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      »Wie schaut’s auf dem Festplatz aus?« erkundigte sich sein Bruder.

      »Sehr schön«, antwortete Max. »Fast alle sind dabei, die auch im letzten Jahr hier waren.«

      Der Polizist war nicht nur für die Sicherheit und Ordnung in St. Johann zuständig, während der alljährlichen Kirchweih mußte Max auch dafür sorgen, daß es auf dem Festplatz nicht zu Ausschreitungen und Raufereien kam. Dabei wurde er von drei Kollegen aus der Kreisstadt unterstützt.

      Sebastian Trenker schaute auf die Uhr.

      »Zeit wird’s«, sagte der Seelsorger und stand auf.

      Die Messe unter freiem Himmel war der erste Höhepunkt der Kirchweih. Die Schausteller freuten sich darauf, und natürlich kamen auch viele Einheimische hinzu, um dem feierlichen Gottesdienst beizuwohnen. Anschließend wurde das Festwochenende, das am Donnerstag begann und am Samstagabend endete, von Markus Bruckner, dem Bürgermeister von St. Johann, mit einem Faßanstich und Freibier für jedermann, im Festzelt eröffnet.

      Alois Kammeier, der Mesner, hatte mit Hilfe einiger Schausteller, am Rande der Wiese einen Altar aufgebaut. Für die Älteren gab es ein paar Sitzgelegenheiten, die anderen standen, als Pfarrer Trenker und die Meßdiener vor die Gemeinde traten.

      Wie es seine Art war, hielt Sebastian die Predigt in einer humorvollen Art, und so manches Schmunzeln glitt über die Gesichter der Gläubigen, aber sie waren auch berührt und ergriffen von den Worten.

      Nach der Messe ging der gute Hirte von St. Johann unter die Leut, begrüßte sie und sprach mit jedem einzelnen von ihnen ein paar Sätze. Die meisten Schausteller kannte Sebastian von früheren Veranstaltungen her, und oft wurde es ein freudiges Wiedersehen. Der Geistliche war bei den Schaustellern nicht weniger beliebt, als bei seinen Schäfchen aus dem Wachnertal.

      Dann strömten die Leute zum Festzelt, das wie immer von Sepp Reisinger betrieben wurde. Auch wenn der große Ansturm erst für den Samstag und Sonntag erwartet wurde, wenn die meisten frei und Zeit hatten, auf den Festplatz zu gehen, so herrschte doch auch jetzt schon reger Andrang. Die Aussicht, ein Freibier zu ergattern, hatte viele den Weg hierher finden lassen und jetzt drängten sie sich vor der Bühne, auf der die Blasmusik ihren Platz hatte. Den samstäglichen Tanz, der sonst auf dem Saal des Hotels stattfand, veranstaltete Sepp Reisinger während der Kirchweih natürlich hier im Zelt, und das gleich an drei Abenden.

      Den ersten Schluck aus dem Maßkrug nahm der Bürgermeister selbst, dann hatte Markus Bruckner alle Hände voll zu tun, die Gläser zu füllen, die ihm gereicht wurden. Der Hotelier unterstützte ihn dabei, und insgeheim rieb sich Sepp schon die Hände über das gute Geschäft, das er wieder machen würde.

      Sebastian Trenker hatte sich auf eine der Bänke gesetzt und sah dem Treiben schmunzelnd zu. Neben ihm hatte Christel Ottinger Platz genommen.

      »Wie geht’s euch denn nun?« erkundigte sich der Bergpfarrer.

      Vorhin, bei der Begrüßung nach der Messe, war natürlich keine Gelegenheit gewesen, ein ausführliches Gespräch zu führen.

      »Danke schön, Hochwürden«, erwiderte das Madl. »Eigentlich gibt’s keinen Grund zum Klagen.«

      Sebastian schaute Christel prüfend an.

      »Eigentlich? Hör’ ich da ein ›Aber‹ heraus...?«

      Die junge Frau hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

      »Na ja, ich weiß gar net, ob’s überhaupt wert ist, daß es erwähnt wird«, sagte sie schließlich. »Aber der Anton Kaiser und seine Familie sind auch da, und ich fürcht’, daß Vater wieder mit ihnen aneinander geraten könnt’. Es wär’ ja net das erste Mal.«

      Der Seelsorger nickte. Er kannte, zumindest zum Teil, die Fehde, die die beiden alten Schausteller seit Jahren ausfochten. Auch wenn keiner mehr so recht wußte, worum es da eigentlich ging, so kamen sich die beiden doch immer wieder ins Gehege, wenn sie sich auf den Festplätzen begegneten.

