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durchschnitt, zertrennte jetzt die Gewandung. Die getroffene Seite lag bloß. Eine Schlagader war verletzt. Im Rhythmus des Herzschlages spritzte der rote Lebenssaft.

      Es dauerte geraume Zeit, bis Atma des Unheils Herr wurde. Endlich stand die Blutung.

      Die Wundränder schlossen sich. Vorsichtig trug Atma seinen Jugendgespielen in das andere Schiff und bettete ihn mit unendlicher Sorgfalt.

      Jetzt wußte Atma den Freund und das Mädchen geborgen. Seine Gestalt straffte sich, und mit dem Strahler in der Hand wandte er sich dem Walde zu. In der letzten Dämmerung des entschwindenden Tages stand dort die Ruine von R. F. c. 2.

      Der Strahler wirkte. Jetzt brauchte der Inder nicht mehr so sorgfältig zu zielen und zu konzentrieren. Mit Gewalt explodierten zehntausend Kilowatt in dem Wrack. Im Augenblick glühte der ganze Rumpf hellrot auf. Schnell wuchs die Hitze zu blendender Weißglut. Das Aluminium des Körpers begann zu brennen. Millionen von Funken und Sternchen warf die glühende Masse nach allen Seiten in die Luft. Dann floß sie zusammen. Eine einzige Lache geschmolzener Tonerde, wo noch vor kurzem ein vollendetes Meisterwerk menschlichen Erfindungsgeistes gestanden hatte.

      Atma stellte den Strahler ab. Aber die hellrot glühende Schlackenmasse da drüben gab noch nicht Ruhe. Die Flammen sprangen auf den Waldrand über. Das dürre Gras brannte, einige Grenzbäume fingen Feuer.

      Atma sah das Schauspiel, ohne etwas dagegen zu tun.

      Mit schnellen Griffen ließ er die Turbinen von R. F. c. 1 angehen. Der Rapid Flyer stürmte in die Höhe. Weit hinter ihm lag der brennende Wald. Atma sah es und lächelte.

      »Wenn der Wind gut steht, Glossin, dann lernst du diese Nacht doch noch …«

      Der Rest erstarb im Brausen der Turbinen.

      Atma trat an die Steuerung und setzte das Schiff auf reinen Nordkurs. Der Weg gerade über den Pol blieb der sicherste.

      Auf der Wiese vor dem Herrenhause in Linnais setzte R. F. c. 1 leicht und beinahe erschütterungsfrei auf. Mit starken Armen trug Erik Truwor den wunden Freund in sein Heim, während Jane am Arm Atmas folgte.

      Und dann kamen Tage banger Sorge. Die Verwundung Silvesters war nicht lebensgefährlich. Die Kugel Glossins war an einer Rippe abgeglitten und hatte nur eine Fleischwunde verursacht.

      Bedenklicher war das hohe Fieber. Der alte Arzt aus Linnais schüttelte ratlos den Kopf. Keine Wundinfektion, glatt fortschreitende Heilung der Verletzung und trotzdem diese Fieberschauer, die den Kranken bis an den Abgrund der Vernichtung führten. Seine Kunst und sein Latein waren hier zu Ende.

      Lange Tage und kurze, hell dämmernde Nächte folgten aufeinander, in denen Jane nicht vom Lager Silvesters wich, Atma sich mit ihr in die Pflege teilte. Atma, der die Dinge anders ansah als der schwedische Arzt. Atma, der die wildesten Fieberträume Silvesters beruhigte, wenn er ihm die Hand auf die Stirn legte.

      »In der fünften Nacht wird die Entscheidung fallen.«

      Atma hatte es Erik Truwor zugeflüstert, als sie den Verwundeten aus dem Rapid Flyer trugen und auf sein Lager betteten. Jane hatte die Worte gehört, so leise sie auch gesprochen wurden.

      Heute war die fünfte Nacht. In dem verdunkelten Zimmer saß Jane am Lager Silvesters und bewachte jede Regung des Kranken.

      Es war nach Mitternacht, und das fahle Licht des jungen Tages dämmerte durch die Schatten des Zimmers. Mit Angst und Freude bemerkte Jane eine Veränderung in den Zügen Silvesters. Es zuckte leise darin. Die geschlossenen Augenlider schienen sich heben zu wollen. Der Körper machte schwache Bewegungen.

      War das der Tod? Oder war es Erwachen zu neuem Leben?

