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Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler
Год выпуска 0
isbn 9788027209293
Автор произведения Артур Шницлер
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Hältst du mich für einen Schuft,« schrie Adalbert, »so bist du’s nicht wert, daß ich für dich –«
Ein Wagen stand vor dem Hause still. Adalbert blickte durchs Fenster hinaus, und das Herz ward ihm kalt in der Brust. »Fort, fort!« rief er mit erstickter Stimme, »duck’ dich, schleich’ hier durch die Tür und durchs Fenster dann, wie du gekommen.«
117 »Der Herzog?« flüsterte Tobias wie fragend und hatte ihn doch selbst gesehen und erkannt.
»Fort, fort, Unglückseliger«, rief Adalbert und drängte Tobias in den Nebenraum, wo das Fenster offen stand wie vorher, nur daß der Ausblick aufs freie Feld verstellt war durch zwei dunkle Gestalten, die vom dämmernden Himmel sich übergroß abzeichneten. Zugleich klopfte es an die Haustür. Adalbert stürzte hinaus, und seiner Sinne kaum mächtig öffnete er.
Der Herzog stand da, hinter ihm ein Lakai mit einer Fackel. Auf seines Herrn Wink zündete er mit der Fackel die Kerzen der zwei dreiarmigen Leuchter an, die auf der Anrichte standen. Dies geschah, ohne daß ein Wort gesprochen wurde. Auf einen neuerlichen Wink des Herzogs entfernte sich der Lakai mit der Fackel und schloß die Tür hinter sich.
»Schließt Ihr die andere Tür, Tobias Klenk, und tretet näher«, sagte der Herzog.
118 Tobias tat, wie ihm geheißen. Nun waren die drei Männer in dem abgeschlossenen Raum versammelt; – nur das Fenster gegen die Straße zu stand offen, – und die Kerzen flackerten im Frühlingsabendwind.
Der Herzog, als wäre er hier zu Hause, ließ sich nieder und sprach: »Es trifft sich gut, Tobias Klenk, daß ich Euch hier bei Eurem Freunde finde. Er hat es Euch wohl schon zur Kenntnis gebracht, was ich mit Euch für Pläne habe?«
Dem Adalbert schnürte es die Kehle zu, denn nichts anderes konnte die Frage des Herzogs bedeuten als dies, ob Adalbert dem Tobias des Herzogs Absicht kundgegeben, ihn als Jäger in seine Dienste zu nehmen. Tobias hinwieder mußte glauben, die Frage des Herzogs spiele auf die Todesstrafe an, die nach Adalberts Bericht ihm zugedacht gewesen. Was immer Adalbert nun erwidern konnte, aufs neue und immer furchtbarer hätte er sich verstrickt; nichts anderes blieb ihm übrig, als unverzüglich alles zu 119 bekennen, was ja doch binnen kurzem in Rede und Gegenrede notwendig zu Tage kommen mußte.
Da hörte er schon, wie Tobias an seiner Statt erwiderte: »Was hilft nun alles, Durchlauchtigste Gnaden, da bin ich nun einmal und weiß mich völlig in Euerer Gewalt. Draußen stehen auch zwei, ich hab’ sie gesehen, und wenn ich auch keineswegs sagen will, daß ich mich reumütig in mein Schicksal ergebe, es wird nun wohl dafür gesorgt sein, daß ich nicht dawider an kann, was immer über mich beschlossen sei. So wage ich nur die Bitte, Herr Herzog, daß Ihr es meinem kläglichen Freund nicht entgelten lasset, wenn er mir vor der Zeit die Tür des Kerkers wieder aufgetan. Er hatte schlimmere Angst vor mir als vor Eurer herzoglichen Gnaden. Und dies mit allem Anlaß. Denn die ungerechte Strafe, die er über mich verhängte, wäre ihm übel geraten. Und die Rache wäre schlimmer gewesen als jede Strafe, die Euere herzogliche Gnaden über ihn hätte verhängen können.«
120 Adalbert ließ das Haupt sinken wie ein Verurteilter. Er wagte es nicht, dem Herzog ins Antlitz zu sehen, und hielt den Atem an, als jener, wieder an ihn sich wendend, zu reden anfing. »Ehe wir den Fall des Tobias Klenk mit aller nötigen Umsicht behandeln, werdet Ihr wohl über das Schicksal Eurer Gattin Gewißheit haben wollen. Herr Richter Adalbert Wogelein, sorgt Euch nicht um sie. Da sie vorläufig in keiner Weise zu bewegen war, zu Euch zurückzukehren, hab’ ich sie bei der Frau Oberjägermeisterin einquartiert. Nach einem Monat, so hab’ ich von ihr gefordert, wird sie bereit sein, Euch zu empfangen zu gründlicher Aussprache; und es wird sich erweisen, ob Ihr Euch miteinander verständigen und wieder vereinigen könnt oder nicht. Da ich Euch in Euerm Amt als einen klügeren und gewitzteren Mann erfunden als in Eurer Ehe, mir aber scheint, daß Ihr Eure Rechtskenntnisse besser an Dingen werdet erweisen können, wo