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sil­ber­nen Leuch­ter, sag­te er, dann sind wir quitt. – Ich sah ihn stür­zen, sin­ken, da­mit war das Gleich­ge­wicht her­ge­stellt, und wir schrit­ten stolz hin­aus.

      In­zwi­schen be­gann die Son­ne doch noch Meis­ter zu wer­den, und au­ßen im Frei­en stand eine Ge­sell­schaft von an­gel­säch­si­schem An­se­hen bei­sam­men, die mit ih­ren Glä­sern nach auf­tau­chen­den Berg­spit­zen fisch­te. Und wie be­stellt, um Ed­gars Miss­mut zum Ko­chen zu brin­gen, trat ei­ner der Her­ren aus der Grup­pe her­aus und bot mir in eng­li­scher Spra­che sein Fern­glas an, weil eben die Ber­ner Al­pen aus dem Ne­bel trä­ten; ich sel­ber be­saß näm­lich kei­nes. Be­vor ich aber da­nach grei­fen oder Dank sa­gen konn­te, hat­te mich mein er­zürn­ter Ge­fähr­te ge­walt­sam weg­ge­ris­sen und lief, mich an der Hand nach­zie­hend, wie eine Dampf­ma­schi­ne bergab. Na­tür­lich kam nun bei mir die Milch der from­men Den­kart wie­der stark ins Gä­ren, denn ich stell­te mir das La­chen der Zu­rück­ge­blie­be­nen vor. Ihm aber sa­ßen ne­ben der An­glo­pho­bie ver­mut­lich auch noch die weg­ge­wor­fe­nen Kost­bar­kei­ten auf den Fer­sen, dass er so eil­te. Der Wun­deran­blick, der sich aus dem Ne­bel rang, führ­te dann wie­der die Ver­söh­nung her­bei. Aber nicht auf lan­ge. Denn schon sehe ich die bei­den Kinds­köp­fe wie­der, wie sie aufs neue be­lei­digt und stumm den lan­gen Weg durch den Stra­ßen­staub der Ebe­ne pil­gern, er hü­ben und sie drü­ben.

      Un­se­re Kas­se, die Ed­gar führ­te, war so ge­schröpft, dass wir die nächs­te Nacht nur noch in ei­ner Kut­scher­knei­pe ver­brin­gen konn­ten. Aber der Va­ter hat­te uns ein­ge­schärft, uns nichts ab­ge­hen zu las­sen, er habe einen Be­kann­ten in Zü­rich be­auf­tragt, eine klei­ne Sum­me be­reit­zu­hal­ten für den Fall, dass uns auf der Rück­rei­se das Geld aus­ge­hen soll­te. Wir mach­ten uns also kei­ne Sor­ge, denn bis Zü­rich brauch­ten wir nur noch die Fahr­kar­te, nach­dem wir un­se­re Be­dürf­nis­se schon sehr ein­ge­schränkt hat­ten.

      Aber in Zü­rich, als der Zu­schuss ab­ge­holt wer­den soll­te, er­klär­te Ed­gar, dass ich den Gang al­lein tun müs­se, denn er sei­ner­seits fin­de solch ein plötz­li­ches Auftau­chen und Geld­hei­schen land­strei­cher­mä­ßig und bet­tel­haft. Ich fiel aus den Wol­ken; von die­ser Sei­te hat­te ich die Sa­che nie an­ge­se­hen, ob­wohl auch mir bei dem Un­ter­neh­men nicht recht wohl war. So ließ ich mich als­bald von der Ver­kehrt­heit an­ste­cken und fühl­te mich nur ver­letzt, dass mir et­was zu­ge­mu­tet wer­den soll­te, was er sei­ner un­wür­dig fand. Er rech­ne­te mir nun vor, dass un­ser Geld zur blo­ßen Heim­rei­se ge­ra­de noch aus­rei­chen wür­de, wir müss­ten uns aber durch den heu­ti­gen und den gan­zen fol­gen­den Tag – von Zü­rich bis Tü­bin­gen – durch­hun­gern. Und das täte er, wenn er al­lein wäre, um sei­ne Wür­de zu wah­ren. Na­tür­lich woll­te ich nun nicht hin­ter ihm zu­rück­ste­hen und er­klär­te mich gleich­falls zu der Hun­ger­pro­be be­reit. Ge­ho­ben durch die­sen Ent­schluss, durch­wan­der­ten wir die Stadt, be­trach­te­ten uns den See und woll­ten dann abends noch bis Schaff­hau­sen fah­ren. Mama hat­te uns je­doch bei der Abrei­se auf­ge­tra­gen, in Zü­rich auch ih­ren Ju­gend­freund Jo­han­nes Scherr zu be­su­chen und ihm ihre Grü­ße zu be­stel­len. Die­ser Gang soll­te also rasch noch er­le­digt wer­den. Aber vor der Haus­tür fiel es mei­nem schon wie­der ver­drieß­li­chen Ge­fähr­ten ein, dass er von Jo­han­nes Scherr ein Buch ge­le­sen hat­te, des­sen ha­ne­bü­che­ne Derb­heit ihm stark miss­fiel. Und nun woll­te er auch nicht mehr zu Scherr. Aber dies­mal be­stand ich auf mei­nem Kopf. Wenn ich mich recht er­in­ne­re, ließ ich ihn un­ten war­ten und stand al­lein vor dem Berühm­ten. Ich rich­te­te aber nur kurz die müt­ter­li­chen Grü­ße aus und hat­te es ei­lig, mich wie­der zu emp­feh­len, weil ich des Bru­ders fie­bern­de Un­ge­duld fürch­te­te. Dies half je­doch nichts, denn als es sich auf dem Bahn­hof zeig­te, dass die Züge gar nicht mit dem Fahr­plan stimm­ten, war ich doch wie­der die Schul­di­ge. Er war ge­reizt, weil er müde und hung­rig war. Ich war aber gleich­falls müde und hung­rig und sah nicht ein, wes­halb ich nun auch noch den un­ge­rech­ten Miss­mut des an­de­ren Teils über mich er­ge­hen las­sen soll­te. Wer mir ge­sagt hät­te, dass es ein künf­ti­ger Hel­fer und Wohl­tä­ter sei­ner Mit­menschen war, der in sol­che Lau­nen­haf­tig­keit ver­kappt mir ge­gen­über­saß! So schwie­gen wir aber­mals und sa­hen be­lei­digt zum Fens­ter hin­aus. Erst die wil­de Pracht des Rhein­falls führ­te uns wie­der zu­sam­men. Und als wir im »Rap­pen« zu Schaff­hau­sen um ein be­schei­de­nes Nacht­la­ger ei­nig ge­wor­den wa­ren und dann ent­deck­ten, dass un­se­re Mit­tel uns noch eine klei­ne Abend­mahl­zeit ge­stat­te­ten, war die Welt wie­der ein­mal voll­kom­men.

