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steckte und schaute sie freundlich an. Unwillkürlich erinnerte er Maja stark an den Taxifahrer in Kufstein … Aber das war natürlich Unsinn. Außerdem sprach der Mann nicht tirolerischen Dialekt, sondern echtes Bayrisch.

      »Eine Bratwurst mit scharfem Senf und dazu eine Semmel«, bestellte Maja kurz entschlossen und bestellte sich gleich noch eine Cola dazu. Wer wusste, wann sie wieder Gelegenheit bekäme, etwas zu sich zu nehmen.

      Die braun gebratene Wurst und das knusprig frische Brötchen schmeckten ausgezeichnet. Man mochte über fast food meckern, soviel man wollte – es gab auch hin und wieder Ausnahmen, die zu genießen sich Maja ab und zu durchaus gönnte.

      Sie leckte sich den Senf von den Fingern und weil sie so verlockend aussahen, bestellte sie sich anschließend eine von den auf einem Holzgestell aufgefädelten, braunen Brezeln mit leckeren Salzkrümeln, die Bernd immer abstreifte, während sie ganz wild darauf war …

      »Ham’ ma a zünftige Bergtour g’macht, Fräulein?«, erkundigte sich der Trachtenhut-Opa und deutete auf den Tourenrucksack, den Maja während des Essens neben sich abgestellt hatte.

      »Nein, leider nicht!«

      Obwohl es einen Fremden ja eigentlich nichts anging, fand Maja den neugierigen Mann doch sehr nett und freundlich. So erzählte sie ihm von dem verpatzten Urlaub und ihrer kranken Tante, um die sie sich kümmern wollte.

      »Das ist aber schön von Ihnen, junge Frau, dass Sie so ein gutes Herz haben!«, meinte der Bratwurstverkäufer. »Das findet ma’ heut’ nimmer oft!«

      Als es ans Bezahlen ging, schob er Maja augenzwinkernd eine zweite Brezel über den Tresen zu – ohne sie zu berechnen: »Damit S’ net zu dünn werden vor lauter Sorg’ um die Frau Tante!« Bekümmert zog er dabei seine Stirn in besorgte Dackelfalten. Etwas, das Maja ziemlich erheiterte, aber gleichzeitig auch irgendwie anrührte.

      Noch genüsslich kauend begab sie sich zum Taxistand außerhalb des Bahnhofsgebäudes. Sie war unruhig und wollte jetzt so schnell wie möglich zu Claudia. Sie empfand ein ungutes Gefühl – obwohl ihr Verstand ihr immer wieder sagte, es sei übertrieben, ihre Tante für akut gefährdet zu halten: Wäre dies der Fall, hätten die Ärzte sie wohl kaum aus der Klinik entlassen.

      »Es handelt sich nur darum, dass es für Claudia noch zu früh ist, allein ihren ganzen Haushalt zu bewältigen. Ich werde ihr dabei helfen. Nur deshalb bin ich hergekommen«, sagte sie sich immer wieder vor, während sie auf ein auf der Bahnhofnordseite wartendes Taxi zusteuerte.

      Sie ließ sich neben einem hübschen, jungen, sehr südländisch aussehenden Taxifahrer nieder und nannte ihm als Fahrtziel die Schwabinger Elisabethstraße.

      Der junge Mann hatte gegrinst, als er den schweren Rucksack in den Kofferraum wuchtete.

      »Sie haben wohl eine Bergtour gemacht? Ganz allein?«, wollte er wissen.

      Maja winkte ab. »Eigentlich waren wir zu viert! Da wurde meine Tante plötzlich krank. So habe ich den Urlaub abgebrochen und bin gleich von Österreich hierher gefahren!« Schon wieder ertappte sie sich dabei, dass sie einem Wildfremden ihre Geschichte erzählte …

      Der Fahrer schien verwundert. »Bei uns Kurden würde ich das als eine Selbstverständlichkeit erwarten!«, meinte er anerkennend. »Wir halten die Familie sehr hoch, aber bei den Deutschen schien sie mir bisher keine so große Geltung zu haben. Jedenfalls habe ich noch nie erlebt, dass die Solidarität so weit geht, dass jemand den eigenen Urlaub abbricht, nur weil eine Tante – oder ein Onkel – erkrankt ist!«

      Der gut aussehende kurdische Fahrer lächelte Maja überrascht an.

      Die Fahrt in den Münchner Stadtteil Schwabing dauerte nicht allzu lange und – bis auf ein paar Belanglosigkeiten – schwieg Maja die meiste Zeit. Ihre Gedanken weilten in den österreichischen Bergen bei Bernd Hoferrichter, Peter Daubner und Tina Maurer. Was die drei wohl gerade machten?

