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Gesammelte Werke. Isolde Kurz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962812515
Автор произведения Isolde Kurz
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Danach ging ich an die »Humanisten«, einen Gegenstand, den ich längst schon liebend und weiterforschend mit mir herumtrug, seitdem ich durch Burckhardt jene von Rom und Hellas trunkenen Apostel des Geistes und der Schönheit kennengelernt hatte, die wie weiland die Kreuzritter zur Eroberung des Heiligen Grabes in die östlichen Lande zogen, um unter tausend Gefahren – friedliche, weichgewohnte Gelehrte die sie waren – die Herrlichkeiten des griechischen Genius für die Menschheit zu retten. Ich ersann mir ein sehr verwickeltes Gespinst um ein verlorenes, nur im Namen erhaltenes Werk des Cicero, sein heiteres liber jocularis, nach dem ich die florentinischen Gelehrten unter teils tragischen teils komischen Umständen mit glühendem Verlangen fahnden ließ, und brachte dieses Fahnden in Beziehung zu dem im Jahre 1482 stattgehabten Besuch des Grafen Eberhard von Württemberg und seines Gefolges am Hofe des Lorenzo Magnifico, weshalb ich die Erzählung ursprünglich »Die Schwaben in Florenz« betiteln wollte. Mit dem angeblichen Fund und der nachfolgenden gänzlichen Vernichtung des berühmten ciceronianischen Kodex führte ich auch den gelehrten Freund Wilhelm Hertz irre, der sich bei mir erkundigte, was es denn mit jener Entdeckung für eine Bewandtnis habe.
Diese Geschichte schrieb ich jedoch nicht in der Arnostadt, im eigenen Villino, das mir längst keine Sicherheit gegen häusliche Störungen mehr bot, sondern in Stuttgart, wo ich mich vorübergehend in einem stillen luftigen Zimmer an der Hölderlinstraße eigens zu diesem Zweck niedergelassen hatte. Es waren köstliche Frühlingstage; der lange nicht gesehene deutsche Lenz mit dem kindlich zarten Grün der Laubbäume und den jungen Fransen der Nadelhölzer setzte mich in einen Rausch der Heimatliebe, und diese Heimat im Geist mit meiner zweiten, der toskanischen, zu verbinden, war mir eine tiefe innere Befriedigung. Das Schwabenland feierte gerade ein dynastisches Fest; zu diesem Anlass dachte ich mit den »Schwaben in Florenz«, unter denen der gepriesenste Vorfahr des Herrschers obenan stand, dem Lande ein Gastgeschenk von besonderer Art zu bringen, und bot die Erzählung einer großen, in Stuttgart erscheinenden illustrierten Zeitschrift an. Aber die Wege der Schriftleitungen sind unergründlich; ich erhielt das Manuskript, das gerade das zeitgemäßeste war, was sich denken ließ, mit der trockenen Bemerkung zurück, dass der Gegenstand »zu weit abliege, um Interesse zu erwecken«. Nach diesem glanzvollen Fehlschlag versuchte ich es kein zweitesmal, die »Humanisten«, die jetzt ihren richtigen Titel bekamen, in einer Zeitschrift unterzubringen, sondern nahm sie mit mir nach Florenz, wo ich mich nunmehr unabgeschreckt an die letzte der vorgesetzten Aufgaben, den »Heiligen Sebastian«, wagte.
Nach dem Erscheinen der »Florentiner Novellen« wies mein Landsmann Ludwig Laistner in der »Augsburger Allgemeinen Zeitung« mit viel Gelehrsamkeit und Scharfsinn die Herkunft des Motivs dieser Novelle (Liebe zu einem Bild) aus dem Pantschatantra – den ich nicht kannte – nach und verfolgte seine Wanderungen durch die Jahrtausende bis zu seiner Wiedergeburt in meinem »Heiligen Sebastian«. So gelehrt war es in der Wirklichkeit nicht zugegangen; der Stoff war aus dem Leben, und auf dem kürzesten Weg, aus meinem eigenen,