      Die Sorge überwältigte Jane. Sie wollte Atma rufen, doch die Stimme versagte ihr. Rückhaltlos überließ sie sich den Gefühlen, die in ihr stürmten. Sie umschlang Silvesters Hals, sie flüsterte ihm zärtliche Worte zu und drückte ihre Lippen auf seine Stirn. Alle Instruktionen des Arztes, alle Weisungen Atmas waren in diesem Augenblick vergessen.

      »Silvester, verlaß mich nicht! Silvester, bleibe bei mir!«

      War es der Klang ihrer Stimme so nahe an seinem Ohr? Einen Augenblick hob er die Augenlider, als suche er mit Gewalt die Umgebung zu erkennen. Dann schlossen sie sich wieder. Der Kopf sank tiefer. Er lag ganz still und regungslos.

      »Silvester!«

      Ein Schrei aus tiefster Not war es. Leise sank sie neben dem Bett auf die Knie und vergrub das Antlitz in ihre Hände.

      Atma war in das Zimmer getreten. Seine Augen ruhten forschend auf den Zügen Silvesters.

      »Die Seele ist stärker als der Tod … Er ist gerettet.«

      Er murmelte es leise und trat zurück.

      Von neuem öffnete der Kranke die Augen. Diesmal viel freier und leichter. Und sah mit freudvollem Staunen den blonden Kopf an seiner Brust, dessen Antlitz ihm verborgen war.

      »Wer … Was ist …«

      Jane war aufgesprungen.

      »Er lebt, er wird leben!«

      Noch erkannte Silvester sie nicht.

      »Wer ist … wer bist …«

      »Jane, deine Jane bin ich … Jane ist bei dir! Gott hat uns wieder vereinigt.«

      Der Schimmer des Verstehens, des Wiedererkennens flog über die Züge Silvesters.

      »Jane?«

      »Ja, deine Jane … für das ganze Leben!«

      »Jane! … Jane!« … Er wiederholte den Namen, als gewähre ihm das Aussprechen höchste Seligkeit. Er hob die Arme und legte sie um Janes Hals. Er zog ihr Haupt zu sich und lehnte seine Wange an die ihre.

      »Meine Jane«, sagte er so leise, daß sie wohl bemerken konnte, wie die körperliche Schwäche ihn zu übermannen drohte.

      »Vor Gott schon lange und jetzt auch vor den Menschen.«

      Seine Augen schlossen sich wieder, aber das selige Lächeln blieb auf seinen Lippen. Schnell und sanft schlummerte er ein.

      Mit unhörbaren Schritten trat Atma neben Jane.

      »Dein Geliebter schläft. Die Gefahr ist vorüber. Du armes Kind mußt auch ruhen. Komm und laß mich allein mit Silvester. Zur rechten Zeit will ich dich rufen.«

      »Er schläft, er ist gerettet!« wiederholte Jane. Sie sprach es leise. Einen langen Blick warf sie auf den ruhig Schlummernden und folgte dem Inder.

      Nachdem die Krisis überstanden, die Kraft des Fiebers gebrochen war, machte die Genesung Silvesters schnelle Fortschritte. Schon am dritten Tage ging er an Janes Arm über die Wege des parkartigen Gartens, der das Herrenhaus umschloß, und jede Stunde des Tages war eine Stunde des Glücks für die Liebenden. Nach einer Woche wagten sie es, den Pfad zum Ufer des Torneaelf zu wandern, berückt und entzückt von der romantischen Schönheit dieser wunderbaren Landschaft. Ein unendliches Glücksgefühl durchflutete ihre Herzen. In dem dichten Grase am Flußufer ließen sie sich nieder. Silvester lehnte seinen Kopf in Janes Schoß und schloß tief atmend die Augen.

      »Wenn ich deine liebe Gestalt nicht fühlte, möchte ich glauben, es wäre nur ein schöner Traum, und würde den Himmel bitten, daß er mir ein Ende fände. Jane, du bist bei mir«, er zog ihre Hände an seine Lippen und küßte sie. »Die guten Feenhände, ihnen verdanke ich mein Leben.«

      »O Silvester, wie gern wäre ich für dich gestorben, hätte mein Tod dir Rettung bringen können. Du hast so vieles, wofür du leben mußt. Ich habe nichts als dich. Was sollte aus mir werden, wenn ich dich nicht hätte.«

      Ihre Arme umschlossen den Geliebten. Ihre Augen versenkten sich ineinander … ihre Lippen fanden sich in einem langen, langen Kuß.

      Teil III

       Inhaltsverzeichnis

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