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Kochen ist. »Is's wahr? Gfallt's Ihnen? No, Gott sei Dank! Da is mir a ganzer Stein von der Seel! Denn daß ich's gradweg raussag, auf d'Letzt hab ich schon selber a bissl gforchten, es gfallt Ihnen net. Unsereiner versteht sich schlecht auf solchene Deggerazionsgschichten. Plagt haben wir uns gnug, aber angstellt haben wir uns alle mitanand wie der Holzknecht, wann er a Grillenhäusl macht. Aber Gott sei Dank, weil's Ihnen nur gfallt!« Er nahm die Hand des Fürsten in den Schraubstock seiner Fäuste. »Und da sag ich halt jetzt Grüßgott und Weidmanns Heil, Herr Fürst! Jetzt lassen Sie's Ihnen recht gut gehn bei uns da heraußen! Wir haben uns schon verzählen lassen, wie schwer krank als S' gewesen sind. Ja, meiner Seel, a bißl gring schauen S' noch allweil aus am Leib — wie a Hirscherl, dös mit knapper Not über an schiechen Winter ummigrutscht is!«

      Der Lakai warf einen erschrockenen Blick auf seinen Herrn. Der aber betrachtete den Förster mit Wohlgefallen.

      »Passen S' nur auf, Duhrlaucht, unser Lüftl da heraußen, dös richt Ihnen schon wieder zamm aufn Glanz!«

      Der Fürst lächelte. »Ja, ich merke schon, ich werde mich wohlfühlen hier! Die Luft, in der Sie sich so kerngesund ausgewachsen haben, wird auch mir bekommen!« Er gab dem Lakai einen Wink, ins Haus zu treten. »Und nun will ich meine Jäger kennenlernen. Ich bitte, mein lieber — wie heißen Sie, Herr Förster?«

      »Kluibenschädl!«

      Der Fürst schien nicht zu verstehen. »Wie, bitte?«

      Verlegen schwieg der Förster, und sein rotes Gesicht wurde noch röter. Dann platzte er heraus: »Wenn Duhrlaucht nix dagegen haben, heiß ich halt amal Kluibenschädl! Da is nix dran z'ändern!«

      Der Fürst konnte nur schwer seinen höflichen Ernst bewahren. »Mein Ohr ist nicht gewöhnt an die hier üblichen Ausdrücke«, sagte er, »verzeihen Sie also, Herr Förster, wenn ich nicht gleich verstanden habe.«

      »Klui — ben — schädl!« buchstabierte mit etwas gereizter Deutlichkeit der Förster, dem die Adern an Stirn und Schläfen schwollen.

      »Jetzt hab ich verstanden!« Erheitert bot Ettingen dem Förster die Hand. »Aber wollen Sie nun die Güte haben, mir die Jäger vorzustellen?«

      Der Förster trat vor seine Leute hin. »Bitte, Duhrlaucht, die ersten zwei, dös sind der Kassian Birmoser und der Krispin Ruef, die zwei Jager von Leutasch draußen. Der dritte da, dös is der Silvester Beinössl, der Jager von Ehrwald drunt. Und die letzten, dös sind die zwei Tillfußer Jager, der Toni Mazegger und der Praxmaler-Pepperl.«

      Der Fürst hatte jedem Jäger die Hand gereicht und jeden mit prüfendem Blick betrachtet. Mazegger und Praxmaler schienen sein besonderes Interesse zu erwecken. Die beiden standen nebeneinander, wie unfreundlicher Schatten neben warmer, gesunder Helle. Mazegger, der jüngste von allen, mochte etwa dreiundzwanzig Jahre zählen. Auffällig unterschied sich seine Gestalt von dem derben, bäuerischen Typus der anderen. Fast glich er einem Städter, der sich mit gesuchter Echtheit in die malerische Tracht der Hochlandsjäger gekleidet hat. Das hagere, von dunklem Flaum umkräuselte Gesicht war sonnverbrannt wie die Gesichter der anderen, und trotzdem erschien es blaß und ohne Blut. Ein Zug von unwilliger Verschlossenheit lag um den scharfgezeichneten Mund, und unter dem Schatten, den die schwarzen, in dicken Büscheln vorfallenden Haare über die Stirne warfen, brannten die tiefliegenden Augen mit düsterem Feuer.

      »Sind Sie hier in der Gegend geboren?« fragte der Fürst, dem der südländische Typus des jungen Jägers auffiel.

      »Nein, Durchlaucht!« erwiderte Mazegger in einem Hochdeutsch von kaum merklicher Dialektfarbe. »Ich bin in der Nähe von Trient daheim.«

      »Und Ihre Eltern? Was sind die?«

      Dem Jäger schien die Frage seines Herrn nicht willkommen zu sein; er gab seine Antwort zögernd, während er den Hut zwischen den Händen zerknüllte. »Mein Vater war Lehrer. Als man bei uns im Dorf die deutsche Schule aufhob und die italienische einführte, wurde mein Vater abgesetzt. Das hat er nicht überlebt. Er ist ins Wasser gesprungen.«

      Der Fürst trat einen Schritt zurück, peinlich berührt. Aber sein Mitgefühl war stärker als das Befremden, das der gallige Ton des Jägers in ihm geweckt hatte. »Sie haben Trauriges erlebt. Das trägt sich schwer. Und deshalb verließen Sie Ihre Heimat?«

