ТОП просматриваемых книг сайта:
MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2). Robert Mccammon
Читать онлайн.Название MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2)
Год выпуска 0
isbn 9783958352315
Автор произведения Robert Mccammon
Жанр Языкознание
Серия Matthew Corbett
Издательство Bookwire
Sanft berührte Matthew Woodwards Hand – und sprang sofort einen Schritt zurück. Denn obwohl die Hand des Richters warm war, fühlte sich die Haut beunruhigend feucht und wächsern an. Woodward stöhnte leise, seine Augenlider zuckten, aber er wachte nicht auf. Matthew ging rückwärts zur Tür. Die Angst wollte ihn nicht loslassen. Leise verließ er das Zimmer und schlich in den Flur hinaus.
Er folgte dem Geräusch von auf Teller kratzendem Besteck nach unten und fand Bidwell am gedeckten Esstisch vor. Der Herrscher der Stadt machte sich über ein aus Maisfladen, Bratkartoffeln und Knochengelee bestehendes Frühstück her. »Aha, hier ist ja unser Gerichtsdiener an diesem wunderschönen Morgen Gottes!«, sagte Bidwell und stopfte sich mehr Essen in den Mund. Er trug einen pfaublauen Anzug, ein mit Rüschen besetztes Hemd, und eine seiner am üppigsten frisierten, lockigsten Perücken.
Mit einem Becher Apfelbier spülte er das Essen die Kehle hinunter und deutete mit dem Kopf auf den Platz am Tisch, der für Matthew gedeckt worden war. »Setzt Euch und esst!«
Matthew nahm die Einladung an. Bidwell schob ihm einen Teller mit Maisfladen hin, von denen Matthew zwei mit dem Messer aufspießte. Der Teller mit dem Knochengelee folgte.
»Mrs. Nettles hat mir gesagt, dass Ihr nicht in Eurem Zimmer wart, als sie klopfte.« Bidwell aß, während er sprach, und verlor dabei ein paar halbgekaute Brösel aus dem Mund. »Wo seid Ihr denn gewesen?«
»Draußen«, antwortete Matthew.
»Draußen«, sagte Bidwell sarkastisch. »Dass Ihr draußen wart, weiß ich wohl. Aber wo und warum?«
»Ich bin hinausgegangen, als ich sah, dass die Schule brannte. Und dann bin ich den Rest der Nacht draußen geblieben.«
»Aha. Drum seht Ihr so schlecht aus!« Bidwell wollte gerade eine Kartoffel mit dem Messer aufspießen, hielt aber mitten in der Luft inne. »Moment mal.« Er verengte die Augen. »Was für einen Unfug habt Ihr getrieben?«
»Unfug? Ihr vermutet gleich das Schlimmste, wie mir scheint.«
»Das mag Euch so scheinen, aber ich weiß es. In wessen Stall habt Ihr Euch dieses Mal herumgetrieben?«
Matthew schaute ihm in die Augen. »Ich bin natürlich wieder in den Stall des Schmieds gegangen.«
Ein tödliches Schweigen entstand. Dann lachte Bidwell auf. Sein Messer versenkte sich in der Kartoffel. Er nahm sie vom Teller und schob Matthew den Rest der gebratenen Erdäpfel hin. »Na, Ihr seid heute aber voller Witze, was? Ich weiß ja, dass Ihr jung und ein Narr seid, aber närrisch genug, um wieder in Hazeltons Stall zu gehen, seid Ihr nicht! Nein, Sir! Der Mann würde sich Euch vorknöpfen!«
»Nur, wenn ich eine Stute wäre«, sagte Matthew leise und biss in einen Maisfladen.
»Was?«
»Ich sagte … dass ich mich besser in Acht nehme. Vor Hazelton, meine ich.«
»Jawohl. Das ist das Klügste, das Ihr bisher von Euch gegeben habt!« Bidwell aß weiter, als würde es am nächsten Tag nichts mehr geben. »Und Euer Rücken. Wie geht es dem?«
»Tut noch etwas weh. Aber es geht.«
»Na dann, esst auf. Ein voller Bauch lässt alle Schmerzen verschwinden. Das hat mein Vater immer gesagt, als ich so alt war wie Ihr. Allerdings habe ich in Eurem Alter schon längst vierzehn Stunden am Tag im Hafen gearbeitet, und wenn ich mir eine Birne klauen konnte, war ich glücklich wie ein Lord.« Er verstummte, um einen Schluck zu trinken. »Habt Ihr jemals in Eurem Leben einen ganzen Tag lang gearbeitet?«
»Körperlich gearbeitet, meint Ihr?«
»Was für Arbeit gibt es denn sonst für einen jungen Mann? Natürlich körperlich! Habt Ihr jemals schweißgebadet versucht, einen Stapel schwere Kisten um zwanzig Fuß zu versetzen, weil der Bastard, der das Sagen hat, damit droht, dass es sonst was setzt? Habt Ihr schon mal an einem Seil gezogen, bis Euch die Hände geblutet und die Schultern geknackt haben, bis Ihr wie ein Säugling geheult habt – aber wusstet, dass Ihr weiter ziehen müsst? Habt Ihr jemals auf den Knien ein Schiffsdeck mit der Scheuerbürste geschrubbt und es gleich darauf noch mal geschrubbt, weil dieser Bastard, der das Sagen hat, draufgespuckt hat? Na? Habt Ihr das?«
»Nein«, entgegnete Matthew.
