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aufgehoben, um der Entdeckung seines Schlupfwinkels zu entgehen. Er hatte seine Forts, seine Verteidigungsanstalten, seine Schwäche und Stärke gesehen. War es einem solchen Menschen nicht natürlich, ihn in der Stille aus dem Wege zu räumen, und ließ es sich erwarten, daß der von bitterm Hasse gegen die Weißen beseelte Indianer, der ihn noch dazu für einen Yankee halten mußte, zu seinen Gunsten Einsprache tun würde? Die bloße Möglichkeit, unter den Würgerhänden eines Seeräubers sein junges Leben zu beschließen, war schon empörend.

      »Und pflegt der Seeräuber häufig zum Miko zu kommen?« fragte er.

      »Wenn dieser von der Jagd zurückgekehrt ist, wird er mit den Seinigen kommen, Wildbret einzutauschen«, versetzte sie halb schaudernd.

      Die beiden wurden durch die Indianerin unterbrochen, die durch den Vorhang schlüpfte, bald Rosen, bald ihren Gast ansah, und sich nachdenkend vor die erstere hinstellte. Der flehende Blick dieser schien sie einen Augenblick unschlüssig zu machen. Endlich konnte sie sich jedoch nicht enthalten und brach in die Worte aus: »Bald möchte Canondah zum Narren werden. Warum dies, meine Schwester?« fragte sie auf das Kalikokleid deutend. »Canondah will gerne arbeiten und Feuerwasser und Kornmehl bereiten, ihr Vater eine Sonne länger im Busche bleiben, um die weiße Rosa der Oconees schön geschmückt zu sehen. Warum wirft meine Schwester die Geschenke des Miko von sich?« Ihre Stimme war halb Klage, halb Vorwurf.

      »Will der Miko, will meine Schwester Rosen im Gewand des Diebes sehen?«

      »Im Gewande des Diebes?« versetzte die Indianerin. »Hat nicht der Miko und Canondah dem Diebe Wildbret und Feuerwasser dafür gegeben? Haben nicht die Yankees unsere Rinder und Kühe gestohlen, und haben ihre Brüder sie nicht von ihnen eingetauscht?«

      »Aber«, versetzte Rosa.

      »Wenn El Sol in das Wigwam des Miko kommt«, setzte sie leiser hinzu, »dann schmückt sich Canondah zu seinem Empfange, und sein Auge verweilt gerne auf ihr. Meine Rosa muß den häßlichen Rock abwerfen, sonst wird sie der weiße Jüngling nicht in sein Wigwam aufnehmen.«

      »Aber Rosa will ja nicht in sein Wigwam«, erwiderte diese, sich ein wenig stolz und unbewußt erhebend. »Sie liebt ihn als ihren Bruder.«

      Die Indianerin, ohne jedoch auf ihre Worte zu hören, wandte sich zum Jüngling, der einige Schritte seitwärts in Gedanken versunken war.

      »Nicht wahr, mein Bruder liebt, die weiße Rosa geschmückt zu sehen?«

      Die plötzliche Frage machte ihn weit aufstarren.

      »Meine Schwester hat ihr häßliches Kleid angelegt, weil es nicht vom Diebe der Salzsee kommt; sie glaubt so meinem Bruder besser zu gefallen.«

      Des Briten plötzlich auf sie gerichteter Blick überzeugte die arme Rosa, daß er erst jetzt das ihm gebrachte Opfer bemerke.

      »Aber Canondah!« rief das verletzte Mädchen in peinlicher Verlegenheit; »wie kannst du doch so grausam sein?«

      »Grausam!« versetzte die Indianerin kopfschüttelnd. »Meine Schwester spricht nicht, wie ihr Herz denkt. War es nicht sie, auf deren Bitte Canondah den weißen Fremdling durch das Rohr trug und in den hohlen Baum legte? War es nicht für sie, daß sie ihn in das Wigwam ihres Vaters brachte und die alte Winondah bestach, und«, setzte sie leiser hinzu, »sich dem Zorne des Miko aussetzte? Und nun sie die Türe zum Wigwam –«

      »Um Gottes willen halte ein!« rief Rosa.

      »Canondah«, sprach die Indianerin ernst, »hat dem Fremdling ein Wigwam gegeben. Ihr Vater liebt sie sehr! er hört ihre Stimme gern, wenn sie ihm die Taten seiner Vorfahren ins Ohr lispelt. Er wird seine Tochter nicht tadeln, er wird dem Diebe der Salzsee den Rücken kehren und Rosa in die Hütte ihres weißen Bruders führen. Nicht wahr, mein Bruder wird die weiße Rosa in sein Wigwam nehmen?« fragte sie, sich zum Briten wendend.

      Ein unwillkürlich höhnisch-spottendes, bitteres Lächeln verzog den Mund des letztern bei dieser sonderbaren Aufforderung; rasch suchte er sich jedoch zusammenzunehmen. Allein es war zu spät.

