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Junker flehend ins Ohr: »Tout, mon ami! Tout ce que vouz voulez! Mais jamais un enfant!«

      Der Domizellar von Stutzing kehrte in das Haus des Christl Haynacher zurück. Als er die Stube betrat, war schon wieder mit dem Leilach bedeckt, was auf dem Tische lag. Auch das Verhör der Hasenknopfin war beendet. Bleich, einen harten Zug um die farblosen Lippen, stand das Weib vor dem Kanzler. Während der Fürstpropst und Graf Saur in französischer Sprache diesen schwerbegreiflichen Irrtum der Natur erörterten, sah Herr von Grusdorf immer die Hasenknopfin an und sagte schließlich: »Man wird ihr befehlen, wann sie sich für weiteres Zeugnis vor der Obrigkeit zu präsentieren hat. Dann wird sie sich der Wahrheit besinnen. Wird auch wissen, wo ihr Mann sich befindet. Heute wird sie recte erfüllen, was ihres Amtes ist. Um rebellische Rumore und den Zulauf kuriöser Leute zu verhindern, wird sie die Haustür verschlossen halten bis zur Dunkelheit. Was tot auf dem Tische liegt, das bringt sie nach Anbruch der Nacht in notwendiger Heimlichkeit dort hin, wohin es gehört. Man wird das in der Finsternis bestatten. Über alles hat sie strengstes Stillschweigen zu observieren. Befehl der Obrigkeit: ein totgeborenes Kind, nicht weiß und nicht schwarz, ein Kind, wie Kinder zu sein pflegen. Weiteres ist ihr nicht bekannt. Für jedes böswillige Leutgerede ist sie haftbar. Versteht sie?« Er machte mit dem Stock eine Bewegung, als möchte er das Weib von sich fortschieben, und wandte sich gegen die Kammer, aus der kein Laut mehr zu hören war. Die Hasenknopfin tat mit entstelltem Gesicht einen schweren Atemzug, nahm das schlucksende Bübchen aus der Wiege und rettete sich mit ihm in den dämmerigen Ofenwinkel. Während sie das Kind an ihrem Herzen schaukelte, spuckte sie immer aus, als könnte sie die Lügen, die sie aus Angst geredet hatte, wieder fortspeien von ihrer Zunge.

      Herr von Grusdorf hatte die Kammertür vor sich aufgeschoben. Im gleichen Augenblick machte er eine abwehrende Bewegung, wie in Sorge, daß sein gnädigster Herr ihm folgen könnte. Was er sehen mußte, war kein Anblick für fürstliche Augen. Die kleine Kammer war erfüllt von einem rötlichen Schein. Ihr Fensterchen lag gegen Westen, und die untergehende Sonne verwandelte den kleinen Lichtwinkel in ein glühendes Viereck. Das Ehebett des Christl Haynacher und seiner seliggewordenen Martle glich dem rotfleckigen und zerwühlten Schnee, in dem die hauenden Schweine mit den kirschfarbenen Seidenmaschen gelegen hatten. Nur lagen hier, in diesem Rotschimmer, zwei andere Dinge: der ruhige, schöne Tod und der besinnungslose Jammer, ein unbeweglicher und ein noch zuckender Rest zweier Menschen, in denen die Liebe war und mit der Liebe zugleich das Mißtrauen, der Zorn und die Glaubensfeindschaft. Lebendig war nur die Liebe noch. Was Feindschaft, Zorn und Mißtrauen gewesen, war erlegt von einem Schützen, der so sicher traf, daß man ihm Jagderfolge nicht aufzulügen brauchte, war zur Strecke gebracht ohne Hifthörner, ohne hechtgraue Jägergala, ohne französische Verse und galante Reimsprüche.

      In dem engen Gängelchen neben dem Bett auf den Dielen kniend, lag Christl mit gestreckten Armen hingeworfen über den Schoß seines Weibes, lautlos, zitternd am ganzen Leibe, einem Menschen gleich, der durchschüttert wird von jähem Frostschauer. Mit den braunen, groben Händen machte er suchende Bewegungen, wie um sein Weib bei den Händen zu fassen, die ineinandergeklammert waren nach Art einer Betenden. Diese Hände lagen im Schatten von Christls Schulter und waren weiß. Das Gesicht, das wie Wachs geworden war, bekam von der Sonnenfarbe zur Hälfte ein leuchtendes Rosenrot, zur Hälfte einen violetten Schatten. Ein schmuckes Mädel und Weib war die Martle immer gewesen, aber in keiner Stunde ihres Lebens so schön, wie jetzt im Tode. Eine heilige Ruhe war ausgegossen über das schmale Schimmergesicht. Den stillen Mund, der keinen Zug des Leidens mehr erkennen ließ, umgab ein träumendes Lächeln. Und unter den vom Lichte in poliertes Gold verwandelten Flechten hatten die noch offenen Augen einen unbeweglichen, fast überirdischen Glanz.