      Eine Furche grub sich zwischen Mazeggers schwarze Brauen. »Nach dem Tod meines Vaters hab ich nicht weiterstudieren können und bin zu Verwandten gekommen, die draußen in der Leutasch wohnen. Ich hab verdienen müssen. Die zwei letzten Jahre, solang der Herr Herzog die Jagd noch hatte, hab ich Aushilfsdienste geleistet. Vor sechs Wochen, wie die Jagd an Durchlaucht übergegangen ist, bin ich von Graf Sternfeldt als Jäger angestellt worden.« Während er diese letzten Worte eintönig hersagte, musterten seine schwarzen Augen den Fürsten mit einem halb scheuen, halb feindseligen Blick, wie man einen Menschen betrachtet, von dem man in unbehaglicher Ahnung eine Gefahr befürchtet.

      Ettingen schien dieses Widerstreben zu fühlen. Leichte Röte glitt ihm über die Stirn. Die Regung überwindend, sagte er freundlich: »Sie sollen es gut bei mir haben. Ich hoffe, Ihr Beruf macht Ihnen Freude und läßt Sie die Schule verschmerzen, die Sie aufgeben mußten.«

      Mazegger schwieg. Und Förster Kluibenschädl sagte lachend: »Mir scheint eher, die Schul hat ihn aufgeben! 's Parieren is bei ihm net die stärkste Seiten. Aber er wird sich schon machen mit der Zeit.« Das war gewiß gut gemeint, aber aus Mazeggers Augen huschte ein zorniger Blick über das lachende Gesicht des Försters. »Ja, ja! Wenn er möcht, der Toni, könnt er sich zu eim tüchtigen Jager auswachsen. Wenigstens hätt er 's beste Beispiel an seim Tillfußer Kameraden. Unser Praxmaler-Pepperl is a Jager, allen Respekt!«

      »Aber, aber, Herr Förster!« stotterte Praxmaler so stolz verlegen wie ein Kind, das der Lehrer vor der ganzen Schule lobt. Die Fußspitzen nach einwärts drehend, wand er die Schultern unter der Joppe und blinzelte verwirrt zu seinem Herrn auf.

      Mit Wohlgefallen ruhten die Augen des Fürsten auf dem gesunden, anheimelnden Bild des Jägers, der ein paar Jahre älter als Mazegger sein mochte. Eine Gestalt wie aus Eisen gefügt, strotzend von Kraft und Jugend. Die nackten Knie waren durchrissen von Narben, die verrieten, daß Praxmaler beim Klettern über die Felsen um seine Haut nicht sehr besorgt war. Das runde, dunkelgebräunte Gesicht war an Kinn und Wangen rasiert, und auf der vollen Oberlippe, die bei stetem Lächeln die festen Zähne sehen ließ, saß ein zausiges Blondbärtchen. Das Hübscheste an diesem Gesicht waren die hellblauen Augen mit ihrem strahlenden Glanz. Das aschblonde, schimmerige Haar umhüllte den Kopf mit hundert winzigen Ringeln — »Kreuzerschneckerln« nennt sie ein Volkswort —, und das war anzusehen, als hätte man dem Praxmaler-Pepperl ein gekraustes Lammfell über die Ohren gestülpt.

      Immer verlegener wurde der Jäger, je länger ihn der Fürst mit schweigendem Lächeln betrachtete. Und schließlich, als könnte er die stumme Musterung nicht länger ertragen, stotterte er: »Herr Fürst! Wenn S' morgen gleich an guten Gamsbock schießen möchten, ich weiß a paar sichere. Mögen S'! Ja?«

      »Ich danke, lieber Praxmaler! Mit dem Jagen hat es noch Zeit. Vorerst muß ich ein paar Tage Ruhe haben. Aber wenn ich meinen ersten Pirschgang mache, sollen Sie mich führen! Ja? Bis dahin auf Wiedersehen! Und macht euch heut einen vergnügten Abend, laßt euch aus Küche und Keller geben, was euch schmeckt! Aber trinkt nicht mehr, als ihr vertragen könnt! Ein Jäger, der sich bekneipt? Das gefällt mir nicht.« Grüßend lüftete Ettingen den Hut und schritt, vom Förster begleitet, zur Tür des Jagdhauses. Während sie über die steinerne Treppe zum Flur hinaufstiegen, fragte er: »Haben Sie Familie, Herr Förster?«

      Kluibenschädl machte ein erschrockenes Gesicht. »Familli? Ich? So an unguts Frauenzimmer im Haus? Na na! Da bleib ich lieber allein. Die Weiberleut! Auf die bin ich gar net gut zum Reden. Bloß hinschauen därf so a Frauenzimmer auf a gsunds Platzl, so schießt schon an Unkräutl in d' Höh, und a bravs Mannsbild stolpert drüber. Na na! Da mag ich nix wissen davon. Wenn S' gscheit sind, Duhrlaucht, machen Sie's grad so! Hüten S' Ihr liebe, kostbare Jugend vor die Weiberleut! Man hat net viel mehr davon als Wehdam und Ärger. Is schon wahr!« Der Förster lachte mit breitem Behagen.

      Schweigend

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