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Aber bei solchen Dingen kam es aufs Timing an, weswegen Sarah es langsam angehen wollte. Zumindest hatte sie geglaubt, es zu tun.

      Sie ging das Gespräch in Gedanken durch und versuchte festzustellen, ab wann es schiefgelaufen war.

      Sarah hatte neben Phoebe beim Feuer gesessen.

      »Ist alles okay?« Sie bemühte sich, heiter zu klingen, oder doch wenigstens harmlos. »Ich hab mir vorhin Sorgen um dich gemacht.«

      Phoebe stocherte mit einem langen Stock im Feuer. »Alles gut. Schätze ich.«

      »Willst du über das reden, was passiert ist?«

      »Ich hab nichts falsch gemacht. Vielleicht solltest du das Pferd fragen.«

      Es war die zweite spitze Bemerkung innerhalb von wenigen Stunden. Sarah hielt es nicht für klug, ihr das durchgehen zu lassen. »Ich gebe dir keine Schuld, Phoebe. Ich will nur helfen. Es gibt keinen Grund für so ein Verhalten.«

      Phoebe schürte die Glut. Funken flogen in die Luft wie Glühwürmchen. »Ich will einfach nicht darüber reden.«

      »Schau mal, wir sind ein Team, das auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet. Wir müssen ehrlich zueinander sein, selbst wenn wir Zweifel oder Ängste haben.« Sie legte eine Hand auf den Rücken des Mädchens. »Solange du hier bist, ist es meine Verantwortung, mich um dich zu kümmern. Ich möchte, dass du mir vertraust.«

      Phoebe sagte nichts und Sarah fuhr fort – obwohl sie sich jetzt wünschte, es nicht getan zu haben. »Ich habe in letzter Zeit eine gewisse Gereiztheit an dir beobachtet. Dein Ton … deine Körpersprache … du warst anders. Bitte sag mir, was los ist.«

      Das Mädchen warf den Stock zu Boden. »Ich hab gesagt, dass ich nicht darüber reden will.«

      »Das ist unakzeptabel, Phoebe. Ich will, dass du auf dein Zimmer gehst und über dein Verhalten nachdenkst.«

      »Du bist nicht meine Mutter«, fauchte sie und schreckte dann zurück.

      Sarah blieb ruhig, auch wenn die Bemerkung sie aufwühlte. »Ich denke, du solltest dich entschuldigen.«

      Phoebe sprang auf. »Entschuldigung«, sagte sie spöttisch, bevor sie sich umdrehte und zu ihrem Hogan ging.

      Während sie ihr eigenes Verhalten durchleuchtete, erkannte Sarah den Fehler in ihrer Herangehensweise. Sie hätte mitfühlender sein sollen, geduldiger, doch sie hatte automatisch auf die abscheulichen Methoden ihres Vaters zurückgegriffen, ohne es zu merken. Selbst die Anweisung: »Denk über dein Verhalten nach«, kam direkt aus Sir Richard Westons antiquiertem Erziehungshandbuch. Der große Parlamentsabgeordnete, der nie Zeit gefunden hatte, mit seiner einzigen Tochter zu sprechen, geschweige denn sie zu verstehen, fuhr eine harte Linie, die an Schikane grenzte, gerade so wie er mit Politikern umging, die seinen Standpunkt nicht teilten. Kommunikation? Nicht vorhanden. In der Folge war ihr Verhältnis während ihrer Jugend angespannt gewesen und hatte sich bis zu dem Punkt verschlechtert, an dem sie nicht mehr miteinander sprachen. Sie wollte nicht, dass dasselbe mit Phoebe geschah, selbst wenn das Mädchen nur vorübergehend in ihrer Obhut war.

      Ein Klopfen erschreckte Sarah. »Ich bin’s.«

      Sie schwang die Füße auf die Navajo-Teppiche, die auf dem gehärteten Lehmboden ausgebreitet lagen, und rief der vertrauten Stimme zu: »Komm rein.«

      Daniel schloss die Tür und setzte sich neben sie aufs Bett. Er war gerade aus einem Labor in Phoenix zurückgekehrt, wohin er einige Artefakte zur Radiokarbondatierung gebracht hatte. Es war ungewöhnlich, ihn in sauberen Kleidern zu sehen, die schulterlangen mahagonibraunen Haare zu einem ordentlichen Zopf gebunden. Während der Ausgrabungen kannten sie keinen solchen Luxus.