      »Ich werd’ ein Auge auf die beiden haben«, versprach der Geistliche. »Und wenn’s gar net anders geht, dann werden der Max und seine Kollegen schon eingreifen. Allerdings hoff’ ich, daß es auch ohne geht.«

      In diesem Moment erscholl von draußen lautes Geschrei, das den Lärm im Festzelt sogar noch übertönte. Sebastian war ebenso aufgesprungen wie Christel. Sie liefen durch den seitlichen Ausgang und sahen auch schon, was sich da vor dem Zelt abspielte.

      Wenzel Ottinger und Anton Kaiser kugelten über den Boden des Festplatzes. Keuchend, eng umschlungen, stöhnend und ächzend. Schon waren sie von einer Menge Schaulustiger umringt.

      Der Geistliche, der sich mit der Christel einen Weg durch die Neugierigen gebahnt hatte, versuchte die beiden Kontrahenten auseinanderzubringen.

      »Seid ihr narrisch geworden?« rief er. »Hört sofort auf!«

      Christel beugte sich zu ihrem Vater und zog an ihm.

      »Aufhören!«

      Einer der Umstehenden hatte inzwischen die Polizei gerufen. Max Trenker und sein Kollege kamen herbeigelaufen. Der Bruder des Bergpfarrers fackelte nicht lange. Auf ein Zeichen von ihm packten er und der andere Beamte die Streithähne und schleiften sie kurzerhand über den Boden.

      »Schluß jetzt!« rief Max. »Auf der Stelle! Sonst sperr’ ich euch für den Rest des Tages ein, und morgen verweise ich euch des Platzes. Dann findet die Kirchweih ohne euch statt!«

      Diese Drohung wirkte. Mit gesenkten Häuptern rappelten sich die beiden Schausteller auf und wagten nicht den Blick zu erheben.

      »Was ist denn bloß in euch gefahren?« wandte sich Pfarrer Trenker an die beiden.

      Wenzel Ottinger schnaubte wütend.

      »Der hat angefangen«, sagte er und deutete mit dem Kopf zu seinem Kollegen.

      »Nix da, du Hirsch. Red’ net solch einen Unsinn«, herrschte der Beschuldigte ihn an.

      Er drehte sich zu Max.

      »Auf Ehr’ und Gewissen, der Kerl lügt, wenn er auch nur den Mund aufmacht.«

      »Wie auch immer«, meinte der Polizist bestimmt, »wenn ich euch noch mal auseinander bringen muß, dann ist für euch das Fest vorbei.«

      Anton Kaiser entfernte sich mit einem wütenden Blick auf Christels Vater. Die junge Frau nahm den Karussellbesitzer in den Arm.

      »Vater, warum läßt dich denn immer wieder von ihm provozieren?« fragte sie kopfschüttelnd. »Du weißt doch, daß er nur auf Streit aus ist.«

      Wenzel Ottinger blickte dem anderen hinterher.

      »Eines Tages...«, zischte er, ohne weiter auszuführen, was da geschehen würde.

      Sebastian Trenker nahm den Alten beiseite.

      »Hör’ mal, Wenzel«, sagte er, »so kann’s wirklich net weitergehen. Wo soll denn das noch hinführen? Wenn du und der Anton so weitermacht, könnt ihr euch bald nirgendwo mehr sehen lassen.«

      Der Schausteller zog ein grimmiges Gesicht.

      »Der Teifi soll ihn holen!« stieß er aus und trollte sich.

      Kopfschüttelnd sah der Bergpfarrer ihm hinterher. Christel, die neben ihm stand, hatte Tränen in den Augen. Tröstend legte Sebastian seinen Arm um sie.

      »Paß auf deinen Vater auf«, sagte er. »Und wenn die beiden noch einmal aneinandergeraten, dann kommst’ ins Pfarrhaus. Dann werd’ ich mit den beiden ein ernsthaftes Wort reden, das sie net so schnell vergessen.«

      Während er über den Festplatz zurück zur Kirche ging, war rings um den Geistlichen der Trubel im vollen Gange. Die Fahrgeschäfte hatten geöffnet, Lose wurden verkauft und Zuckerwatte. Musik ertönte aus dem Zelt, und die Menschen vergnügten sich.

      Der gute Hirte von St. Johann blieb einen Moment stehen und schaute auf das Treiben. Es war ein schönes und friedliches Bild, das sich ihm bot.

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