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das Gehölz von seinem früheren Aufenthalt. Einen tiefen grabenartigen Einschnitt zwischen alten Eichen, der das Flugschiff bequem aufnehmen konnte, so daß sein Rumpf selbst in nächster Nähe unsichtbar in der Bodenfalte steckte. Zu allem Überfluß rafften sie das vorjährige Laub zusammen, das hier in hoher Schicht auf dem Boden lag, und bestreuten den Körper des Schiffes damit.

      Als zwei harmlose und unauffällige Wanderer schritten Silvester Bursfeld und Atma der Stadt zu. Im Scheine der Morgendämmerung gingen sie an den ersten Häusern des Ortes vorbei und näherten sich ihrem Ziele. Sie kamen zu früh. Viel zu früh, denn die Uhr der nahen Kirche verkündete eben erst die vierte Morgenstunde. Silvester Bursfeld brannte vor Ungeduld. Er gab erst Ruhe, als sie vor dem wohlbekannten Hause in der Johnson Street standen. Mit sehnsüchtigen Blicken betrachtete er die grünumsponnenen Fenster des Gebäudes. Am liebsten wäre er kurzerhand über den Zaun gestiegen und hätte die Bewohner aus dem Schlafe alarmiert.

      Die unerschütterliche Ruhe Atmas brachte ihn wieder zur Besinnung.

      »Ruhig, Logg Sar. Keine Übereilung. Wenn das Mädchen noch hier ist, werden wir sie auch in drei Stunden aufsuchen können.«

      Die Worte des Inders warfen neue quälende Zweifel in die Seele Silvesters. »Wenn das Mädchen noch hier ist.« Was meinte Atma damit? Wo sollte Jane anders sein als bei ihrer Mutter? Wußte Atma irgend etwas und wollte es nicht sagen? Die Pein der Ungewißheit übermannte ihn. Seufzend folgte er dem Inder und ließ sich neben ihm auf einer Bank in den nahen Parkanlagen nieder. Langsam und bleiern schlichen die Stunden. Vom Kirchturm schlug es fünf, sechs und nach weiteren qualvollen sechzig Minuten sieben Uhr. Silvester sprang auf.

      »Jetzt ist es Zeit. Um sieben Uhr ist Jane stets munter, schon in der Wirtschaft tätig.«

      Nach wenigen Minuten stand er vor dem Gitter und schellte. Der schrille Ton der elektrischen Glocke war in der Morgenstille deutlich zu vernehmen. Aber im Hause blieb alles ruhig. Dreimal, viermal wiederholte Silvester das Schellen, ohne daß sich etwas geregt hätte.

      Atma war ihm nur langsam gefolgt. Bedächtig, als wolle er das erste Wiedersehen der Liebenden nicht stören. Jetzt stand er neben Silvester, deutete mit der Hand auf eine Stelle der Hauswand.

      »Sieh!«

      Eine kleine weiße Tafel hing dort im Efeugewirr der Hauswand. Im unsicheren Licht der Morgendämmerung war sie den Blicken Silvesters entgangen. Jetzt war sie deutlich zu erkennen und auch zu lesen. Die triviale alltägliche Mitteilung, daß das Haus zu vermieten, das Nähere im Nachbarhause zu erfahren sei. Silvester spürte, wie seine Knie zitterten und ihm den Dienst versagten. Er mußte sich auf den Inder lehnen.

      »Ich ahnte es, daß wir das Mädchen hier nicht finden würden. Aber wir werden es finden und werden es nach Europa bringen.«

      Diese wenigen mit Überzeugung gesprochenen Worte Atmas gossen neue Kraft in Silvesters Seele. Er folgte dem Gefährten, der zum Nachbarhause ging, dort Einlaß begehrte und auch fand.

      Die Herren wünschten das zur Vermietung stehende Nachbarhaus zu sehen. Aber gern … Es könne sofort geschehen.

      An der Seite Atmas schritt Silvester durch die ihm so wohlbekannten Räume. Dort stand der Nähtisch am Fenster. An ihm saß Jane, als er sie das letztemal vor seiner Verhaftung sah. Die Stickerei, an welcher sie damals arbeitete, lag auch jetzt noch dort. Geradeso, als ob die Stickerin eben erst aufgestanden sei. Wenn jemand ein Haus verließ, um seinen Wohnsitz woanders zu nehmen, dann würde er sicherlich die Arbeit dort nicht so liegenlassen. Silvester Bursfeld konnte eine Bemerkung nicht unterdrücken.

      »Es ging alles so schnell«, erklärte der jugendliche Führer. »Mr. Glossin brachte Miß Jane in seinen Kraftwagen und fuhr sofort mit ihr weg. Sie hatte nur wenig Gepäck bei sich.«

      Silvester hatte genug gesehen. Durch einen Blick verständigte er sich mit Atma.

