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er jedoch immer Zeit, sich ihre Probleme anzuhören.

      Aber Frauen langweilten ihn, es sei denn, er mußte um ihre Zuneigung kämpfen und konnte mit ihnen flirten.

      Es war also seine eigene Entscheidung, daß er auf die Unterhaltungen mit Batley angewiesen war und auf den Austausch von Höflichkeiten mit Mr. Knightley, dem Aufseher des Colonel.

      Und nun war, völlig unerwartet, eine Frau aufgetaucht, die das Interesse des Grafen wachgerüttelt hatte. Und ohne es zu wollen, hätte Giselda ihm keinen größeren Gefallen tun können als durch ihre geheimnisvolle und rätselhafte Ausstrahlung.

      Der Graf war an Frauen gewöhnt, die ihm von sich erzählten, lange bevor er sie darum gebeten hatte. Und gerade deshalb war es nicht nur Mitleid, was er mit Giselda wegen ihrer Unterernährung empfand. Sie interessierte ihn als Mensch.

      Was konnte die Ursache dafür sein, daß ein Mädchen, das so offensichtlich aus gutem Hause kam — und ihre Ausdrucksweise und Benehmen waren ein Zeugnis davon - fast am Verhungern war? Und nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter und ihr Bruder.

      Wodurch waren sie so verarmt? Es schien ja nicht einmal Verwandte oder Freunde zu geben, die ihnen wenigstens ein Dach über dem Kopf hätten anbieten können.

      Anstatt Giseldas Vorschlag, ein wenig zu schlafen, Folge zu leisten, lag der Graf wach in seinem Bett und dachte über das Mädchen nach.

      ,Ich wette, es wird sich als ganz gewöhnliche Geschichte herausstellen‘, dachte er bei sich. ,Karten, Frauen, Alkohol. Welchen Grund gibt es sonst, daß eine Familie nach dem Tode des Mannes in solche Armut versinkt?‘

      Obwohl er über sein Interesse an dem Mädchen lachen mußte, konnte er doch nicht ableugnen, daß er außergewöhnlich neugierig war, mehr über sie zu erfahren. Er stellte fest, daß der Nachmittag entsetzlich langsam verging.

      Er bemerkte sofort, daß sie sich umgezogen hatte. Sie trug jetzt ein Kleid, das zwar eleganter aber ebenso altmodisch war wie das erste.

      In der einen Hand trug sie einen Korb, über den anderen Arm hatte sie einen Schal gehängt. Die kleine Mütze, die sie trug, paßte zu der Farbe ihrer Augen. Zum ersten Mal dachte der Graf, daß sie sehr hübsch sein müßte, wenn sie nicht gar so dünn wäre.

      „Es tut mir leid, Mylord, daß ich so lange fort war. Aber ich habe die Zutaten für die Salbe erst kaufen müssen“, entschuldigte sie sich. „Aber ich habe sie jetzt bei mir. Ich bin sicher, Sie werden sich wohler fühlen, wenn wir das Bein damit behandelt haben.“

      „Ich habe mich schon gefragt, wo du so lange bleibst.“

      „Darf ich jetzt bitte Ihr Bein versorgen?“ fragte Giselda. „Wenn Sie dann nichts mehr für mich zu tun haben, könnte ich nach Hause gehen.“

      „Ich erwarte, daß du mit mir zu Abend ißt!“

      Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte Giselda leise: „Ist das wirklich nötig? Sie haben mich bereits zum Lunch eingeladen. Und da man mir in der Küche berichtet hat, daß Sie gewöhnlich nicht so viel während des Tages essen, nehme ich an, daß Sie mir einen Gefallen tun wollten.“

      Obwohl sie ihm sehr dankbar war, bemerkte der Graf doch, daß sie seine Großzügigkeit ablehnte, einfach, weil sie ihren Stolz verletzte.

      „Hungrig oder nicht“, sagte er, „du wirst mit mir essen. Ich bin es müde, immer allein zu speisen.“

      „Darf ich Eure Lordschaft darauf hinweisen, daß Sie viele Freunde haben, die sich viel eher als passende Gesellschaft für Sie eignen?“

      „Willst du schon wieder mit mir streiten?“ fragte der Graf.