      Erschrocken, in wachsendem Staunen, betrachtete Herr von Grusdorf das tote Weib. Wo waren an dieser Abtrünnigen die Spuren ihres Seelenkampfes mit dem Teufel? Hatten die Gerüchte gelogen, die seit dem Herbste über die Haynacherin umherliefen? Hatte die Hasenknopfin die Wahrheit gesprochen, als sie sagte: daß die Martle unter den obrigkeitlich vorgeschriebenen Gebeten wie eine rechte Christin gestorben wäre? Wider Willen fühlte der Kanzler eine Regung des Erbarmens. Aus den früheren Jahren seiner Richterzeit war er gewöhnt an die Bilder der Folterstube. Was er in dieser Kammer sah, zerbrach ihm den Panzer der Gewohnheit und faßte ihn an einem Muskel seines Menschentums. Er legte die Hand auf die Schulter des zuckenden Bauern und sagte freundlich: »Ermanne er sich, Haynacher! Gott hat gegeben –« Da verstummte er in Zorn und Empörung. Er sah nicht den zerbrochenen Menschen, der sich mühsam aufzurichten versuchte; sah nicht diese irrenden Verzweiflungsaugen und dieses entstellte Gesicht. Er sah nur das abgegriffene Buch, das neben den Fäusten, mit denen Christl vom Bett sich aufstemmte, unter dem Kopfkissen der entseelten Haynacherin hervorglitt. Gleich erkannte er's. Von diesem Buche hatte er an die zwanzig konfiszierte Exemplare in seinem Aktenschrank. Wie ein Falk den Vogel faßt, so griff er über den Kopf des Bauern hinüber, packte das Paradiesgärtl des Johann Arndt und rief entsetzt: »Das crimen ist notifiziert.«

      Christl, wie jäh belebt, war an der Mauer in die Höhe gefahren, tappte mit den Händen und schrie: »Das Büchl tust du ihr lassen, du! Das Büchl ist ihre Seligkeit gewesen und ihr heiliger Tod!«

      Der Kanzler war schon bei der Tür und kreischte in die Stube hinaus: »Reverendissime! Quittieren Euer Liebden schleunigst dieses verfluchte Domizilium der Ketzerei! Hier ist kein Fundament für allergnädigste Sohlen.« Man hörte französische Worte, hörte den flinken Schritt der Herrenstiefel, die sich entfernten. Und der Kanzler betrachtete mit flammenden Augen den Christl Haynacher: »Er verlorener Mensch! Ist er beteiligt an dieser unverzeihlichen Todsünde?« Der Bauer schüttelte den Kopf und wehrte kraftlos mit den Händen. »Um seiner Seligkeit willen hoffe ich, daß seine Deklarazion sich als Wahrheit erweist.« Der Kanzler deutete mit dem Krückstock gegen das Bett. »Was mit dem Kadaver zu geschehen hat, das weiß die Hasenknopfin.« Er wollte gehen.

      »Herr!« keuchte Christl und streckte in Verzweiflung die Hände. »Alles! Herr! Nur lasset mein gutes Weibl in christlichen Boden tun! Man muß doch wissen, wo man sich findet einmal. Und schauet, Herr, so schauet das Weibl doch an! Man sieht's noch allweil, gnädiger Herr – mein Weibl ist so fromm und heilig gestorben – schöner könnt auch der Papst nit sterben!«

      Der Kanzler erledigte in sich einen schweren Kampf seines privaten Mitleids mit dem Amtsgewissen. »Bene! Um seinetwillen! Wir wissen, daß er immer ein verläßlicher Sohn der reinen Kirche war. Drum soll ihm konzediert sein, dieses Weib, statt auf dem Freimannsanger, auf seinem eigenen Acker zu verscharren.« Nach diesen Worten menschlicher Barmherzigkeit verließ der Kanzler die rote Kammer.

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