      Der Blick des Naturkindes ist scharf und richtig, und er hatte den beiden Mädchen bereits sein Innerstes aufgeschlossen. Eine peinliche Stille herrschte während einiger Augenblicke. Die Indianerin, die in ihren Bemerkungen zugunsten ihres Lieblings so unzart weit gegangen, schlang beide Arme um das beschämte, beinahe vernichtete Mädchen, das, bleich wie eine Statue, keines Lautes, keiner Bewegung fähig war. Der junge Mann war im schweigenden Kampfe vor den beiden Mädchen dagestanden. Er hatte einige Male gesucht Worte zu finden. Endlich brach er aus.

      »Canondah! Rosa!« begann er mit stockender Stimme; doch die Indianerin schien bloß mit dem Schmerze ihrer Geliebten beschäftigt. Sie winkte ihm, sich zu entfernen.

      »Ich muß euch verlassen, liebe Mädchen. – Die Stimme der Pflicht, mein Eid, meine Ehre fordert es. Alles ist verloren, wenn ich hier bleibe.«

      Die Indianerin hielt noch immer Rosen mit beiden Almen umschlungen, das Gesicht der letztem an ihrem Busen verborgen. Nun jedoch legte sie diese sanft auf das Lager hin, und rasch aufstehend sprach sie:

      »Glaubt die weiße Schlange, eine Törin vor sich zu sehen, weil Canondah ihre Hand einem Verräter ausgestreckt hat? Er mag wissen, daß sie ihm diese nicht auf seinem Pfade reichen wird.«

      »Dann muß ich ihn allein, ohne Wegweiser suchen«, versetzte dieser rasch.

      »Hat die weiße Schlange die Läufe des Hirsches, die Geschwindigkeit des Eichhörnchens, die Schwimmfüße des Alligators, daß sie aus dem Wigwam des Miko zu entfliehen gedenkt?« rief sie hohnlachend. »Die weiße Schlange ist gefangen«, setzte sie triumphierend hinzu.

      »Hat es Canondah ihrer Schwester nicht immer gesagt?« fuhr sie zu Rosen gekehrt fort, »daß er ein Späher ist, der wie ein Dieb zur Nachtzeit sich eingeschlichen, als der Miko den Rücken wenden wollte.«

      »Noch einmal, Canondah,« versetzte der Jüngling, »ich bin ein Brite, ein Offizier, vom Seeräuber überfallen und seiner Mordhöhle entronnen. Mein Entschluß steht fest, ich muß euch verlassen.«

      Er wollte Rosen bei der Hand fassen; doch die Indianerin prallte zurück, als ob sich ihr ein Verpesteter genähert hätte, und heftig auf den Vorhang deutend, umschlang sie das Mädchen wieder. Er entfernte sich schweigend und betroffen.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Es war etwas in dem Benehmen des jungen Mannes während der letzten Auftritte gewesen, das rasch, vorschnell, ja herzlos genannt werden dürfte. Selbst beim reinsten Pflichtgefühl mochte es immerhin nicht vonnöten gewesen sein, die Eigenliebe der edlen Naturkinder so plötzlich, so tief zu verletzen. Der in seinem Gesichte ausgesprochene und dem Briten so eigentümliche Zug von schneidendem Hohne war im hohen Grade unedel, selbst wenn wir die ungestüme Zudringlichkeit der Indianerin zu seiner Entschuldigung gelten lassen wollen. Nichtsdestoweniger dürfte es schwer sein, den Jüngling leichthin zu verdammen oder rücksichtsloser Roheit zu beschuldigen. Es liegt nun einmal im britischen Charakter jener abstoßende starre Zug, der sich so gern isoliert, und scharf in sich selbst einzwängt, jener schroffe, unbeugsame, aristokratische Sinn, der sich selbst, und nur sich selbst im Auge hat. Wir würden ihn verdammen, diesen selbstsüchtigen Kaufmanns- und Aristokraten-Zwittersinn, der im ersten Augenblicke gewissermaßen aus dem Gesichte des Angeschauten herausmißt, ob er wohl näherer Berührung würdig sei, wenn er nicht eine so achtbare Grundlage und so große Dinge bewirkt hätte. Es liegt dieser Gefühllosigkeit eine Verstandesreife zum Grunde, die nur durch vielfältig überstandene Kämpfe und Gefahren, durch lange Anschauung, durch vielfältig angestellte Vergleiche zwischen Wirklichkeit und Täuschung, durch kräftig bewirktes Gelingen und erkämpften Genuß von positiven Rechten und Freiheiten erwuchs; ein Gefühl, das zur Selbstachtung geworden, ein bereits höherer, edlerer Nationalstolz, der sich nicht töricht sklavischer Weise auf gewonnene Schlachten und den Ruhm eines sogenannten Kriegshelden, sondern auf positives, selbst erworbenes Recht gründet, der bereits in

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