      »Ob Bernd mich überhaupt vermisst?«

      In letzter Zeit waren ihr hin und wieder Zweifel gekommen, ob Bernd wirklich noch großes Interesse an ihr, beziehungsweise an ihrer gegenseitigen Verbindung hatte. Seine Aufmerksamkeit hatte nachgelassen und seine Zärtlichkeiten waren spürbar weniger geworden.

      »Sogar Blumen bringt er mir seltener als früher!«

      Manchmal hegte Maja die Befürchtung, nach der langen Zeitspanne intensiven Zusammenseins habe sich der »normale Alltag« bereits so weit eingeschlichen, dass sie beide einem Ehepaar glichen, das allmählich in die Jahre kam …

      Als sie kürzlich Bernd daraufhin angesprochen hatte, war er allerdings ärgerlich geworden, hatte ihr vehement widersprochen und behauptet, sie bilde sich das lediglich ein. Maja war es vorgekommen, als habe er gar nicht begriffen, was sie ihm eigentlich hatte sagen wollen.

      »Und wie steht es mit mir?«, stellte sie sich jetzt selbst die berühmte Gretchenfrage. ‚Bin ich noch so rasend verliebt in Bernd wie am Anfang unserer Beziehung?«

      Der Ehrlichkeit halber musste sie zugeben, dass der anfängliche Rausch zwar nicht gänzlich verflogen, aber mittlerweile doch ziemlich gedämpft war.

      Als sie darüber nachdachte, tat ihr dieser Sachverhalt allerdings keineswegs leid. Im Gegenteil! Ihre Gefühle gegenüber Bernd hatten sich im Laufe der Zeit sogar intensiviert und damit eine breitere Basis gewonnen im Vergleich zur anfänglichen blinden Verliebtheit.

      Für sie war jedenfalls klar, dass Bernd und sie für immer zusammen gehörten. Er war der Mann ihres Lebens! Darüber hinaus war sie sicher, dass ihre Liebe zu ihm auch imstande wäre, stärkere Krisen zu überwinden. Warum fiel es ihr nur so schwer, ihm das Gleiche zuzutrauen?

      Aber stimmte es denn auch wirklich – oder machte sie sich nur etwas vor?

      »Doch, ja, es ist die Wahrheit. Sollte er wider Erwarten doch einmal – was Gott verhüten möge! – »ausrutschen« und in eine Affäre mit einer anderen Frau »hineinstolpern«, wäre ich in der Lage, ihm zu verzeihen – natürlich erst nach einer gewissen Zeit – und mein Leben weiterhin mit ihm zu teilen«, überlegte sie im Stillen. Dass sie selbst sich der Untreue schuldig machen könnte – diese Möglichkeit schloss sie allerdings kategorisch als Ding der Unmöglichkeit aus.

      Der Fahrer, der bemerkt zu haben schien, dass sein Fahrgast lieber schweigen wollte und in Gedanken versunken war, hatte die ganze Zeit über den Mund gehalten. So viel an Menschenkenntnis hatte er bereits erworben, dass er die Bedürfnisse seiner Kunden erkannte und ihnen Rechnung trug. Aber nun war die Fahrt beendet.

      »So, da sind wir!«, hörte Maja neben sich die sympathische Stimme des kurdischen Taxifahrers.

      Im ersten Augenblick stutzte die junge Lehrerin, fand jedoch sofort in die Gegenwart zurück. Sie riss sich zusammen, bezahlte die Rechnung, stieg aus und ließ sich ihren Rucksack von dem gut aussehenden, schwarzäugigen Fahrer, der etwa einen ganzen Kopf größer war als sie, aus dem Kofferraum holen.

      Dass der freundliche Fremde ihr für die Zukunft alles Gute und ihrer Tante gute und baldige Genesung wünschte, freute sie zwar – auch wenn sie sich absolut nicht daran erinnern konnte, ihm überhaupt von Claudias Gesundheitszustand erzählt zu haben. Oder irrte sie sich?

      Dann fiel ihr ein, dass er ein Medizinstudium in München erwähnt hatte, zu dessen Finanzierung er die Semesterferien benutzte, um als Taxifahrer Geld zu verdienen. Vielleicht hatte sie ihm im Anschluss daran vom Schlaganfall ihrer Tante erzählt? Zu erinnern vermochte sie sich allerdings nicht …

      Während sie Anstalten machte, auf die Haustür zuzugehen, rief sie ihm ihrerseits noch gute Wünsche, sein Studium betreffend, zu, als er erneut in den cremefarbenen Wagen stieg.

      Obwohl heller Tag war, wartete der junge Mann, bis Maja hinter der schweren Tür verschwunden war. Erst dann gab er Gas und fuhr davon. Das konnte sie schmunzelnd erspähen, als sie sich unbewusst noch einmal umdrehte, ehe die schwere Haustür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Gleich darauf hatte sie den kurdischen Studenten aber auch schon wieder vergessen.

      Als sie die vier Stockwerke des grundsolide gebauten,

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