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ins Unendliche verläuft hat ein wirkliches Sein. Wäre dem nicht so, so wäre doch der Begriff der Unendlichkeit selber nicht unendlich.

      Nun aber noch der andere Fall. Gesetzt, die Arten des Grundes wären ihrer Anzahl nach unendlich, so würde es auch auf diese Weise kein Erkennen geben. Denn wir glauben den Gegenstand dann zu kennen, wenn wir seine Gründe erkannt haben; es ist aber schlechthin eine Unmöglichkeit, das was in immer weiterem Fortgang ins Unendliche verläuft, in begrenzter Zeit zu durchmessen.

      Was den Vortrag der Wissenschaft anbetrifft, so erhält er seinen Charakter durch die geistige Beschaffenheit der Zuhörer. Denn je nachdem wir vorbereitet sind, erwarten wir, daß man zu uns rede; was dawider anläuft, das erscheint uns nicht angemessen, sondern je mehr es von dem uns Geläufigen abweicht, in desto höherem Grade finden wir es schwer verständlich und fremdartig. Das uns Geläufige wird uns auch leichter zu erfassen. Wie groß die Macht der geläufigen Vorstellungen ist, das zeigen die Gesetze, bei denen das in mythischer und kindlich einfältiger Form Ausgedrückte vermöge der Macht der herrschenden Vorstellungen größeren Einfluß auf die Gemüter ausübt, als es klare Erkenntnis je vermöchte. Die einen nun verstehen den Vortragenden nicht, wenn er nicht in der Weise der Mathematik redet, die anderen nicht, wenn er die Sache nicht durch Beispiele deutlich macht; wieder andere fordern die Anführung von Dichterstellen als Belegen. Die einen wollen alles in streng begrifflicher Form vorgetragen haben, die anderen fühlen sich durch die strenge Form beängstigt, teils weil sie dabei nicht folgen können, teils weil die Haarspalterei sie langweilt. Denn allerdings hat begriffliche Strenge das an sich, und sie macht deshalb wie bei der juristischen Formulierung von Urkunden so auch bei Vorträgen den Eindruck pedantischer Unfreiheit. Darum ist eine vorausgehende Unterweisung, wie man jede Form des Vertrags aufzunehmen hat, wohl angebracht; denn es hätte keinen Sinn, die Wissenschaft und die Methode des Vertrags der Wissenschaft beides zugleich studieren zu wollen. Ist doch jedes von beiden schon an sich nicht leicht zu erfassen. Eine begriffliche Strenge aber wie in der Mathematik darf man nicht in allen Wissenschaften verlangen; sie hat ihre Stelle nur in der Wissenschaft vom Immateriellen. Daher ist sie auch nicht die Methode der Wissenschaft von der realen Welt. Denn was zur realen Welt gehört, das ist alles im Grunde mit Materie verbunden. Man muß sich also zunächst darüber klar werden, was das Universum und was die Wissenschaft vom Universum bedeutet. Dadurch erlangt man dann auch die Einsicht, was Gegenstand der Wissenschaft vom Realen ist, sowie ob die Betrachtung der Gründe und Prinzipien einer einzigen Wissenschaft oder einer Mehrheit von Wissenschaften angehört.

      Einleitung

      I. Ausgangspunkt und Ziel der Wissenschaft

       Inhaltsverzeichnis

      Allgemein in der menschlichen Natur liegt der Trieb nach Erkenntnis. Das zeigt sich schon in der Freude an der sinnlichen Wahrnehmung, die auch abgesehen von Nutzen und Bedürfnis um ihrer selbst willen geschätzt wird, und vor allem der Gesichtswahrnehmung. Denn nicht bloß zu praktischem Zweck, sondern auch ohne jede derartige Rücksicht legt man auf die Gesichtswahrnehmung im ganzen und großen einen höheren Wert als auf jede andere, und zwar deshalb, weil gerade sie vom Gegenstande die deutlichste Erkenntnis vermittelt und eine Fülle von unterscheidenden Beschaffenheiten an ihm erschließt.

      Wahrnehmungsvermögen haben die lebenden Wesen von Natur; bei einigen von ihnen aber läßt das Wahrgenommene keine dauernde Erinnerung zurück, dagegen wohl bei anderen. Die letzteren sind deshalb die intelligenteren und zum Lernen befähigteren im Vergleich mit denen, die das Vermögen der Erinnerung nicht besitzen. Geschickt, aber ohne das Vermögen zu lernen, sind diejenigen, die der Gehörswahrnehmung ermangeln, wie die Bienen und etwaige andere Gattungen von Wesen, die diese Eigenschaft mit ihnen teilen. Diejenigen dagegen, bei denen zu der Erinnerung auch noch diese Art von Wahrnehmungen hinzutritt, besitzen damit auch die Fähigkeit zu lernen.

      Die anderen Arten der lebenden Wesen nun leben in Vorstellungen und Erinnerungsbildern und bilden Erfahrungen nur in geringerem Maße; dem Menschen dagegen eignet bewußte Kunst und Überlegung. Beim Menschen bildet sich auf Grund der Erinnerung die Erfahrung, indem die wiederholte und erinnerte Wahrnehmung eines und desselben Gegenstandes die Bedeutung einer einheitlichen Erfahrung erlangt. Die Erfahrung hat an sich schon eine gewisse Verwandtschaft mit Wissenschaft und bewußter Kunst, und vermittelst der Erfahrung bildet sich denn auch beim Menschen Wissenschaft und Kunst: denn, wie Polus ganz richtig bemerkt, Erfahrung hat die Kunst hervorgebracht, Mangel an Erfahrung liefert dem Zufalle aus.