      „Ich fürchte, ja. Ich habe nicht angenommen, daß Eure Lordschaft meine Dienste noch zu so später Stunde benötigen.“

      „Hast du eine andere Verabredung - vielleicht ein schöner junger Mann, der auf dich wartet?“

      „Es ist nichts dergleichen.“

      „Willst du mich wirklich glauben machen, daß du nur deshalb so eilig fortgehen willst, um zu deiner Mutter und deinem Bruder zu kommen?“

      Als Giselda keine Antwort gab, sagte der Graf gereizt: „Ich habe dich etwas gefragt, ich erwarte eine Antwort!“

      „Eure Lordschaft haben mich angestellt, um mich um Ihr Bein zu kümmern und Sie zu pflegen“, erwiderte Giselda nach einigen Augenblicken. „Ich bin immer noch eine Dienstmagd, Mylord.“

      „Und als eine solche solltest du lernen, den Anordnungen Folge zu leisten“, war die Antwort des Grafen. „Wenn ich vielleicht so exzentrisch oder eigen bin - du magst es nennen, wie du willst - und den Wunsch habe, mit einem meiner Diener zu Abend zu essen, so sehe ich keinen Grund, warum sie sich einem solchen Befehl widersetzen sollten.“

      „Ja, Mylord. Aber Sie müssen zugeben, daß dies sehr ungewöhnlich ist.“

      „Woher willst du wissen, ob es für mich auch so ungewöhnlich ist“, erwiderte der Graf. „Du weißt nichts von mir, und ich weiß nichts von dir. Wir haben uns heute das erste Mal gesehen. Zweifellos wirst du vorher noch nie von mir gehört haben.“

      „Selbstverständlich habe ...“ Giselda brach ganz plötzlich ab.

      Der Graf sah sie scharf an.

      „Sprich diesen Satz zu Ende!“

      Aber Giselda antwortete nicht.

      „Du wolltest sagen, daß du selbstverständlich schon von mir gehört hast. Aber wie sollte das möglich sein?“

      Wieder herrschte für einige Augenblicke Stille. Dann sagte Giselda, und es klang, als würden die Worte schwer über ihre Lippen kommen: „Sie ... sind sehr ... berühmt. Ich glaube, jedermann hat schon von Ihnen gehört. Genauso wie jeder schon ... vom Duke of Wellington gehört hat.“

      Der Graf wußte wohl, daß dies keine ehrliche Antwort war, jedoch wollte er nicht weiter in sie dringen. Er sagte deshalb lediglich: „Nun gut, ich gebe zu, daß ich bekannt bin. Aber das ist doch kein Grund, daß du dich weigerst, mit mir zu Abend zu essen.“

      Giselda stellte den Korb auf den Tisch.

      „Was ich sagen will, Mylord, ist lediglich, daß ich es als Ihre Angestellte unpassend finde, eine besondere Stellung in Anspruch zu nehmen.“

      „Und du glaubst, daß ich dir eine solche anbiete?“

      „Nein, nicht direkt, Mylord,... aber ...“

      „Ich möchte eines klarstellen“, sagte der Graf daraufhin. „Ich fühle mich nicht an allerhand Regeln der Konvention gebunden, die vielleicht in vielen Häusern gelten, aber bestimmt nicht in diesem. Wenn ich wünsche, mein Dinner in Gesellschaft eines der Küchenmädchen einzunehmen, sehe ich keinen Grund, warum diese sich weigern sollte heraufzukommen. Obwohl ich glaube, daß sie genauso wenig Vergnügen daran findet wie ich.“

      Er sah Giselda ins Gesicht und fuhr fort: „Und was dich betrifft, so bist du eingestellt worden, um dich um mich zu kümmern. Sei es nun, daß mein Bein verbunden werden muß oder daß ich Gesellschaft benötige bei den unangenehmen Mahlzeiten, die ich unglücklicherweise im Bett zu mir nehmen muß.“ Seine Stimme klang hart und streng, als er fortfuhr: „Es ist einzig und allein meine eigene Entscheidung, was ich tun will oder was nicht. Und ich sehe keinen Grund, warum sich irgendeiner meiner Angestellten, ob Mann oder Frau, meinen Wünschen widersetzen sollte.“

      Diese Art zu sprechen war bei denen, die schon länger in den Diensten des Grafen standen, wohl bekannt. Und Giselda kapitulierte genau wie diese es getan hätten.

      Sie knickste.

      „Sehr wohl, Mylord. Wenn Sie gestatten, werde ich meinen Hut ablegen und etwas heißes Wasser herrichten, damit ich mich Ihrem Bein widmen kann.“

      „Je schneller, desto besser“, war die trockene Antwort.

      Giselda verließ das Zimmer. Als er allein war, lächelte der Graf in sich hinein.

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