Скачать книгу

lapidar und orderte ein weiteres Stück Torte.

      Danny sagte nichts dazu, wunderte sich aber insgeheim. Er erinnerte sich dunkel daran, dass sie früher sehr auf ihr Gewicht geachtet hatte. Da er sie aber nicht beschämen wollte, verzichtete er auf einen Kommentar und verwickelte sie in ein anregendes Gespräch über ihre Zeit in Italien. An diesem Nachmittag musste er nicht zurück in die Praxis. Er übernahm die Hausbesuche, ehe er am nächsten Morgen mit Tatjana in einen Kurzurlaub aufbrechen würde. So konnte er der Freundin seiner Mutter noch ein wenig Gesellschaft leisten und amüsierte sich über ihre humorvollen Erzählungen, bis es schließlich doch Zeit wurde zum Aufbruch.

      Danny zückte seine Brieftasche.

      »Lass nur, junger Mann. Diese Rechnung geht auf mich.« Fridas Ton duldete keinen Widerspruch. »Als Ausgleich kannst du mir die Adresse verraten, wo ich Fee finden kann.«

      Danny dachte kurz nach.

      »Was hältst du davon, wenn ich dich an der Behnisch-Klinik absetze?«

      »Nur, wenn es keine Umstände macht.«

      »Überhaupt nicht. Den Rest des Tages bin ich mit Hausbesuchen beschäftigt. Und für dich nehme ich den kleinen Umweg sehr gern in Kauf.« Galant half er ihr in den Mantel und bot ihr den Arm.

      Frida lachte zufrieden. Nachdem sie sich von Tatjana verabschiedet hatten, ließ sie sich zur Tür führen.

      »Deine süße Freundin hat recht. Du bist ein überaus charmanter Zeitgenosse. Ein Glück, dass ich schon so alt bin. Sonst könnte ich mich nicht beherrschen …« Sie zwinkerte ihm zu, und ihrer beider Lachen hallte bis auf den Gehweg hinaus, als sie die Bäckerei ›Schöne Aussichten‹ gemeinsam verließen.

      *

      »Oh, Sie sind fertig! Das trifft sich gut. Meine Mittagspause ist auch gleich zu Ende«, teilte Janine dem Telefontechniker mit, der dabei war, seine Sachen zusammen zu packen. »Ich muss zurück an die Arbeit.«

      Thomas Lauer klappte den Deckel der Tasche zu. Mit leisem Klacken schnappten die Schlösser ein.

      »Leider konnte ich die Störung nicht beheben. Keine Ahnung, was da los ist.« Er stand auf und sah Janine bedauernd an. »Ich fahre in die Zentrale und werde dort die Leitung durchmessen und ein paar andere Sachen ausprobieren. Falls das nicht klappt, komme ich morgen wieder. Um die gleiche Zeit? Können Sie das einrichten?«

      »Ich werde sehen, was ich tun kann.« Fahrig lief Janine hin und her, zog ihren Mantel an, während sie die Autoschlüssel suchte. Sie fand sie schließlich unschuldig am Haken hängend. »Einen Moment noch!«

      Sie eilte noch einmal in die Küche und kehrte mit einem Packen Bücher im Arm zurück.

      »Ach, du liebe Zeit, das sieht ja wirklich nach Arbeit aus.« Die Anteilnahme des Technikers war echt. »Kann ich Ihnen was abnehmen?«

      »Alles bestens, danke!«, lehnte Janine ab. Wenn sie nicht zu spät kommen wollte, musste sie sich beeilen.

      Zuvorkommend hielt er ihr die Tür auf, und gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter. Vor dem Haus trennten sich ihre Wege. Sie verabschiedete sich, winkte hinauf zu ihrem Nachbarn Marc, der sie unten entdeckt hatte, und stieg in ihren Wagen. Eine Viertelstunde später parkte Janine vor der Praxis.

      Gähnende Leere empfing sie, als sie sich mit ihrem Bücherturm durch die Tür schob, bedacht darauf, das wackelige Konstrukt nicht zum Einsturz zu bringen. Lediglich ihre Freundin und Kollegin Wendy saß hinter dem Tresen, über eine Abrechnung gebeugt.

      »Was ist denn hier los? Beziehungsweise was ist nicht los?« Nachdem sie die Bücher und Skripte auf der Theke abgelegt hatte, sah sie hinüber ins Wartezimmer.

      »Danny macht heute Nachmittag Hausbesuche. Deshalb müssen wir nur die Patienten vom Senior versorgen.« Wendy sah auf die Uhr. »Frau Marsch hat abgesagt, und Herr Pauly verspätet sich um eine Viertelstunde. Und im Augenblick hat er noch eine Besprechung. Es bleibt also noch länger so ruhig.«

      »Das trifft sich gut.« Inzwischen hatte Janine den Mantel gegen den Kittel getauscht und die Bücher in die kleine Küche gebracht. »Dann kann ich ein bisschen lernen.« Schnell lief sie in die Küche und kehrte mit einem Skript an ihren Schreibtisch zurück.