»Tja!« Bidwell nickte grinsend. »Ich aber. Und zwar oft! Und ich bin verdammt stolz darauf! Wisst Ihr, warum? Weil es mich zum Mann gemacht hat. Und wisst Ihr, wer der Bastard gewesen ist, der das Sagen hatte? Mein Vater. Jawohl, mein Vater; Gott hab ihn selig.« Er spießte mit solcher Wucht eine Kartoffel auf, dass Matthew für einen Moment dachte, das Messer würde auch den Teller und den Tisch durchstechen. Bidwells Zähne knirschten, als er kaute.
»Euer Vater klingt sehr streng«, sagte Matthew.
»Mein Vater«, gab Bidwell zurück, »hat sich genau wie ich aus dem Straßenschmutz Londons hochgearbeitet. Meine erste Erinnerung an ihn ist der Geruch des Flusses. Und er hat alle Docks und alle Schiffe gekannt. Er hat als Schauermann angefangen, aber er besaß ein Talent für die Holzarbeit und konnte Schiffsrümpfe so gut wie die besten Schiffsbauer flicken. So hat alles angefangen: hier ein Schiff, da ein Schiff. Dann immer mehr, bis er sein eigenes Trockendock besaß. Ja, er ist streng gewesen – aber er war sich selbst gegenüber genauso hart.«
»Dann habt Ihr Euer Unternehmen also von ihm geerbt?«
»Geerbt?« Bidwell warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Ich habe von ihm nichts als Elend geerbt! Als mein Vater sich ein Wrack zum Ausschlachten ansah – etwas, das er bestimmt schon ein dutzend Mal getan hatte –, sind ein paar verrottete Bretter unter seinen Füßen weggebrochen und er ist in die Tiefe gestürzt. Das hat ihm die Knie zertrümmert. Dann hat der Wundbrand eingesetzt, und um ihn nicht daran sterben zu lassen, hat der Arzt beide Beine amputiert. Ich war damals neunzehn Jahre alt und auf einmal nicht nur für meinen invaliden Vater verantwortlich, sondern auch für meine Mutter und meine beiden jüngeren Schwestern, von denen eine so kränklich war, dass sie wie ein Skelett aussah. Tja, und dann habe ich schnell gemerkt, dass mein Vater ein sehr schlechter Buchhalter war. Die Unterlagen über das Einkommen und die Schulden waren ein einziges Durcheinander, soweit sie überhaupt zu finden waren. Dann kamen die Gläubiger. Die nahmen an, dass die Werft nun verkauft werden würde, weil mein Vater ja bettlägerig geworden war.«
»Aber Ihr habt sie nicht verkauft?«, fragte Matthew.
»Oh, ich habe sie verkauft. An den Meistbietenden. Mir blieb ja keine Wahl, so wie die Geschäftsunterlagen aussahen. Mein Vater hat wie ein Tiger gewütet. Er hat mich einen Idioten und einen Schwächling genannt, und geschworen, dass er mich bis an sein Lebensende und in den Tod hinein hassen würde, weil ich sein Unternehmen zerstört hatte.« Bidwell verstummte kurz, um einen Schluck zu trinken. »Aber ich habe alle Schulden bezahlt und die Rechnungen beglichen. Ich habe dafür gesorgt, dass wir was zu Essen und meine Schwester Arzneimittel hatte. Und dann habe ich gesehen, dass noch ein bisschen Geld übrig war. Ein kleines Schiffszimmermannunternehmen suchte nach Investoren, um zu expandieren. Ich beschloss, jeden Shilling, den ich besaß, zu investieren, damit ich Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen haben konnte. Unser Name war natürlich schon bekannt. Die größte Schwierigkeit, vor der ich zuerst stand, war, noch mehr Geld aufzutreiben. Das habe ich dann besorgt, indem ich alles Mögliche gearbeitet und auch mal beim Kartenspiel geblufft habe. Als Nächstes musste ich die Geschäftspartner loswerden, die keine Zukunftsvision hatten. Jene, die sich von Vorsicht leiten ließen und nie wagten, zu gewinnen, weil sie Angst vor dem Verlieren hatten.«
Bidwell kaute mit halbgeschlossenen Augen das Knochengelee. »Leider stand der Name einer dieser Männer über der Tür angeschlagen. Er sah immer nur die kleinen Details, während ich ein Bild vom Ganzen hatte. Er dachte an Schiffsschreinerei, während ich Schiffbau vor Augen hatte. Und so wusste ich, dass er zwar noch das Ruder in den Händen