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fortwährend erneute, immer derselbe und gleich vergeblich blieb.

      Endlich machte sich die Ermüdung dieser langen Nachtwache in mir fühlbar. Meine Gedanken wurden dunkel – einige Augenblicke später versank ich in einen fieberhaften Schlaf, der weit entfernt war, mich zu erquicken – die Aufregung des Denkens nahm eine andere Form an und gab sich durch eine Reihenfolge von quälenden Träumen kund. Die Empfindungen und Ideen, gegen welche ich immer matter kämpfte, so wie während der Nachtwache die Ermüdung meines Geistes zunahm, stürmten, jetzt alles Zwanges ledig, mit Gewalt auf mich ein.

      Mein Traum war folgender.

      Ich sah mich auf einer weiten Ebene, die auf der einen Seite von einem dichten Walde, dessen geheimnißvolle Tiefen das Auge nicht durchdringen konnte, und von der andern durch übereinander aufsteigende Berge begrenzt ward, deren Gipfel sich in hellen, weißen, von heitrem Lichte strahlenden Wolken verloren. Auf der andern Seite über dem Walde war der Himmel düster und nebelig. Es schien, als ob dichte Dünste unter den Bäumen aufgestiegen wären, um die Klarheit des Firmaments auf dieser Seite zu trüben.

      Während ich auf der Ebene stehen blieb und meine Blicke um mich her schweifen ließ, sah ich aus dem Walde heraus eine Dame auf mich zukommen. Sie war von hoher Gestalt, ihr schwarzes üppiges Haar umwallte sie, und ihr Gewand, von derselben braunen Farbe wie die über dem Walde hängenden Nebel dünste, fiel in dichten Falten bis aus ihre Füße herab.

      Sie kam rasch, aber leise auf mich zu, gleich jenen Wolkenschatten, welche über ein in der Reife stehendes Getreidefeld oder über die ruhige Fläche des Wassers hingleiten.

      Ich drehte mich nach der andern Seite herum. Von den Bergen herab kam ebenfalls eine weibliche Gestalt, aber ihr Gewand war von glänzender, reiner und durchsichtiger weißer Farbe. Auf ihrem Gesichte spiegelte sich ein Licht, welches mit dem sanften Glanze des Herbstmondes zu vergleichen war. Hinter sich ließ sie eine leuchtende Spur, gleich der, welche die Sternschnuppen am Winterhimmel zu ziehen pflegen. Sie kam bis an die äußerste Grenze herab, wo die Berge sich mit der Ebene verschmolzen, und ich bemerkte, daß sie mir mit der Hand winkte und mich aufforderte, mich ihr zu nähern.

      Mittlerweile kam die aus dem Walde hervorgetretene Gestalt mir so nahe, daß ich ihren keuchenden, heißen Athem an meiner Wange fühlte. Ihre auf die meinigen gehefteten Augen bestrickten mich und sie öffnete mir ihre Arme. Ich berührte ihre Hand, und bei dieser plötzlichen Berührung durchzuckte mich eine Flamme vom Wirbel bis zur Sohle. Und ihre glänzenden Augen hefteten sich immer fester auf mich, indem sie mich mit ihrer Flamme durchbohrten. Ihre geschmeidigen Arme schlossen sich um meinen Hals und sie zog mich einige Schritte in der Richtung des Waldes vorwärts.

      Ich fühlte, wie die Lichtstrahlen entschwanden, welche die ausgestreckte Hand der andern Gestalt bis zu mir hatte dringen lassen, und richtete meine Blicke nach den Bergen. Sie ging wieder nach den glänzenden Wolken hinauf, blieb aber von Zeit zu Zeit stehen, drehte sich herum, kreuzte die Hände über ihrer Brust und senkte zum Zeichen der Betrübnis das Haupt.

      Als ich sie das letzte Mai nach mir herschauen sah, berührte sie bereits die Wolken. Von da an sah ich aber Nichts mehr von ihr, denn die Gestalt, welche mich nach dem Walde zog, faßte mich fester, ihre glühenden Lippen preßten die meinen, und es war mir, als wenn ihr langes Haar uns Beide einhüllte und sich wie ein Schleier zwischen mich und die fernen in Licht gebadeten Berge drängte, wo jene andre Gestalt langsam in die glänzenden Wolken emporstieg.

      Ich ging immer weiter – umschlungen von den Armen der braunen Gestalt. Ich ging während mein Blut kochte und mein Athem keuchte, bis zu dem Augenblicke, wo wir im Schooße dieses schattigen Labyrinthes einen abgelegenen, kleinen freien Platz erreichten.

      Hier hüllte sie mich in die Falten ihres braunen Gewandes, näherte ihre glühenden Wangen den meinen und murmelte mir eine bezaubernde Melodie in’s Ohr, und jeder Gedanke nach der Ebene zurückzukehren, verließ mich, denn ich hatte die von den leuchtenden Bergen herabgestiegene Gestalt vergessen, um mich mit Leib und Seele der aus dem Walde gekommenen hinzugeben.