      »Wo war ich stehen geblieben?«, murmelte sie vor sich hin, während die Seiten durch ihre Finger glitten. »Ach ja, hier …, interventionelle innere Medizin.« Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen.

      »Als interventionell bezeichnet man …, bezeichnet man …, aaaaahhhh, ich werd noch verrückt«, schimpfte sie und beugte sich wieder über das Buch. »Diagnose- und Therapieverfahren, bei denen am erkrankten Gewebe gezielte Interventionen vorgenommen werden, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.« Drei Mal musste Janine den Satz wiederholen, bis er endlich saß. Dabei fiel ihr Blick auf Wendy, die sie schmunzelnd beobachtete. »Was ist? Es ist halt nicht mehr so leicht, in meinem Alter was zu lernen.«

      »Meine Bewunderung ist grenzenlos«, versicherte die Kollegin. »Bemerkenswert, zu welchen Höchstleistungen dich Liebeskummer antreiben kann.«

      Janine schnitt eine Grimasse.

      »Dabei weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, welcher Teufel mich geritten hat.«

      »Ein Teufel mit Namen Peter«, entfuhr es Wendy.

      Janine schnitt eine Grimasse.

      »Wenn ich geahnt hätte, dass mich dieses ›ambulante Operieren in Arztpraxen‹ derart verrückt macht, hätte ich es gelassen. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Angst ich vor der Prüfung habe.«

      »Das kann ich wirklich nicht.« Wendy konnte sich nur wundern. »Du bist gelernte Krankenschwester. Wenn du das nicht drauf hast, wer dann?«

      »Ja, stimmt schon. Aber meine Ausbildung ist so lange her. Und die Methoden haben sich teilweise gravierend geändert. Schau dir nur mal das Kapitel ›Beherrschbarkeit der maximal vorstellbaren Komplikationen‹ an.« Janine sprang vom Stuhl auf und lief hinüber in die Küche.

      Eine Weile hörte Wendy es rumoren. Dann tauchte ihre Freundin mit sichtlich verstörter Miene wieder auf.

      »So ein Mist! Ausgerechnet dieses Skript hab ich daheim liegen gelassen.« Sie war den Tränen nahe. »Bei den Indikationen hab ich die größten Lücken.«

      Wendy unterbrach ihre Arbeit. Ihr genervter Blick ruhte auf Janine. Seit Tagen machte sie ihr mit ihrer stetig wachsenden Nervosität das Leben schwer. Anfangs hatte Wendy noch Verständnis gehabt. Doch langsam wurde ihr Nervenkostüm dünner.

      »Wenn du so sehr im Lernstress bist, warum hast du dann nicht ein paar Tage frei genommen?«, fragte sie forsch.

      »Soll das ein Witz sein?« Mit lautem Getöse ließ sich Janine auf ihren Schreibtischstuhl fallen, um zehn Sekunden später wieder aufzuspringen und rastlos hinterm Tresen auf und ab zu laufen. »Du weißt doch genau, wie es hier immer zugeht.«

      »Ach ja!« Wendys Lächeln war süffisant, als sie hinüber zum Wartezimmer deutete. »Besonders heute können wir uns vor diesem Ansturm kaum retten.« Ihr Blick kehrte zu Janine zurück. »Aber jetzt mal im Ernst. Es ehrt dich ja, dass du mich nicht im Stich lassen willst. Aber im Augenblick komme ich ganz gut ohne dich klar. Also fahr schon nach Hause und hol dein Buch.« Sie schickte Janine ein versöhnliches Lächeln. »Oder noch besser: Bleib einfach gleich daheim. Heute Nachmittag brauche ich dich nicht.«

      Zweifelnd zog Janine eine Augenbraue hoch.

      »Bist du sicher? Sollen wir nicht vorsichtshalber den Senior fragen?«

      Wendy schüttelte den Kopf.

      »Geht nicht. Er ist noch in einer Besprechung mit Frau Pfeiffer von der Firma Meditec und will keinesfalls gestört werden. Aber das macht nichts«, beschloss sie nach kurzer Überlegung. »Der Tresen ist unser Reich. Hier entscheiden wir. Und wenn ich sage, dass ich gut ohne dich klar komme, dann ist das auch so.« Sie nickte Janine aufmunternd zu. »Außerdem wohnst du ja nicht weit weg. Wenn wirklich Not am Mann ist, ruf ich dich einfach an.«

Скачать книгу