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allein sie hat das stillschweigend verwunden, denn die Annalen unseres Hauses nennen nicht eine Treulose, die durch bösartigen Klatsch hinter dem Rücken ihres Mannes seine Ehre angegriffen hätte.«

      Er ging nach der Tür, durch welche er vorhin in das Atelier zurückgekehrt war, und öffnete sie weit; dann verbeugte er sich leicht gegen die Stiftsdame und schritt nach der Wendeltreppe, um sich in das obere Gelaß zurückzuziehen.

      »Du weisest Adelheid aus unserem Hause?« rief die Baronin wie außer sich.

      Er blieb, die Hand auf das Geländer gelegt, an der untersten Stufe stehen und wandte das Gesicht zurück.

      »Ich glaube das nicht zum erstenmal zu tun,« sagte er mit großer Ruhe. »Allein Fräulein von Riedt verfolgt ›höhere Ziele‹, die ihr verbieten, höflich angedeutete Wünsche zu verstehen und die Stimme des eigenen weiblichen Zartgefühls zu beachten ... Jeder andere Mann würde nach so vielen mißglückten gütlichen Versuchen, einen unheilstiftenden, bösen Geist aus seiner unmittelbaren Nähe zu entfernen, von dem ihm zustehenden Recht als Hausherr energischen Gebrauch machen – das widerstrebt mir. Ich muß mich darauf beschränken, gegen jedes fernere Betreten meines Ateliers Verwahrung einzulegen und mich hier zu isolieren – ich werde das Säulenhaus nicht mehr betreten, solange du Besuch hast.«

      Festen Schrittes stieg er die Treppe hinauf und verschwand hinter dem Vorhang; man hörte, wie er kräftig auch die Tür hinter sich zudrückte.

      Die Baronin starrte ihm nach, als erwarte sie, ihn jeden Augenblick reuig wieder hervortreten zu sehen – plötzlich nahm sie ihre Schleppe auf und eilte nach der Treppe; aber schon stand Fräulein von Riedt neben ihr – sie war dahingerauscht wie ein Dämon, der seine schwarzen Fittiche über eine ihm verfallene Seele breitet. Sie sprach kein Wort; mit raschem Griff nahm sie die Hand, die eben das Geländer umfaßte und zog sie herab ... Und in dieser Berührung mußte eine seltsame Kraft, eine Übergewalt liegen – die Frau mit dem eigensinnigen Gesicht zog den Fuß zurück, den sie bereits auf die untere Stufe gesetzt hatte – freilich unter allen Zeichen des Widerspruches und mit einem Ausdruck, als kämpfe sie Tränen des Zornes, der inneren Wut nieder. Aber sie ging mit – sie rang ihre Hand ungeduldig los und schritt nach der offenen Tür.

      »Da hinaus gehen wir nicht!« erklärte Fräulein von Riedt fest, und der schneidende Ton in ihrer Stimme besagte, daß sie durchaus nicht gewillt sei, den Weg zu betreten, auf den »der Hausherr« sie gewiesen. »Schließe die Tür des Glashauses auf – der Schlüssel muß ohnehin wieder an Ort und Stelle!«

      Sie traten in den Wintergarten, und die Baronin zog den Schlüssel aus der Tasche. Donna Mercedes hörte ihr tiefes Atmen – es kam aus einer vor Aufregung keuchenden Brust. »Reise ab, Adelheid!« preßte sie halb flehend, halb gebieterisch hervor.

      »Auf keinen Fall – ich bleibe!« entgegnete die Stiftsdame kalt. »Der Erbärmliche soll mich nicht um eine Linie breit von meinem Weg ablenken ... Mehr als je habe ich an meiner Aufgabe festzuhalten, da es ein so jämmerlich schwankendes Rohr ist, das ich stützen muß ... Du hast unzähligemal versprochen, dich aus den entwürdigenden Banden zu retten ... Sobald du unter uns bist, gebärdest du dich, als sei dir alle sinnliche Leidenschaft tief verhaßt; du spielst mit Vorliebe die Heilige, wie du stets alles daran setztest, als Tugendmuster aufgestellt zu werden. Und die treuen Führerinnen unserer Jugend glauben auch steif und fest, daß in deine Seele nie ein unreiner Wunsch gekommen, daß du einfach das betörte Opfer des spekulativen alten Freiherrn geworden seiest – sie hast du zu überzeugen gewußt, mich aber nicht, mich niemals! ... Und wenn sie alle denken, Schilling klammere sich an deinen Reichtum, er verhindere immer wieder deine endliche Rückkehr in den Orden, dessen Eigentum du eigentlich bist, so weiß ich am besten, daß du nicht willst, daß sich deine sündhafte Neigung an jedem Strohhalm festhält, den dir die trügerische Hoffnung hinwirft ... Aber unser Pakt, nach welchem du gelobt hast, mit mir zu gehen, sobald Schilling selbst all und jede Liebe für dich leugnet, dieser Pakt hat sich eben erfüllt – aus jedem Wort, aus jeder seiner Gebärde sprach der entschiedenste Widerwille, sprachen Haß und Verachtung – er hat dich nie geliebt – nie!«

      Die Stiftsdame hatte während dieser ganzen Strafrede die Frau an ihrer Seite festgehalten. Die kräftig geformten, schönen, weißen Hände, die das hagere Gelenk und den Arm der Baronin umspannten, mußten wie Eisenspangen fesseln – wie hätte sonst die Frau der schonungslosen Bloßlegung ihrer verheimlichten Neigungen und Triebfedern gegenüber ausgeharrt? ... Aber nun, bei den letzten Worten gelang es ihr, sich loszureißen – die Glastür flog auf und die gebeugte Gestalt eilte wie gejagt nach der Platanenallee, während ihr Fräulein von Riedt in unerschütterlicher Haltung und Ruhe folgte.

