ich werde ihn mit Ehrfurcht begrüßen.«

      »Mit Ehrfurcht?« erwiderte der Begleiter; »das wäre zuviel. Du bist der Graf von der Pfalz, der Sohn des jüngsten Bruders des Kurfürsten. Er ist nichts als ein einfacher Doktor.«

      »Ich kann mich in meine neue Würde noch nicht finden,« bemerkte der Jüngling errötend. »Die Jahre der Freiheit und der Unbefangenheit –«

      »Die weiß niemand als du allein!« erwiderte Antonius. »Sorge, daß sie nicht bekannt werden. Du bist im Schutz des Ordens von deinem dritten Jahre aufgewachsen. Ein Vermächtnis deiner Mutter hat dich uns anvertraut. Im Jahre deiner Mündigkeit hatten wir den Auftrag, dich der Welt und deinen Verwandten zu übergeben. So lautet die Erzählung deiner Jugend! Vergiß das nicht.«

      »Ich werde also einen neuen Onkel finden? Wird er mich für seinen Neffen erkennen?«

      »Sorge nicht. Der Graf Udallan hat alles geordnet. Deine Papiere sind in den Händen des Kurfürsten. Er erwartet dich!« –

      Hier hielten die beiden Reiter unter dem Burgtore, an derselben Stelle, wo wir vor fünfzehn Jahren die kleine Elisabeth Charlotte mit ihrer Bonne begrüßt haben. Auch jetzt stand die Prinzessin hier, aber auf dem Söller des Schlosses, und betrachtete die Ankömmlinge. Neben ihr stand Luise von Degenfeld mit dem ältesten Raugrafen Karl Ludwig, ihrem Sohne.

      »Das ist der neue Vetter!« rief Elisabeth Charlotte und klopfte in die Hände.

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