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sich, dafür regnet es jetzt in Strömen. Es trommelt gegen die Scheiben, schlägt klatschend auf den Kies der Gartenwege und bringt die langersehnte Abkühlung.

      Professor Holzer hat sich einen Stuhl neben das Bett Maria Imhoffs gerückt.

      Da regt es sich in den Kissen. Maria Imhoff wendet den Kopf hin und her und schlägt die Augen auf. Es sind klare blanke Augen, in denen nicht mehr Verzweiflung oder Unruhe festzustellen ist, sondern nur Staunen und Verwunderung.

      Marias Blicke wandern in dem Raume umher und bleiben auf der weißen Gestalt der Schwester haften.

      Professor Holzer zieht sich in den Hintergrund zurück und gibt Schwester Johanna einen Wink, worauf diese seinen Platz einnimmt.

      »Nun, Frau Imhoff?« beginnt sie mit ihrer sanften Stimme. »Haben Sie gut geschlafen?«

      Ein grüblerischer Zug tritt in Marias gespannte Züge, sie schließt die Augen. »Ich bin sehr müde, noch sehr matt.« Und sie schmiegt sich wie ein schläfriges Kind in die Kissen. Atemlos beobachten der Arzt und die Schwester die Kranke, um deren Mund ein weiches, zufriedenes Lächeln liegt. Einen Augenblick später schließt sie die Augen und schläft ein.

      Da strafft sich Professor Holzers Gestalt. Er tritt zu Schwester Johanna hin und legt ihr seine Hand auf die Schulter. »Nun schläft sie sich gesund, Schwester! Ich vermute, es wird ein langer, erquickender Schlaf werden. Gefahr besteht nicht. Ich bitte Sie jedoch, die Kranke nicht zu verlassen. Falls sie vorzeitig erwacht, rufen Sie mich sofort.« Er wendet sich schließlich bewegt zur Tür, blickt von dort her nochmals zurück und setzt hinzu: »Aber seien Sie vorsichtig, reden Sie keinesfalls von der Vergangenheit, warten Sie ab. Ich glaube, Frau Imhoff wird Ihnen von sich aus eine Menge Fragen stellen. Rufen Sie mich also, wenn sie erwacht.«

      Kopfschüttelnd läßt die Schwester sich an Marias Lager nieder, wäh­rend der Professor sein Sprechzimmer aufsucht. Dort erwartet ihn bereits die Oberschwester zur Berichterstattung.

      »Was ist mit Frau Imhoff?« fragt sie, als der Professor im Zimmer umhergeht. Eine tiefe Falte steht auf seiner Stirn. Er bleibt plötzlich vor ihr stehen. Seine Augen glänzen vor starker innerer Erregung. »Schockwirkung infolge starker Gemütserregung! Wenn mich nicht alles trügt, dann wird Frau Imhoff nun wieder gesund werden.«

      »Aber, wie ist das nur möglich?« stammelt die Schwester, die den Fall in allen Einzelheiten kennt und sich oft genug mit dem Chefarzt darüber unterhalten hat. »Das wäre ja ein Glück ohnegleichen!«

      Professor Holzer läßt sich auf seinem Platz vor dem Schreibtisch nieder. »Ich weiß nicht, Schwester«, er sieht mit einem Male besorgt, ja, bedrückt aus, »ich glaube, daß es kein glückliches Erwachen für die arme junge Frau wird.«

      »Ich verstehe Sie nicht recht, Herr Professor. Bisher waren Sie stets so erfreut über jede Genesung wie der Genesende selbst.«

      Professor Holzer scheint den Einwurf nicht gehört zu haben. Wenigstens hat die Schwester den Eindruck. Sie wendet sich ab und putzt an den Instrumenten herum.

      Professor Holzer wühlt in seiner Tischschublade unter einem Berg von Briefen. Endlich hat er das Gesuchte in der Hand. »Kommen Sie mal her, Oberschwester.«

      Diese tritt näher. Er reicht ihr eine Karte, aus feinstem Kartonpapier geschnitten, und sie liest:

      Bernd Imhoff

      Charlotte Imhoff, geb. Doehner Vermählte

      Es bleibt lange still zwischen dem Arzt und seiner Helferin. Ratlos ist der Schwester Handbewegung, mit der sie die Anzeige auf den Tisch zurücklegt.

      »Das ist ja entsetzlich, Herr Professor!« flüstert sie erschüttert.

      »Aber leider Tatsache«, setzt der Arzt bitter hinzu. »Und ich selbst war es, der dem Manne zu diesem Schritt riet, da ich eine Heilung seiner Frau für völlig ausgeschlossen hielt.« Der Professor stützt den Kopf in die Hände.