      In der Frü­he be­durf­te es ei­ner Aus­flucht, um dem uns an­ge­bo­te­nen, ach so ver­lo­cken­den Mor­gen­kaf­fee nebst Ho­nig­bröt­chen zu ent­ge­hen, denn der große Fast­tag muss­te jetzt wirk­lich be­gin­nen. Aber auf den Ho­hent­wiel, der an un­se­rem Wege lag, woll­ten wir doch nicht ver­zich­ten, schon des Ek­ke­hard we­gen, den da­mals die deut­sche Ju­gend mit Be­gier ver­schlang. Wir stie­gen also, nüch­tern wie wir wa­ren, in Sin­gen aus und wan­der­ten durch den Wald, der uns mit man­cher­lei Bee­ren er­quick­te, nach der Fel­sen­burg. Doch o weh, das Ein­gang­stor war ver­schlos­sen und soll­te sich nur nach Er­le­gung von 25 Rap­pen für die Per­son öff­nen. Sol­che Sum­men hat­ten wir nicht mehr auf­zu­wen­den. Wir schlu­gen uns in die Bü­sche, über­klet­ter­ten ge­schich­te­te Fel­sen­plat­ten und spran­gen über die Mau­er in den Hof hin­ab. Da­bei mach­te ich die Er­fah­rung, wie es de­nen zu­mu­te ist, die au­ßer­halb des Ge­set­zes le­ben. In der Men­ge der zah­len­den Be­su­cher ver­bor­gen, sand­ten wir su­chen­de Bli­cke nach dem Bo­den­see, der sich nur schwach im Dunst ab­zeich­ne­te; auch die Geis­ter Ha­dewigs und ih­res ver­lieb­ten Mönchs lie­ßen sich nicht bli­cken. Und das Herz­klop­fen, bis man end­lich un­ter den Au­gen des Wäch­ters glück­lich zum Tor hin­aus ge­schrit­ten war! In sol­chen Au­gen­bli­cken be­straft sich ’s, wenn man nicht ge­übt ist, auf un­rech­ten We­gen zu wan­deln. – Noch war ein lan­ger Tag vor uns; um nichts zu ver­säu­men, er­klom­men wir un­ver­dros­sen auch noch den stei­len Ba­salt­ke­gel des Ho­hen­krä­hen, der uns gleich­falls den Lohn un­se­rer Mü­hen schul­dig blieb. Jetzt aber mel­de­te sich der Hun­ger im­mer un­wi­der­steh­li­cher. Da­rum be­schlos­sen wir von Sin­gen bis zum nächs­ten Sta­ti­ön­chen zu Fuße zu wan­dern, um vom Fahr­geld ein Stück Brot für je­des ab­zu­spa­ren. Wir mar­schier­ten wa­cker zu, trotz Staub und Hit­ze und den zwei vor­an­ge­gan­ge­nen Be­stei­gun­gen und fühl­ten uns an die­sem Tage zum ers­ten Mal voll­kom­men fried­lich und ei­nig. Auf dem Bahn­hof er­kann­ten wir, dass uns noch Zeit ge­nug zur An­kunft des Schnell­zugs blieb, und wir ver­stän­dig­ten uns al­so­bald, noch bis zur nächs­ten Sta­ti­on wei­terzu­mar­schie­ren, um durch un­se­rer Füße Ar­beit zum Brot auch noch ein Stück Käse zu ver­die­nen. Als dort die Fahr­kar­ten ge­löst wa­ren, konn­te Ed­gar mir noch ein gan­zes Häuf­lein Mün­zen für mei­ne Ein­käu­fe in die Hand schüt­ten, denn es ge­hör­te auch zu sei­nen Ei­gen­hei­ten, dass er sel­ber nie­mals einen Kauf­la­den be­trat. Ich trug zwei duf­ten­de Laib­chen Weiß­brot und eine statt­li­che Schnit­te Em­men­ta­ler da­von. Mit Stolz brach­te ich sie dem Bru­der, der sich ab­seits der Land­stra­ße un­ter ei­nem Birn­baum nie­der­ge­las­sen und einen Hau­fen herr­li­cher Bir­nen vor sich auf­ge­sta­pelt hat­te. Ich frag­te nicht, mit wel­chem Rech­te. Wir setz­ten uns in tiefer, freu­di­ger Ein­tracht ne­ben­ein­an­der und ge­nos­sen die köst­lichs­te Mahl­zeit und das reins­te Glück, das uns auf der gan­zen Rei­se be­schert war.

      O,

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