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auf die Schulter klopfte, »jung, kräftig, aus gutem Hause, unterrichtet und gelehrig. Sie werden einen vorzüglichen Diener an ihm haben, Zamira Ben Oporte, und solch' ein Gesicht zu sehen, ist auch angenehmer als das eines Negers.«

      Zamira erwiderte nichts, sondern begnügte sich die angebotene Waare zu prüfen. Sie untersuchte den Arm, sie besah, wie bei einem Pferde, die Zähne und klopfte auf Nahum's Brust. Endlich nickte sie und verlangte den Preis zu wissen. Nach langem Handeln wurden sie einig. Die Wittwe bezahlte, und eine Stunde später wurde der neue Sklave in ihrem Hause abgeliefert.

      Zamira war die Wittwe eines reichen Kaufherrn. Sie handelte mit orientalischen Stoffen, Pantoffeln, Schmuckgegenständen, Pfeifen und Waffen, und besass drei Schiffe, die abwechselnd auf dem schwarzen Meer, dem Mittelmeer und nach Indien segelten.

      Es machte sie von Anfang ungeduldig, dass Nahum nur wenig arabisch verstand, sie wollte ihn in ihrem Kaufladen beschäftigen und musste sich vorläufig damit begnügen, ihn den Lastträgern beizugesellen, welche die Waarenballen in ihrem Hause abluden und in den Magazinen aufstapelten.

      Es regte sich jedoch noch eine Empfindung in dem stolzen Herzen des schönen Weibes, welche Zamira gegen Nahum aufbrachte. Sie war böse auf sich selbst, weil sie mehr und mehr an ihrem Sklaven ein Wohlgefallen fand, das ihr unwürdig und verächtlich erschien.

      Und er? Er hatte nur einmal ihre schlanke, elastische Gestalt, ihr edles, feingeschnittenes Gesicht unverhüllt gesehen, und seitdem gehörte er ihr, auch ohne dass sie ihn gekauft hätte, seine Phantasie beschäftigte sich Tag und Nacht mit ihr, und ihre Nähe versetzte ihn jedesmal in eine unbeschreibliche Verwirrung.

      Eines Tages rief ihn Zamira in ihr Gemach und kündigte ihm an, dass er fortan im Hause zu bleiben und sie selbst zu bedienen habe. Nahum sah mit einem wollüstigen Schauer das schöne Weib, das in einem langen Pelz von grünem, silberdurchwirkten persischen Stoff in den rothseidenen Kissen ruhte und die schwarzen, bösen Augen auf ihn geheftet hatte. Sie befahl ihm, ihr die kleinen, goldgestickten Pantoffel anzuziehen und nachdem dies geschehen war, ihr den Kaffee zu bringen.

      Nahum gehorchte, aber in seiner Verwirrung stolperte er auf dem Teppich und vergoss den duftenden Mokka.

      »Du bist ungeschickt«, rief Zamira zornig, »man muss Dich zuerst abrichten, wie ich sehe.«

      Sie erhob sich und ergriff die Peitsche, die stets für ungehorsame Sklaven bereit lag. Nahum warf sich vor ihr auf die Knie nieder und kreuzte die Arme auf der Brust, aber seine Demuth entwaffnete sie nicht. Zamira schwang die Peitsche und traf ihn wiederholt mit grausamer Energie.

      Plötzlich warf sie dieselbe weg und hiess ihn gehen. Dann warf sie sich unmuthig in die Kissen zurück und nagte an den Nägeln ihrer kleinen Hand. Sie war unzufrieden mit sich selbst, sie schämte sich, während er die Stelle an seinem Arm küsste, wo ihn ihre Peitsche getroffen hatte.

      An demselben Abend war der Mond in sein erstes Viertel eingetreten. Als es dunkel war, hüllte sich Zamira in Pelz und Schleier und ging hinaus in den Garten. Die schöne Lewana schwebte bereits an dem tiefblauen Himmel. Ihr holder tröstender Schimmer hatte auch Nahum herausgelockt. Er sass unter einem Oelbaume, vor ihm war ein kleiner Grasplatz mit Anemonen, Skabiosen und Schwertlilien bedeckt, weiter hinaus standen Orangen- und Zitronenbäume und schimmerte das Meer. Um ihn war die Stille der Nacht und der balsamische Duft des Orients. Nahum erinnerte sich der schönen Mythe, welche der Talmud erzählt.