      Leise geht die Schwester aus dem Zimmer. Sie hat das Gefühl, daß der von ihr verehrte Professor, den sie nicht nur als tüchtigen Arzt für körperliche, sondern auch für seelische Leiden hat, jetzt allein sein möchte.

      *

      In »Villa Charlotte« werden fieberhaft Reisevorbereitungen getroffen. Selbstverständlich hat die junge Hausherrin dabei die Wünsche der Kinder berücksichtigt und legt Bernd nun in beredten Worten ihre Gründe dar: »Ich bin sehr für die See, Bernd. Die Kinder können sich dort nach Herzenslust im Sande tummeln. Die Seeluft wird ihnen bestimmt wohl tun, und dann möchte auch ich einmal tüchtig ausspannen. Wir fahren in ein recht idyllisch gelegenes Fischerdorf, wie Hans Kersten es mir vorschlug.«

      Bernd lächelt. »Also möchtest du gern an die See?«

      Charlotte errötet. Dann stimmt sie in sein Lachen ein. »Ja, denn ich war schon wiederholt in den Bergen und würde mich wirklich freuen, würdest du meiner Bitte entsprechen.«

      »Gut, Kind, dann reist du mit den Kindern und Frau von Delian an die See«, entscheidet Bernd.

      Charlotte wirft einen schnellen Seitenblick auf die Mädels, die mit Herzklopfen dem Ergebnis der elterlichen Unterredung gelauscht haben und nun vergnügt im Zimmer herumhüpfen.

      »Hurra! Wir fahren an die See! Hurra!«

      »Da hast du mich wieder einmal schön überrumpelt, Charlotte.«

      »Und wann kommst du nach?« fragt sie, ohne auf seine Worte einzugehen.

      »Das ist ungewiß. Gerade jetzt ist meine Anwesenheit hier unbedingt erforderlich. Ich überrasche euch, eines Tages bin ich einfach da.«

      Charlotte ist ein bißchen traurig, aber sie denkt viel zu sehr an die Interessen des Werkes, als daß sie auch nur den Versuch machen würde, Bernd umzustimmen. »Dann laß uns nicht lange warten«, bittet sie ihn. –

      Die Vorbereitungen zur Reise sind abgeschlossen.

      Charlotte kleidet sich zum Abendessen um, was ihr heute gar nicht recht von der Hand gehen will. Sie fühlt eine bleierne Müdigkeit in den Gliedern, die ihr schon einmal zugesetzt hat, damals, als sie in ihrem Zimmer ohnmächtig geworden war. Auch ihr Herz klopft heute laut und stark, dabei hat sie doch keinerlei Grund zu irgendeiner Erregung. Charlotte zwingt sich, dieser Müdigkeit Herr zu werden, und kühlt sich das Gesicht mit frischem Wasser. Doch es wird ihr nicht besser danach.

      Die Abendmahlzeit verläuft bei angeregter Unterhaltung. Bernd kann heute nicht daran teilnehmen, weil er geschäftlich abgehalten wird. Charlotte empfindet das als recht angenehm, so braucht sie sich nicht zur Unbefangenheit zu zwingen, denn sie fühlt sich zunehmend schlechter.

      Die Mädels zappeln vor Ungeduld. »Mutti, packen wir nun?«

      »Ja, ihr Quälgeister! Ich glaube, ihr habt vor lauter Aufregung gar nicht gegessen«, bemerkt Frau von Delian an Stelle von Charlotte. Ihr ist die Blässe der jungen Frau bereits aufgefallen, sie schiebt das auf die unruhigen Tage, die hinter ihr liegen.

      »Bitte, kommen Sie mit, Delian«, fordert Charlotte die Hausdame auf. »Sie müssen unbedingt überwachen, was alles mitgenommen werden soll.«

      »Sie sollten sich ein wenig ausruhen«, sagt Frau von Delian zu der jungen Frau, als sie in deren Zimmer sind.

      Charlotte schüttelt heftig den Kopf. »Ich bin nicht müde. Das Packen macht mir nicht weniger Freude als den Kindern.« Sie neigt sich über die Koffer und läßt sich von den Kleinen ein Stück nach dem anderen reichen. Alles legt sie wohlgeordnet an seinen Platz.

      Schon einmal hat Charlotte in ihrer Beschäftigung innehalten müssen, da sie einen heftigen Druck im Kopf verspürte; aber sie kämpft mit aller Macht gegen die drohende Schwäche an. Nur jetzt nicht krank werden, denkt sie. – Die Kinder kämen um ihr ganzes Vergnügen! –

      Auf den Kilian liegend, fährt sie mechanisch mit dem Packen fort, bis sie sich endlich doch erheben muß. »Kinder, nun packt allein weiter, mir ist nicht gut.«

      Schon taumelt sie, greift in die Luft und kann doch nicht mehr

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