      29.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Weg war frei, und Donna Mercedes floh förmlich aus dem Glashause, das sie wie ein Käfig wider ihren Willen umschlossen hatte. Noch sah sie die graue Schleppe über den Kies der Allee hinfegen, und wenn Fräulein von Riedt das Haupt ein wenig zurückwandte, so mußte sie sofort erkennen, daß die leidenschaftlichen Erörterungen im Atelier einen ungewünschten Zeugen gehabt hatten – gleichviel, die Befreite flüchtete hinaus ins Freie, tiefatmend, mit heftig pochendem Herzen. Sie hatte Zuletzt geglaubt, vergehen zu müssen in dem eingesperrten, schwülen Pflanzenodem und unter den beklemmenden Eindrücken der Szene, die sich drüben im Atelier abgespielt hatte, wie ein schwer hereinbrechendes Gewitter ... Für eine so unbändig stolze, im Innersten streng wahre Natur, wie Donna Mercedes, hatte es etwas unbeschreiblich Beschämendes und Demütigendes gehabt, wie eine ehrvergessene Horcherin in die Beziehungen fremder, insgeheim feindlich zueinander stehender Menschen ohne deren Vorwissen zu blicken. Sie hätte sich die Ohren zuhalten mögen, und doch waren ihr die Hände wie gefesselt im Schöße liegen geblieben – das leiseste, ihre Anwesenheit verratende Geräusch war ihr mit jedem unfreiwillig gehörten Worte mehr zu einem wahren Schreckgespenst geworden. Sie hatte die Augen geschlossen, um wenigstens den Anblick der Streitenden zu meiden; aber die männliche Stimme hatte sie immer wieder aufgeschreckt und sie gezwungen, das Gesicht des Sprechenden zu suchen, der erbarmungslos mit den weiblichen Intrigen und Herrschergelüsten ins Gericht ging.

      Draußen zwischen den Fichtenstämmen sah sie Paulas Helles Kleidchen schimmern. Die Kleine spielte dort; und Deborah war bei ihr; Pirat aber steckte schon wieder in seiner Klause; er bellte von dort den davoneilenden Damen wütend nach.

      Donna Mercedes ging in das Fichtenwäldchen. Paula jubelte ihr entgegen; das Kind kramte aus einer großen Holzschachtel verschiedene reizende Spielereien und reihte sie auf einem Gartentisch nebeneinander – »der gute Herr« habe das dem Goldkind aus Berlin mitgebracht, sagte Deborah. Von Lucile war nicht die Rede – Baron Schillings Mission hatte also, wie er vorausgesagt, nicht den gewünschten Erfolg gehabt.

      Es war der jungen Dame selbst verwunderlich, daß diese Gewißheit sie so »merkwürdig« kalt lasse. Die ganze Angelegenheit mit ihrem Gefolge von Aufregung und Befürchtungen erschien ihr in diesem Augenblick so abgeblaßt, wie etwas längst Vergangenes, halb Vergessenes neben den Eindrücken, die sie eben empfangen. Sie fühlte ein beängstigendes Schauern über ihre Nerven schleichen, wenn sie dachte, daß sie unmittelbar nach jenen Szenen mit dem tieferregten Mann verkehren sollte – sie hatte Scheu vor ihm, Angst vor sich selber. Diese Bangigkeit vor irgend einem durch eigene Schuld heraufbeschworenen rauhen Wort hatte sie nie, auch in frühester Jugend nicht, empfunden. Ihr sonst ziemlich willenskräftiger Vater, die unbeugsame Mutter hatten dem vergötterten einzigen Liebling gegenüber niemals eine Rüge über die Lippen gebracht – im Gegenteil, jedes leichte Stirnrunzeln, jeder ärgerlich eigensinnige Blick waren begütigend hinweggetost worden ... Baron Schilling zürnte in unversöhnlicher Weise. Wie verletzend in seinem kalten Klang war vorhin jedes der knappen Worte gewesen, die er in bezug auf sie notgedrungen hatte sprechen müssen! Sein Aufbegehren gegen die weiblichen Untugenden, die boshaften Launen, hatte auch die Amerikanerin, die neuerdings in seinen Gesichtskreis getreten, mit inbegriffen – das hatte sie wie einen Dolchstich gefühlt ... Seine Kunst sei seine Erwählte, hatte er gesagt. Mit diesem Idealwesen, »das ihn nie zwang, in die dunklen Schlupfwinkel der weiblichen Seele

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