      »Als der Schöpfer die beiden Himmelslichter vollendet und eingesetzt hatte, näherte sich ihm der Mond und sprach: »Herr! es ist doch nicht schicklich, dass zwei Diener den gleichen Rang haben, lass mich um etwas grösser und leuchtender sein als die Sonne.« Das erzürnte Gott und er erwiderte: »Da Du Dich über Deinen Gesellen erheben willst, sollst Du vielmehr erniedrigt werden. Du sollst von nun an kleiner sein als er und Dein Licht soll dem seinen nachstehen.«

      Der Mond erblich und ging bedrückt von dannen. Da erbarmte sich Gott seiner und gab ihm das funkelnde Heer der Sterne zur Gesellschaft.«

      Der fromme Jude aber vergisst keinen Monat den Mond zu segnen, wenn dieser in seinem ersten Viertel steht und Nahum empfand hier in der Fremde, im Unglück, in der Sklaverei noch mehr das Bedürfniss dieser Pflicht zu genügen als daheim, im Kreise der Seinen.

      Als Zamira sich der kleinen Wiese näherte, sah sie ihn mitten auf der Wiese stehen, dort wo ein Cypressengebüsch sie seinen Blicken verbarg. Sie hörte ihn den Segensspruch sprechen, den sie so lange nicht gehört: Gelobt sei der, der den Mond erneuert! Sie sah ihn dreimal gegen die leuchtende Sichel hüpfen und lauschte immer erregter den Worten, mit denen er diese Bewegung begleitete: »So wie ich gegen Dich hüpfe und Dich nicht berühren kann, sollen auch meine Feinde mir stets fern bleiben.« Während Nahum noch die Zipfel seines Kaftans schüttelte und ausrief: »Wie ich den Staub von mir schüttle, so sollen auch meine Hasser und die bösen Geister von mir weichen«, trat Zamira rasch aus dem Gebüsch.

      Nahum erschrack und warf sich zu ihren Füssen nieder.

      »Du bist ein Jude!« rief Zamira und da er keine Antwort gab, fuhr sie fort, »warum hast Du mir das verschwiegen? Auch ich bin eine Jüdin. Ich muss jedoch hier, wo nur Muhamedaner und Armenier wohnen, meinen Glauben verbergen. Vergieb mir, was ich Dir gethan. Ich will es gut machen, indem ich Dir die Freiheit schenke, und Dich mit dem nächsten Schiff zu den Deinen zurücksende.«

      »Nein Herrin«, erwiderte Nahum, »das wäre eine Strafe, grausamer als die Peitsche. Lass mich bleiben, ich verlange nichts weiter, als immer Dein Sklave zu sein. Setz' Deinen Fuss auf meinen Nacken und erlaube mir ihn nur jedesmal zu küssen, wenn er mich getreten hat.«

      Zamira sah ihn überrascht an. »Du hassest mich nicht?« fragte sie verwirrt.

      »Wer könnte Dich hassen?«

      »Gut, Du bleibst bei mir«, entschied sie mit einer stolzen Kopfbewegung, »aber nicht als mein Diener, das ginge nicht an.«

      »Wie Du willst«, rief er, »schick mich nur nicht fort.«

      Die schöne Wittwe begann leise zu lachen.

      »Weisst Du, warum ich Dich geschlagen habe?« fragte sie schalkhaft. »Weil ich gegen mich aufgebracht war. Ich schämte mich meinen Sklaven zu lieben und einen Mann, der nicht meines Glaubens ist, dem ich niemals meine Hand reichen könnte.«

      »Zamira! Ist es möglich!« stammelte Nahum.

      Statt zu antworten legte sie ihm die Arme um den Hals, neigte sich zu ihm und küsste ihn.

       Inhaltsverzeichnis

      – UNGARN. –

      Das jüdische Handwerk. – Liebe zum Vaterland. – Wissensdrang. – Der Liebessekretär.

      Wenn man von der Höhe hinter Esced in die ungarische Ebene hinausblickt, die sich hier vom Fusse der Matra bis Szolnok und weiter bis zur Theiss ergiesst, erblickt man mitten unter Weinbergen und Weizenfeldern eine grosse grüne Insel. Es ist weder ein Wald, noch ein Park, noch ein grosser Obstgarten, der uns so freundlich anlacht, sondern das stattliche Dorf Hort, dessen weisse Häuser sich hinter dem üppigen Blattwerk verbergen.

      In diesem Dorfe lebte ein jüdischer Buchbinder, Namens Simcha Kalimann, welcher sich durch verschiedene Eigenheiten bemerkbar machte. Er war zugleich ein Orakel und eine lebende Chronik der Gegend, des ganzen Komitates.

      In seinen Schicksalen spiegelten sich jene seines Volkes in Ungarn. Er stammte noch aus der Zeit, wo der Jude rechtlos war, er hatte damals manches ertragen müssen, manches erduldet

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