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Gesammelte Werke. Isolde Kurz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962812515
Автор произведения Isolde Kurz
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Der Meister schied. Er hat sein Werk vollbracht,
Der unermüdlich in des Lebens Dürre
Die goldenen Hesperidenäpfel streute,
Der über allem Lärm und Drang der Welt
Des Spieles heiligen Ernst für uns gerettet.
Denn Länder schuf er, Meere, Königreiche
Der Poesie und gab sie uns und ließ
Uns drin wie mit den ersten Göttern wohnen.
So rastlos schaffend, spendend, nie bekümmert,
Auf welchen Boden seine Früchte fielen,
Sah er die letzte Sonne niedergehn,
Dann stieg er lächelnd in den Kahn und glitt
Hinweg, die unbekannten Wogen furchend.
Zur stillen Insel ging er, wo am Strand
Das Wasser schläft, wo unter hohen Bäumen
Die frommen Schatten zu Altären wallen,
Bei Flammen, Blumen ernsten Dienst begehend,
Wo nur zuweilen leis ein Nachen landet
Aus dem verhüllt ein neuer Gast entsteigt,
Wo alles Erdenlebens Drang und Fülle
Nur als Musik noch um die Wipfel schwebt.
Dort weilen sie, die unvergänglich sind,
Und dorthin ging auch Er.
Kein Trauerwort
Folge dem herrlich nun Vollendeten!
Mit Blumen, Flammen wollen wir ihn ehren,
Mit solcher Weihe, die er selbst gelehrt.
Was er uns oft in Bildern festlich zeigte,
Heut seis für ihn vollbracht. So lodert, Flammen!
Preist ihn, ihr Blumen! Elemente alle,
Ehrt euren Dichter! Schweb empor, Musik!
Trag dem Entrückten, aber Unverlornen
Ins Land des Schweigens unsre Grüße nach!
Mit Böcklin schloss der Reigen der ruhmreichen Toten des vorigen Jahrhunderts in Florenz. So sieht man gegen das Frühjahr die ganze Pracht des winterlichen Firmaments Stern um Stern hinuntersinken und neuen Himmelserscheinungen Platz machen, die aber den Glanz der vorigen nicht erreichen. – – Eine rührende häusliche Episode, die sich an den Tod des alten Meisters knüpft, hat mir seine älteste Tochter, die schöne Clara Bruckmann, erzählt: Diese fand im Nachlass ihres Vaters ein Bündel Frauenbriefe, die auf ein Herzenseinverständnis schließen ließen. Böcklin war ja als der musterhafteste Ehegatte bekannt, aber die Tochter hielt es doch für ratsam, den Augen ihrer Mutter, der leidenschaftlichen Römerin, deren Eifersucht auch das Alter nicht gemildert hatte, diesen Fund zu entziehen. Sie trug die Briefe in den entlegensten Winkel des Gartens, entzündete einen Flammenstoß und warf die Briefe Blatt um Blatt hinein. Dann holte sie aus dem Keller einen Fiasco von Böcklins Lieblingswein und goss ihn mit töchterlicher Hand als Weihegabe auf die glimmende Asche.
*
Ein Wunsch des Verlags, dessen Begründung ich anerkenne, veranlasst mich, dieses wie alle nachfolgenden Kapitel um die Bildnisse der überlebenden Freunde, deren ich an dieser Stelle zu gedenken hätte, zu kürzen oder sie auf die knappste Fassung zu bringen, ohne ihre Namen zu nennen. Mit diesen aus äußeren Rücksichten entsprungenen Maßnahmen kann auch das Stilgefühl einverstanden sein. Die Abgeschiedenen sind jetzt aus leichterem Stoffe und durch und durch vollendet; sie wesen in einem anderen Luftraum als die fragmentarischen, in ihrer irdischen Schwere und Bedürftigkeit gebliebenen Lebendigen, die bei dem Vergleich notwendig verlieren, in einem Luftraum, wohin nur der Beschwörende selber miteingeladen ist. Aus der Fremdheit beider Naturen stammt ja wohl die Vorstellung der Geistergläubigen, dass der Entkörperte bei der plötzlichen Begegnung mit einem Lebenden ebenso erschrocken zurückfahre wie jener vor ihm. – Darum kann ich meiner treuen Fili, der schönen hochblonden Germanin, die in hohen Jahren, aber ungebeugten Hauptes als Gattin eines berühmten Historikers noch in Florenz lebt, von dieser Stelle aus nur einen kurzen Gruß zuwinken. Sie hat mir durch Jahrzehnte die von der Natur versagte Schwester ersetzt und meine Mutter wie ihre eigene geliebt, das Beste, was an mir geschehen konnte. Denn auch eine ganze Anzahl weiterer Brüder würden meine Schwierigkeiten nicht erleichtert haben. L’amore diszende (die Liebe geht nach abwärts) sagt kurzweg das italienische Sprichwort. Börries von Münchhausen hat es in die Worte gefasst: »Den goldenen Ball wirft jeder lächelnd weiter / Und keiner gab den goldenen Ball zurück«. Es sind Männerworte, sehr wahre. Immer waren es Frauenhände, die den goldenen Ball zurückgaben. Nur eine mir zugeborne Seele vom gleichen Geschlecht, so hätten wir gemeinsam unsere Schultern untergeschoben und das wunderlich-wundersame Mutterwesen heil durchs Leben getragen, ohne zu viel von eigenen Daseinsrechten einzubüßen. Hier war die Stelle, wo es immer so rau in mein Leben hereinblies. In diese Lücke trat, soweit es von außen her möglich und ihr durch die eigenen Pflichten gestattet war, die treue Fili. Ebenso bleibe ich ihrem hochgelehrten Gatten, der mir so manchesmal aus seinem abgründigen Wissen den kürzesten Weg zu meinen Quellen gewiesen hat, für immer verpflichtet. Wenn wir in langem Verkehr oft aneinander vorüberdachten, so geschah es durch den Gegensatz der beiderseitigen Aufgaben und Anlagen: dass sein scharfgeschliffener kritischer Forschergeist wie ein spitzes Instrument die Schalen der Überlieferung sprengte, um dahinter die reine Tatsache zu suchen, wogegen ich, in Mythe und Dichtung wurzelnd, vielmehr geneigt war, die Tatsachen als die eigentlichen Schalen zu betrachten, die tiefere, die symbolische Wahrheit aber eher in der Überlieferung als in den urkundlichen Zeugnissen gespiegelt