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mit«, erklärte Lucius. Auch Ulrich hatte sich erhoben, er sah angespannt aus.

      Franziska versuchte, die plötzliche Spannung zu zerstreuen. »Was ist denn mit euch los? Es hat nur jemand geklingelt!« Sie verließ die Terrasse und eilte zur Haustür.

      Als sie geöffnet hatte, blieb ihr vor Erstaunen die Sprache weg: Vor ihr stand Dr. Hoyningen, der Notar ihres Vaters, mit seiner Sekretärin, Frau Aldekamp.

      »Ich hätte Sie gern gesprochen, Frau zu Randershausen«, sagte der Notar sichtlich nervös. »Entschuldigen Sie diesen Überfall, aber es ist außerordentlich wichtig.«

      »Ich … ich bin nicht allein«, erklärte Franziska. »Freunde von mir sind da …«

      Es war Iris Aldekamp, die jetzt das Wort ergriff. »Wenn es Freunde sind, dann dürfen sie hören, was Dr. von Hoyningen zu sagen hat«, erklärte sie. »Vielleicht ist es sogar ganz gut, wenn es mehrere Zeugen für dieses Gespräch gibt.«

      »Dann kommen Sie bitte herein«, sagte Franziska. »Wir sitzen draußen auf der Terrasse …«

      »Es wäre besser, das Gespräch würde im Inneren des Hauses geführt«, erklärte Robert mit stockender Stimme. »Wenn Freunde von Ihnen dabei sind, ist das in Ordnung – aber Fremde sollten es nicht hören.«

      Franziska rief also alle ins Haus. Der Notar schluckte, als er sah, vor wie vielen Menschen er sein Geständnis würde ablegen müssen, doch ein Zurück gab es jetzt nicht mehr.

      »Sollen wir wirklich auch bleiben?«, fragte Bodo in die Stille hinein, die entstanden war, als alle in der Küche um den großen Tisch herum versammelt waren. »Ich meine, wir gehören ja eigentlich nicht richtig dazu.«

      »Doch!«, widersprach Franziska mit fester Stimme. »Ihr gehört dazu, und ich möchte, dass ihr bleibt. Also, Herr von Hoyningen – was haben Sie uns zu sagen?«

      Robert stand wieder einmal der Schweiß auf der Stirn, aber er hatte sich auf diesen Augenblick gut vorbereitet. Zu Beginn seiner Erklärung geriet er immer wieder ins Stocken, aber nach einer Weile fing er sich und sprach immer flüssiger.

      Alle Anwesenden lauschten ihm wie gebannt. Als er endlich schwieg, herrschte Stille. Bodo war der Erste, der diese nicht mehr ertrug. »Und jetzt?«, fragte er, an Franziska und Elsbeth gewandt. »Was macht ihr jetzt?«

      »Ich kann nichts beweisen«, erklärte Robert unglücklich. »Das richtige Testament ist vernichtet, mitsamt allen Kopien, ein anderes gab es nicht. Ihr Halbbruder, Herr zu Randershausen, wird natürlich alles bestreiten, dann steht Aussage gegen Aussage. Trotzdem werde ich mich selbst anzeigen, ich will nicht mein Leben lang erpressbar sein. Ich kann Sie nur um Verzeihung bitten. Mir tut es unendlich leid, dass ich nicht die Kraft hatte, mich gegen diese Versuchung zu wehren. Aber glauben Sie mir bitte: Ich habe bereits gebüßt dafür.«

      Franziska war weiß wie die Wand geworden während des Berichts, jetzt nickte sie nur, sprechen konnte sie noch nicht. Zu ungeheuerlich war das, was sie soeben über Alexis erfahren hatte.

      »Eine Hoffnung allerdings habe ich«, fuhr der Notar fort.

      »Und welche?«, fragte Ulrich, als er nicht weitersprach.

      »Mir schien, dass Herr zu Randershausen mir gegen Ende seines Lebens nicht mehr vollständig vertraute. Dass er seinem Sohn gegenüber misstrauisch geworden war, hatte ich schon vorher gemerkt – es kam mir so vor, als ahnte er, was passieren könnte. Er kannte mich natürlich ganz gut, und so wusste er um meine … meine Schwächen.« Robert schluckte. »Es könnte sein, dass sich irgendwo hier im Haus noch ein Testament befindet, das er mir nicht mehr anvertraut hat. Gefunden haben Sie es bisher wohl nicht?«

      »Nein«, antwortete Franziska mit belegter Stimme, »aber natürlich haben wir auch nicht danach gesucht – dazu sahen wir ja keine Veranlassung.«

      »Ich bin nicht sicher, dass es exis­tiert«, erklärte der Notar. »Es ist nur eine Vermutung. Oder eher noch: eine Hoffnung.«

      »Wir können es suchen«, schlug der kleine Fürst vor.