      Hier war der Traum zu Ende und ich erwachtes.

      Es war schon heller Tag; die Sonne schien und es zeigte sich keine Wolke am Himmel. Ich sah nach meiner Uhr – sie war stehen geblieben. Nicht lange darauf schlug es auf einer benachbarten Turmuhr Sechs.

      Das Ende meines Traumes hatte ganz besonders einen lebhaften Eindruck in meinem Gedächtnisse zurückgelassen. War es eine Verkündung dessen, was mir begegnen würde? Aber zu welchem praktischen Entschlusse konnte dieser Traum – wie überhaupt alle Träume – mich führen? Warum war er unvollständig geblieben? Warum zeigte die Vision mir nicht die Folgen der That, welche sie andeutete?

      Wie abergläubisch wars diese Frage! Verdienten die Trugbilder eines Traumes wohl, meine Aufmerksamkeit zu fesseln?

      Dennoch aber hatte dieser Traum eine dauernde Spur zurückgelassen. Damals bemerkte ich es nicht, aber später sah ich es ein.

      Mit dem Lichte des Tages, welche dem Geiste seine Sicherheit wieder giebt und die Sinne neu belebt; war es mir ziemlich leicht, aus meiner Phantasie, oder vielmehr aus meinem Bewußtsein eine allzu ausgesprochene Tendenz zu verbannen, in diesen beiden Gestalten, welche mein Traum mir vorgeführt, die Personificationen zweier wirklich lebender Wesen zu sehen, deren Namen meine Lippen beinahe zitternd aussprachen.

      Aber nicht in gleicher Weise konnte ich aus meinem, Herzen die reizenden Bilder verbannen, welche diese Vision der Anbetung meiner Sinne vorgeführt hatte.

      Diese Nacht mußte Folgen haben, und jeden Augenblick erschreckten mich die Eindrücke, welche sie in mir zurückgelassen, durch ihren Fortschritt.

      Wenn man mir früher gesagt hätte, daß schon das Anbrechen des Tages mich wieder beleben und ermuthigen würde, so hätte ich diese Voraussehung als eine Beleidigung betrachtet. Und dennoch war dem so.

      So wie der Tag erschien, entschwanden meine verworrenen Betrachtungen, meine Befürchtungen und Beklemmungen während dieses innern Kampfes. Nur das anmuthige Bild Margarethens, blieb eben so zurück wie die Liebe, welche dadurch wachgerufen ward. Und diese Liebe triumphirte ohne Widerstand. War es denn mit den Ueberzeugungen, die ich so eben noch gehabt, wie mit jenen Nebeln der Nacht, welche vor dem Schimmer des Morgens zerrinnen. Ich weiß es nicht, aber ich war jung und jeder neue Morgen ist in meinem Alter ein Erwachen der Jugend, eben so wie ein Erwachen der Natur.

      Ich verließ demnach mein Cabinet und ging aus. Ich kümmerte mich nicht um die möglichen Folgen meines neuen Gefühls. Es war als ob ich jeden melancholischen Gedanken an der Schwelle meines Zimmers zurückgelassen hätte, als ob mein Herz jetzt, nachdem es unter der Wucht der schweigenden Nacht gesenkt, sich mit höherer Spannkraft ausrichtete.

      Die Gegenwart genießen, für die Zukunft hoffen und mich übrigens dem Zufalle und dem Glück bis zum letzten Augenblicke anvertrauen, dies war das Symbol meines Glaubens, und ich begann durch die Straßen zu eilen, beseelt von dem Wunsche, Margarethen zu begegnen und ihr, noch ehe der Tag endete meine Liebe zu gestehen.

      Freudig athmete ich die frische Luft des Nordens; der heitere Sonnenschein entzückte mich und ich lenkte meine Schritte leichtfüßig wie ein Schüler, wenn die Schule aus ist, nach Hollyoak Square.

      Zehntes Kapitel

      London erwachte überall zur Thätigkeit des Morgens. Während ich die Straßen durchschritt, öffnete man die Schaufenster der Kaufläden. Die Branntweinverkäufer, diese Vampyre, welche an dem Leben Londons saugen, öffneten die Augen und suchten schon ihre neue Beute für diesen Tag zu erspähen. In den ärmeren Stadttheilen begannen die kleinen Tabak- und Kramläden und unsaubern Schankwirthschaften ihr Tagewerk.

      Hier beschleunigte ein verspäteter Arbeiter den Schritt, um auf den Zimmerhof oder in die Maschinenbauwerkstätte zu gelangen. Dort trat ein alter Bürger von pedantischer Lebensweise aus dem Hause, um vor dem Frühstücke seinen gewohnten Morgenspaziergang zu machen.

      Bald fuhr ein schon seiner Fracht entledigter Gemüsekarren an mir vorüber, um auf das Land zurückzukehren; bald war es eine mit Gepäck beladene Droschke, welche bleiche, verschlafen aussehende Reisende nach einem Eisenbahnhofe oder einer Dampfschiffstation brachte.

      Die Bewegung der großen

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