      Ob die Herren die Wohnung mieten wollten?

      Vielleicht … sie würden es sich überlegen. Im Laufe des Nachmittags wiederkommen. Ein kurzer Abschied, und die Freunde gingen die Johnson Street entlang. Silvester schritt wie im Traum dahin. Mechanisch wiederholten seine Lippen wohl hundertmal die letzten Worte des Inders: »Wir werden das Mädchen finden und sicher nach Europa bringen.« Die eintönige Wiederholung gab ihm allmählich das innere Gleichgewicht zurück. So folgte er Atma, der den Weg zum Bahnhof einschlug.

      »Wohin wollen wir, Atma? Was wird aus unserem Schiff?«

      »Das Schiff liegt gut versteckt. Nach Neuyork wollen wir. Den Doktor Glossin fragen, wo das Mädchen ist.«

      Silvester erschrak.

      »Das heißt, den Kopf in den Rachen des Löwen legen.«

      Atma blieb unbewegt und erwiderte gleichmütig: »Du trägst den Strahler an der Seite. Verbrenne ihn zu Asche, wenn er dir Böses tut. Aber verbrenne ihn erst, wenn er mir geantwortet hat.«

      Dr. Glossin stand im Privatkabinett des Präsident-Diktators. Cyrus Stonard schob einen Stoß Briefe beiseite und ließ seinen Blick einen kurzen Moment auf dem Doktor ruhen.

      »Was haben Sie in der Affäre Bursfeld festgestellt?«

      »Über den Vater, daß er seit vielen Jahren tot ist.«

      »Kennen die Engländer sein Geheimnis?«

      »Ich bin überzeugt, daß sie nichts davon wissen. Als Gerhard Bursfeld fühlte, daß ihm sein Geheimnis auf hypnotischem Wege entrissen werden sollte, hat er sich selbst getötet. Ich habe prominente Leute in England befragt … Sie wissen von nichts.«

      Ein Schimmer der Befriedigung glitt über die durchgeistigten Züge des Diktators.

      »Dann … meine ich, können wir losschlagen, sobald die Unterwasserstation an der ostafrikanischen Küste in Dienst gestellt ist.«

      »Wir können es, Herr Präsident, wenn wir es nur mit England zu tun haben.«

      Der Diktator blickte verwundert auf.

      »Mit wem sollten wir es sonst noch zu tun bekommen?«

      Dr. Glossin zögerte mit der Antwort. Nur stockend brachte er die einzelnen Worte heraus: »Mit den Erben Bursfelds …«

      Cyrus Stonard zerknitterte den Entwurf einer Staatsdepesche.

      »Den Erben … die Sache scheint sich zu komplizieren. Neulich war es nur einer. Der famose Logg Sar, der so merkwürdig aus Sing-Sing entwischte und unser bestes Luftschiff mitnahm. Wer ist denn jetzt noch dazugekommen?«

      »Zwei Freunde, die auf Gedeih und Verderb mit Silvester Bursfeld verbunden sind.«

      »Drei Leute also. Drei einzelne schwache Menschen. Sie glauben im Ernst, daß drei Menschen unserem Dreihundert-Millionen-Volk gefährlich werden könnten? Herr Dr. Glossin, Sie werden alt. In früheren Jahren hatten Sie mehr Selbstvertrauen.«

      Die Worte des Präsident-Diktators trafen den Arzt wie Peitschenhiebe. Er erblaßte und errötete abwechselnd. Dann sprach er. Erst stockend, dann fließender und schließlich mit dem Feuer einer unumstößlichen inneren Überzeugung: »Herr Präsident, ich habe vor dreißig Jahren gesehen, wie Gerhard Bursfeld mit einem einfachen Apparat, nicht größer als meine Hand, auf große Entfernungen Dynamit sprengte. Ich sah, wie er Patronen in den Läufen weit entfernter Gewehre zur Explosion brachte, und wie er fliegende Vögel in der Luft verbrannte … Ich staunte, ich hielt es für Zauberei, und … Gerhard Bursfeld lachte und sagte, es wäre der erste Anfang einer neuen Erfindung. Ein schwacher Versuch, dem ganz andere, viel größere folgen würden.«

      »Gerhard Bursfeld ist seit langen Jahren tot. Sie sagten es eben selbst. Seine Erfindung wurde mit ihm begraben.«

      Cyrus Stonard sagte es. Es sollte abweisend klingen, aber seiner Stimme fehlte die sichere Entschiedenheit, die ihr sonst eigentümlich war.

      »Das Geheimnis ist nicht mehr begraben. Es war eingesargt, aber es ist wieder auferstanden. Logg Sar … Silvester Bursfeld hat die Entdeckung von neuem gemacht und … er muß sie bedeutend vervollkommnet haben. Der Vater

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