mehr Schlauheit als Mut vonnöten, will ich dafür sorgen, daß Euch eine 121 Stelle am Reichsgericht zu Wetzlar zugewiesen werde. Was nun Euer Vergehen anbelangt, das Ihr Euch durch die eigenmächtige Freilassung des Tobias Klenk habt zuschulden kommen lassen, so wollen wir es durch die Angst, die Ihr ausgestanden, als gesühnt erachten. Ihr aber, Tobias Klenk, mögt vor allem dahin aufgeklärt sein, daß die zwei Menschen draußen keineswegs beauftragt waren, Euch wieder gefangen zu setzen, sondern vielmehr: Euch aus dem Gefängnis abzuholen und vor mich nach Karolslust zu bringen. Ich will nicht eben sagen, daß Ihr mir wohlgefallt; doch da Ihr doch zu nichts Besserem taugt, Euch aber das Jagen Spaß zu machen scheint, so wollt’ ich Euch im Schloß Karolslust als Jagdgehilfe in Dienst nehmen. Dies aber merkt wohl, daß Ihr dort unter strenger Hut und Aufsicht stehen und die geringste Auflehnung oder Nachlässigkeit aufs strengste zu büßen haben würdet. Insbesondere aber seid Ihr dringend gewarnt, dem Richter Adalbert Wogelein irgend etwas nachzutragen 122 oder gar auf irgendeine Weise nach Vergeltung zu trachten.«
Indes hatte Adalbert manchen bangen Blick zu Tobias Klenk hingeworfen und gewahrte nun ein so tückisches Aufblitzen in dessen Augen, daß er nicht zweifeln konnte, wessen er sich von ihm bei allernächster Gelegenheit zu versehen hätte. Und so stürzte er, von seiner Angst völlig um alle Besinnung gebracht, vor dem Herzog auf die Knie, und ehe noch Tobias antworten konnte, rief er aus: »Was liegt an mir, Herzogliche Gnaden, und an meinem armseligen Leben? Nur durch ein aufrichtiges Geständnis vermag ich meine Dankesschuld an Eure Herzogliche Gnaden abzutragen. Herr Herzog, es gibt eine geheime Brüderschaft in deutschen Landen, – Tobias selbst hat es mir vertraut, er wird es nicht leugnen, – die verbrecherische Anschläge gegen die geheiligten Häupter der Fürsten plant. Ich würde mich zum Mitschuldigen machen, wenn ich es in Kenntnis dieser Umstände wortlos mit ansähe, daß Eure Herzogliche Gnaden ein Mitglied dieser geheimen Brüderschaft, daß Ihr den Tobias Klenk in Eurer unmittelbaren Nähe verweilen ließet, da doch den Versicherungen und Schwüren solcher Leute, auch wenn sie anfangs ehrlichen Willens sein mögen, in keinem Falle zu trauen ist.«
»Erhebt Euch«, befahl der Herzog in hartem Ton. Adalbert erhob sich und wagte nicht aufzuschauen. Und noch weniger getraute er sich, den Blick zu Tobias Klenk hin zu richten. Der Herzog schwieg eine ganze Weile, dann sagte er: »Was ich gesagt habe, Tobias Klenk, bleibt aufrecht. Ich nehm’ Euch zum Jagdgehilfen in Schloß Karolslust. Euern Dienst sollt Ihr sofort antreten.«
»Durchlauchtigster Herzog,« erwiderte Tobias Klenk, »mit allem schuldigen Danke schlage ich Euer Hoheit gnädiges Angebot aus. Ein so arger Lumpenkerl, mit Respekt zu vermelden, der Herr Richter Adalbert Wogelein auch sein mag, wie ich ihn schon in meinen Kinderjahren erkannt, – es wäre wohl 124 möglich, daß ich noch immer der Schlimmere von uns beiden bin. Und mit seiner Warnung hat er recht, Herzogliche Gnaden, und in höherem Maß, als er selbst ahnen konnte. Denn wenn ich im Revier herumschlich mit geladener Waffe, so war es keineswegs, um einen Rehbock zu schießen, sondern vielmehr, um Örtlichkeit und Umstände in der Nähe von Karolslust auszukundschaften für bessere Gelegenheit.«
»Was meint Ihr damit?« fragte der Herzog. »Des Lebens und der Freiheit dürft Ihr Euch in jedem Fall versichert halten. Sprecht also ohne alle Scheu.«
Tobias zögerte und sah vor sich hin.
Um des Herzogs Mundwinkel zuckte es verächtlich. »Wenn Ihr Furcht hegen solltet ungeachtet meines fürstlichen Worts, daß Ihr des Lebens und der Freiheit sicher seid, so mögt Ihr auch schweigen, Tobias Klenk«, und er machte Miene, sich von ihm abzuwenden.
Doch nun, als kenne er keine schlimmere Schmach, als daß man ihm zumute, für sein 125 Leben zu zittern, begann Tobias mit Hast: »Von der geheimen Brüderschaft, Herr Herzog, und all dem Unsinn, den dieser Wicht hier vorgebracht, ist kein Wort wahr, – und ich will nicht, daß irgendein unschuldig Verdächtigter zu leiden habe. Doch was ich für meinen Teil zu tun vor hatte, Herr Herzog, das war und ist meine Sache allein. Und wenn einer den Anfang machen sollte mit