      »Wenn es ein Testament gibt, finden wir es bestimmt!«, rief Anna.

      Niemand erwiderte etwas – zu schwer belastete das Geständnis des Notars die Atmosphäre. Schließlich fragte Iris Aldekamp, die bis dahin geschwiegen hatte: »Haben Sie noch weitere Fragen? Ich würde Herrn von Hoyningen sonst gerne zurück in die Klinik von Dr. Hornung fahren. Sie können ihn dort jederzeit erreichen. Ihr Halbbruder, Herr zu Randershausen, weiß natürlich nichts von diesem Aufenthaltsort.«

      »Ich habe im Augenblick keine Fragen mehr«, erklärte Franziska. »Trotz allem danke ich Ihnen, dass Sie heute gekommen sind.«

      »Ich hoffe, Sie können mir eines Tages verzeihen«, sagte der Notar leise.

      Als die Besucher abgefahren waren, blieb Franziska an der Haustür stehen. Mit einem Mal verließ sie die Kraft, sie fing an zu weinen.

      Lucius schloss sie in die Arme und hielt sie fest. Er konnte sich vorstellen, wie erschüttert ein Mensch sein musste, der soeben erfahren hatte, dass er von einem Verwandten aufs Schlimmste betrogen und hintergangen worden war.

      Als sie sich beruhigte, murmelte sie: »Entschuldige, ich weine sonst nicht so schnell.«

      »Du darfst ruhig weinen, Franzi«, erwiderte er. »Wenn es dieses verdammte Testament gibt, werden wir es finden, das garantiere ich dir.«

      »Glaubst du?«

      »Ich weiß es! Du, Franzi?«

      »Ja?«

      »Ich liebe dich. Ich liebe dich, wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe. Ich möchte immer mit dir zusammen sein, mich nie mehr von dir trennen – ganz gleichgültig, ob du nun arm bist oder reich.«

      Er hatte noch mehr sagen wollen, doch sie hinderte ihn durch einen Kuss daran, einen sanften Kuss, der ein wenig salzig schmeckte, nach ihren Tränen, die ihr bis eben über die Wangen gelaufen waren. Für immer würde er diesen Geschmack mit dem ersten Kuss verbinden, den Franziska und er einander gegeben hatten.

      *

      Niemand dachte daran, nach Hause zu fahren oder sich schlafen zu legen: Im Haus setzte unmittelbar, nachdem Robert von Hoyningen und seine Sekretärin abgefahren waren, die fieberhafte Suche nach dem eventuell vorhandenen Testament ein. Nicht einmal Elsbeth, die sich nicht so leicht anstecken ließ, blieb ruhig und abgeklärt. Die Möglichkeit, der Not der vergangenen Monate vielleicht durch einen glasklaren Beweis ein Ende zu machen – und nicht durch einen mühsamen Prozess, dessen Ausgang unsicher war – feuerte sie ebenso an wie Ulrich und seine Freunde und die beiden Sternberger Teenager. Einzig Franziska und Lucius beteiligten sich nicht an der nächtlichen Suche – sie saßen eng umschlungen auf der Terrasse, küss­ten sich, versicherten sich gegenseitig ihre Liebe und schienen die Bewegung auf allen Stockwerken des Hauses nicht einmal zu bemerken.

      Zwei Stunden später erlahmte die Begeisterung, alle wurden müde, und Ulrich blies die Suche schließlich ab. »Das wird jetzt sowieso nichts mehr«, sagte er. »Ich schlage vor, wir gehen schlafen und denken erst einmal in aller Ruhe nach, bevor wir die Suche fortsetzen. So hat das keinen Zweck. Wenn Franzis Vater wirklich ein Tes­tament versteckt hat, dann hat er dafür sicherlich einen Ort gewählt, den er mit Bedacht ausgewählt hat. Den finden wir eher, wenn wir nachdenken, als wenn wir kopflos suchen.«

      Die anderen mussten ihm zustimmen, und so machte sich Lucius, der sich nur ungern von Franziska trennte, mit zwei enttäuschten Jugendlichen ebenso auf den Heimweg wie Bodo, Kurt und Armin.

      Auch Franziska zog sich zurück, während Elsbeth und Ulrich noch in der Küche blieben. »Willst du nicht schlafen gehen?«, fragte sie.

      »Nicht ohne dir zu sagen, dass ich mich in dich verliebt habe, Elsbeth – und dass es mir ernst ist damit.«

      Sie sah ihn an, ohne etwas zu erwidern.

      »Was ist?«, fragte er nervös. »Sag etwas, Elsbeth!«

      »Mir ist es auch ernst mit dir«, erwiderte sie.

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