      Bewußte Kunst entsteht, wo auf Grund wiederholter erfahrungsmäßiger Eindrücke sich eine Auffassung gleichartiger Fälle unter dem Gesichtspunkte der Allgemeinheit bildet. Indem wir feststellen, daß dem Kallias, als er an dieser Krankheit litt, dieses bestimmte Mittel zuträglich war, und dem Sokrates auch, und ebenso mehreren anderen einzelnen, machen wir eine Erfahrung. Der Satz aber, daß allen unter diese Bestimmung Fallenden und begrifflich zu einer Gattung Gehörigen, die an dieser bestimmten Krankheit, etwa an Verschleimung oder an Gallensucht oder an hitzigem Fieber litten, eben dasselbe zuträglich gewesen ist, - dieser Satz bildet dann eine Theorie.

      Wo es sich nun um praktische Zwecke handelt, tritt der Unterschied von Erfahrung und Theorie nicht so hervor; wir sehen nur, daß die Erfahrenen eher noch häufiger das Richtige treffen, als diejenigen, die zwar im Besitze der Theorie sind, aber keine praktische Erfahrung besitzen. Der Grund ist der, daß die Erfahrung Kenntnis der Einzelheit, die Theorie Kenntnis des Allgemeinen ist, das praktische Verhalten und das Hervorbringen aber sich immer in der Einzelheit bewegen. Denn nicht einen Menschen überhaupt kuriert der Arzt, oder doch nur gemäß einer der Bestimmungen, die dem Patienten zukommen, sondern den Kallias oder den Sokrates oder ein anderes Individuum, dem das gleiche Prädikat, die Bestimmung Mensch zu sein, zukommt. Wenn also einer die Theorie besitzt ohne die Erfahrung, und das Allgemeine kennt, aber das darunter fallende Einzelne nicht kennt, so wird er in der Praxis oftmals fehlgreifen. Denn Gegenstand der Praxis ist das Einzelne.

      Gleichwohl nimmt man an, daß der Theorie die Erkenntnis und das praktische Verständnis in höherem Grade innewohne als der Erfahrung, und man hält den Theoretiker für einsichtsvoller als den Praktiker, sofern Einsicht jedem in um so höherem Maße eignet, als der Grad seiner Erkenntnis ein höherer ist, und zwar weil der eine die ursächlichen Zusammenhänge versteht, der andere nicht. Denn der Praktiker weiß wohl das Daß, aber nicht das Warum; der Theoretiker aber weiß das Warum und den Kausalzusammenhang. So stellen wir denn den Arbeitsleiter höher und trauen ihm eine höhere Erkenntnis auch des Einzelnen zu als dem einfachen Arbeiter, weil jener die Gründe des Verfahrens durchschaut, dieser aber den unbeseelten Wesen gleicht, die tätig sind, ohne zu wissen, was sie tun, gleich dem Feuer, welches brennt, ohne es zu wissen. Die nicht mit Verstand begabten Wesen sind jedes nach seiner Art tätig auf Grund natürlicher Anlage; jene Arbeiter sind tätig auf Grund ihrer Gewöhnung und Übung; die Arbeitsleiter aber haben die höhere Einsicht nicht in dem Maße als sie mehr praktische Übung besitzen, sondern in dem Maße, als sie die Theorie bemeistert haben und die ursächlichen Zusammenhänge kennen. Schließlich ist dies das Kennzeichen des Wissenden, daß er andere zu unterweisen vermag, und aus diesem Grunde nennen wir die Theorie in höherem Grade wissenschaftlich als die bloße Erfahrung. Denn jene vermag andere zu unterweisen, diese nicht.

      Sinnliche Wahrnehmungen ferner als solche läßt man nicht als Wissenschaft gelten. Freilich geben sie im eigentlichsten Sinne Kenntnis des Einzelnen; aber sie geben keine Einsicht in die Gründe; so z.B. nicht, warum das Feuer wärmt, sondern nur, daß es wärmt. Zunächst also ist es wohl verständlich, daß derjenige, der irgend ein praktisches Verfahren über die gemeinmenschlichen Wahrnehmungen hinaus erfand, von den Menschen bewundert wurde, nicht bloß weil seine Erfindung wertvoll, sondern weil er selber einsichtsvoll war und sich den andern überlegen zeigte; und ferner, daß, wenn eine Mehrzahl von solchen praktischen Veranstaltungen erfunden wurde, und unter diesen solche, die dem Bedürfnis, und andere, die der Ergetzung dienten, die Erfinder der letzteren für geistvoller als die Erfinder der ersteren galten, weil die von ihnen gewonnenen Einsichten nicht dem bloßen Bedürfnis dienten. Daher kommt es denn, daß man, nachdem eine Fülle derartiger Veranstaltungen bereits ersonnen war, nunmehr zur Auffindung der reinen Erkenntnisse überging,

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