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Glassplittern in Stücke gehackt zu werden, so sollte es mich sehr wundern.«

      Die Herzogin lachte.

      »Ich fürchte mich nicht, Edmund, und du hast keinen Grund, dich wegen dieser vermeintlichen Gefahren aufzuregen.«

      »Der Palast ist nicht nur gefährlich, er ist der reinste Wahnsinn«, entgegnete er. »Als ich vor zwei Tagen in London war, berichtete man mir die allerneueste Idiotie, die sich in dieser Monstrosität abgespielt hat.«

      »Was denn?« fragte Sorilda gespannt.

      Sie wollte so gern den Kristallpalast sehen und hatte bereits den Wunsch geäußert, zu diesem, Zweck nach London zu fahren. Doch die Stieftante hatte unmißverständlich erklärt, das komme nicht in Frage, und hatte ihr kategorisch verboten, in Nuneaton House an der Park Lane zu wohnen. Sorilda fand das schrecklich unfair, denn fast die gesamte Einwohnerschaft von Northampton würde zu der Ausstellung nach London reisen. Aber es überraschte sie nicht besonders, denn sie war sich bewußt, daß die Gefühle der Stieftante ihr gegenüber von Tag zu Tag immer haßerfüllter wurden.

      »Erzähl doch, Onkel Edmund«, bat sie.

      Vor lauter Neugier bemerkte sie nicht, daß ihre Stieftante die Stirn ärgerlich in Falten zog. Die Herzogin fand, daß sich das Mädchen zu sehr in den Vordergrund drängte.

      Doch der Herzog freute sich offenbar über die Gelegenheit, den Kristallpalast noch mehr herabzusetzen, und antwortete bereitwillig: »Man stellte fest, daß die drei großen Ulmen im Querschiff so viele Sperlinge beherbergen, daß die Gefahr bestünde, die kostbaren Ausstellungsobjekte könnten beschmutzt werden.«

      »Warum hat man diese Möglichkeit nicht erwogen und die Bäume im Palast stehen lassen?« wollte Sorilda wissen.

      »Eine gute Frage«, meinte ihr Onkel. »Das Ganze war von Anfang an eine Fehlplanung, und wenn ich mir vor Augen führe, daß ungefähr zweitausend Leute an diesem katastrophalen Projekt gearbeitet haben, muß ich wirklich am gesunden Menschenverstand unserer Nation zweifeln.«

      »Und was ist mit den Sperlingen geschehen, Onkel Edmund?« erkundigte sich Sorilda, um das faszinierende Thema weiterzuverfolgen.

      »Die Königin schlug vor, Lord John Russell hinzuzuziehen, und er erteilte ihr den Rat, die Infanteristen vom Garderegiment in den Palast zu schicken, mit dem Auftrag, die Vögel abzuschießen.«

      »Aber dabei würde doch das Glas zerbrechen.«

      »Das gab auch der Prinz zu bedenken«, erwiderte der Herzog, leicht verärgert, weil sie seiner nächsten Äußerung zuvorgekommen war.

      »Und was hat man getan?«

      »Irgendjemand - ich weiß nicht, wer - verfiel auf die Idee, den Herzog von Wellington zu holen.«

      »Und was sagte der?«

      »Ich glaube, er wandte ein, er sei kein Vogelfänger. Aber auf Befehl der Königin erschien er im Buckingham-Palast.«

      Mühsam widerstand Sorilda der Versuchung, ihren Onkel erneut zu unterbrechen, denn sie ahnte, daß er sich nun der Pointe seiner Geschichte näherte.

      Der Herzog machte eine kleine Pause und warf einen Blick auf seine Frau.

      Dann fuhr er fort: »Soviel ich weiß, äußerte Wellington nur einen einzigen Satz. Versuchen Sie es mit Falken, Ma’am.‘«

      Sorilda klatschte in die Hände.

      »Oh, wie schlau!«

      »Und was geschah?« fragte die Herzogin, weil sie fühlte, daß das von ihr erwartet wurde. Offensichtlich mangelte es ihr an Interesse, wie immer, wenn sich ein Gespräch nicht um ihre Person drehte.

      Der Herzog lachte kurz auf.

      »Angeblich flog die ganze Sperlingsschar aus dem Kristallpalast und wurde nie wieder gesehen.«

      Auch Sorilda lachte und freute sich, weil ihr Onkel jetzt in besserer Stimmung war, nachdem er diese amüsante Episode geschildert hatte. Für eine kleine Weile war Winsford vergessen.

      Die Herzogin erhob sich.