      »Ich war auf der Suche nach dir, und die Männer meinten, du warst schon vor neun verschwunden«, sagte er. »Ist alles okay?«

      »Der Tag war nicht der beste.«

      »Kann ich helfen?«

      »Nur ein weiterer komischer Moment mit Phoebe.« Sarah hatte Daniel von den Spannungen zwischen ihr und Phoebe in jüngster Zeit in Kenntnis gesetzt. Es hatte dezent genug begonnen: Mit einer Jugendlichen, die bei der Arbeit die Augen über die Anweisungen ihrer Leiterin verdreht hatte. Dann war Phoebe immer mehr für sich geblieben und hatte nur mit Nakai und gelegentlich Daniel gesprochen. Bis zu diesem Tag war sie Sarah gegenüber nicht aggressiv gewesen, aber rückblickend erkannte Sarah, dass das Mädchen sie die ganze Zeit ausgeschlossen hatte.

      »Wir haben einen kleinen Geländeritt im Blue Canyon unternommen – Phoebe, Nakai und ich. Etwas hat ihr Pferd erschreckt und es rannte durch den kompletten Canyon in ein Blockfeld hinein. Ohne unseren Hopi-Führer hätte es mit ihr aus sein können.«

      »Das ist nicht gerade ungewöhnlich. Manche der Pferde waren früher wild. Diese Typen schnappten sie aus den Canyons, warfen Sättel auf sie und gaben ihnen nicht die Spur eines Trainings.«

      »Das ist nicht der merkwürdige Teil.« Sie öffnete ihren Laptop und rief die Datei mit den Bildern der Hochhöhle in Canyon de Chelly auf. Sie stoppte beim Foto der Inschrift. »Eine exakte Kopie dieses Zeichens befand sich auf einem der Findlinge.«

      »Ach was. Ich hatte nicht gewusst, dass es Felsmalerei im Blue Canyon gibt.«

      »Es ist eine natürliche Petroglyphe. Mit schönen Grüßen der Elemente.« Sie zeigte auf das Foto auf dem Bildschirm. »Wer immer das eingeritzt hat, hat davon gewusst.«

      »Hast du versucht, die Geschichte der Findlinge herauszubekommen? Ist es eine heilige Stätte oder so?«

      »Wann hast du mal einen aufgeschlossenen Hopi getroffen?«

      »Gutes Argument. Wir müssen es auf einem anderen Weg herausfinden.«

      »Der Führer hat was Interessantes gesagt: Wenn Sie mehr über diesen Ort wissen wollen, warum fragen Sie nicht das Mädchen?« Sarahs Blick wanderte zur Wand aus nackten Holzbalken und Rinde, die als Isolierung dazwischen steckte. Ein Windhauch wehte durch die Öffnung in der Decke und ließ sie frösteln. »Tja, ich hab mit Fingerspitzengefühl versucht, dieses Gespräch anzufangen, und Phoebe hat mir fast den Kopf abgerissen. Sie hat sogar gesagt: Du bist nicht meine Mutter. Das hat wehgetan.«

      »Nimm es nicht persönlich, Süße.« Er zählte an den Finger auf, beim Daumen angefangen: »Sie hat ihre Mutter verloren, ihr Vater ist im Gefängnis, weil er sie eingesperrt hatte, ihr Bruder ist querschnittsgelähmt, und sie ist fast vierzehn. Ich würde sagen, das macht sie ziemlich empfindlich.«

      Sie stieß den Atem aus. »Es ist schwer, oder?«

      »Sich um ein Kind zu sorgen, meinst du?«

      »Dieses Kind insbesondere. Ich will ihr helfen, alles zu verarbeiten, aber ich bin nicht sicher, ob ich das Richtige tue. Wir scheinen auf Schritt und Tritt aneinanderzugeraten.«

      »Du bist ein guter Mensch, Sarah. Du bist klug, mutig, gerecht – das beste Vorbild, das ein Mädchen haben kann. Ich weiß, dass Phoebe das erkennt. Zweifle nicht an dir.«

      »Ich wünschte mir einfach, sie würde so mit mir reden wir mit dir und Nakai.«

      »Sechs Jahre lang hatte es nur Männer in ihrem Leben gegeben. So fühlt sie sich wohl. Und sie wurde einer Gehirnwäsche unterzogen, damit sie glaubte, ihre Mutter hätte sie im Stich gelassen. Wahrscheinlich hat sie gelernt, Beziehungen zu Frauen zu misstrauen. Es wird Zeit und Liebe kosten, aber sie wird einlenken.« Er strich ihr übers Haar. »Jetzt schlaf ein bisschen. Morgen geht es früh los.«

      »Danke, Danny.« Sie begleitete ihn zur Tür und küsste ihn auf die Wange, direkt über einen übergriffigen Bart. »Wir sehen uns morgen früh.«

      Sarah beobachtete, wie Daniel in das Leuchten eines silbernen Monds hinein schritt, bis seine schlanke, fast einen Meter neunzig große Figur mit den Schatten der Felsenlandschaft verschwamm. Sie gab es nicht oft zu, doch seine Stärke und sein gesunder Menschenverstand machten es wett, wenn es ihr daran mangelte. Sie ging davon aus, dass es umgekehrt genauso war. Allein waren sie schrecklich unvollkommene Wesen; gemeinsam

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