      »Du hast doch sicher etwas Besseres zu tun, als am Frühstückstisch herumzusitzen, Sorilda«, bemerkte sie mißmutig. »In meinem Boudoir wartet Arbeit auf dich. Komm mit mir, ich werde dir die nötigen Anweisungen geben.«

      Sorilda hatte ihren Kaffee noch nicht ausgetrunken, wußte jedoch, daß es unklug gewesen wäre, darauf hinzuweisen. Gehorsam folgte sie ihrer Stieftante aus dem Zimmer und bemerkte, wie anmutig ihre Krinoline von der schmalen Taille herabschwang. Sie ärgerte sich maßlos, weil Iris ihr nicht erlaubte, unter ihrem eigenen Kleid ein Fischbeingestell zu tragen, das breiter war als zwei Fuß.

      Unglücklicherweise war die Herzogin gerade in dem Moment ins Leben ihrer Stiefnichte getreten, als diese dringend ein paar neue Kleider brauchte, da sie aus den alten herausgewachsen war. Sorilda hatte beabsichtigt, nach London zu fahren und sich eine neue Garderobe zu besorgen, auch einige Hüte in dem Stil, der von Königin Victoria in Mode gebracht worden war.

      Wegen der überraschenden Hochzeit des Herzogs hatte sie darauf verzichten müssen. Seit die neue Herzogin im Schloß regierte, durfte Sorilda nichts ohne die Billigung ihrer Stieftante kaufen.

      »Ich habe meine Kleider immer selbst ausgesucht«, protestierte sie.

      »Du mußt mir schon zugestehen, daß ich weiß, was am besten für dich ist«, lautete die energische Antwort.

      Wie Sorilda bald herausfand, befand Iris es für sie am besten, sich möglichst unvorteilhaft zu kleiden. Sorilda durfte nur noch Kleider in einem häßlichen Braunton tragen, der sie blaß wirken ließ, oder in einem Grau, in dem sie sich wie ein Gespenst fühlte. Es wäre sinnlos gewesen, den Herzog um Hilfe zu bitten, denn er stand völlig unter dem Einfluß seiner jungen Gemahlin und stimmte allen ihren Vorschlägen zu.

      Nicht nur durch die Wahl der Garderobe versuchte die Herzogin die äußere Erscheinung des Mädchens zu ändern. Sorilda war sehr erstaunt, als die Zofe ihrer Stieftante eines Abends vor dem Dinner zu ihr ins Schlafzimmer kam, eine hagere, unsympathische Frau, die ihrer Herrin alles zutrug, was sich in Dienstbotenkreisen ereignete.

      »Guten Abend, Harriet!« rief Sorilda und wartete auf eine Erklärung für den unerwarteten Besuch.

      »Ihre Gnaden hat mich beauftragt, Sie in einem neuen Stil zu frisieren, Miss.«

      »Ich bin sehr zufrieden mit meiner jetzigen Frisur.«

      Harriet nahm sich nicht einmal die Mühe zu antworten. Und da Sorilda wußte, daß sie einen Befehl befolgen mußte, setzte sie sich an den Toilettentisch. Die Zofe brachte einen Porzellantopf zum Vorschein, den Sorilda mißtrauisch betrachtete, und erklärte: »Ihre Gnaden findet, daß Ihr Haar zu trocken wirkt, Miss.«

      Sie öffnete den Topf und begann Pomade in die rötlichen Locken zu streichen.

      Die neue Frisur bestand aus einem straffen Knoten am Hinterkopf und kleinen, unkleidsamen Schlaufen über den Ohren. Sorilda schwieg, aber sie wußte ganz genau, was ihre Stieftante bezweckte, und fühlte sich ihr hilflos ausgeliefert. Erst als sie in aller Ruhe über ihre Situation nachdachte, kam ihr zu Bewußtsein, wie nachhaltig es ihr verwehrt wurde, jemanden zu treffen oder irgendwohin zu gehen. Sie verbrachte ihr Leben nur noch im Schloß, und es gab keine Fluchtmöglichkeit.

      Wann immer Gäste erwartet wurden, verhinderte Iris unter einem Vorwand, daß ihre Stiefnichte zum Dinner hinunterkam. So sagte sie etwa in Gegenwart des Herzogs: »Wir haben einen Herrn zu wenig und deshalb keinen Tischgefährten für dich, liebes Kind. Also wirst du heute ausnahmsweise allein speisen müssen. Dafür hast du doch sicher Verständnis.«

      Das geschah auch bei den Lunchpartys. Und sosehr es Sorilda auch drängte, sich zu wehren, so wußte sie doch, daß die Stieftante auf alles eine Antwort finden würde und der Unterstützung des Herzogs gewiß sein konnte.

      Allmählich gewann sie den Eindruck, auf Lebenszeit in ein Gefängnis gesperrt zu werden. Manchmal, wenn die Herzogin besonders unausstehlich

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