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Neue war ein Rekrut wehrt in den Reihen der Schurkerei und Keiner, der einmal m diese Höhle der Schmach einzog, ging daraus hervor, ohne ein geschworener Verächter des Gesetzes, der Ordnung und der »freien« Leute draußen zu werden. Was er vorher gewesen sein mochte, darauf kam es nicht an. Er war jetzt ein Gefangener, der mit in der stinkenden Baracke lebte, der ein Gefährte des Auswurfs der Menschheit geworden, dessen Auge und Ohr täglich und stündlich alle möglichen Scheußlichkeiten , Lästerungen und Unanständigkeiten sah und hörte. Er verlor bald seine Selbstachtung und wurde das, wofür ihn seine Kerkermeister von vornherein hielten – ein wildes Thier, das unter Schloß und Riegel gehalten werden mußte, damit er nicht ausbreche und sie zerreiße.

      Die Unterhaltung drehte sich um die plötzliche Abholung der vier Leute.

      Wozu brauchte man sie zu dieser Stunde?

      »Ich sage Euch, es ist etwas auf Deck los,« sagte Einer aus der nächsten Gruppe. »Hört Ihr nicht das Rollen und den Lärm ?«

      »Warum haben sie die Boote in See gelassen? Ich hörte das Einschlagen der Ruder.«

      »Ich weiß nicht, Kamerad. Vielleicht ein Begräbniß,« sagte ein kurzer, kleiner Kerl als eine glücklich gefundene Erklärung.

      »Einer aus der Kajüte!« sagte ein Anderer und Alle lachten.

      »Solch’ Glück gibts nicht. Ihr werdet noch lange nicht Euren Klüver ihretwegen herunterlassen. Vielleicht ist der Schiffer fischen gegangen.«

      »Der Schiffer fischt nicht, Du Narr. Was sollte er fischen, mitten in der Nacht?«

      »Das wäre ja wie der alte Dovery,« sagte ein Fünfter und spielte auf einen alten, grauhaarigen Burschen an, der, ein rückfälliger Deportierter, wegen Plünderei verurtheilt war.

      »Ja,« fügte ein junger Mann hinzu, der den Ruf des feinsten Spions der Einbrecher in London hatte, »Menschenfischer, wie der Pfaffe sagt.«

      Die näselnde Stimme eines Methodistenpredigers wurde so gut von ihm nachgemacht, daß es ein großes Gelächter gab. In diesem Augenblick grade fiel ein elender kleiner Cockney-Taschendieb, der sich nach der Thür hin fühlte, mitten in den Kreis.

      Eine Fluth von Schimpfreden und Flüchen empfing ihn.

      »Ich bitte um Vergebung, meine Herren,« rief der erbärmliche Kerl, »aber ich muß Luft haben.«

      »Dann laß Dich rasieren und Dir den Hals aufschneiden,« schrie der Kerl, welcher vorhin schon mit seinem Witz einigen Erfolg gehabt hatte.

      »O Herr, mein Nacken!«

      »Steht auf,« ächzte Jemand in der Dunkelheit.

      Der Sprecher verbarg seinen Kopf unter der Decke, als ob er zu bescheiden sei, sich sehen zu lassen.

      Während dieser ganzen Zeit war der Cockney , ein Schneider seines Zeichens, von den Andern unter die Füße getreten.

      »Laßt mich auf, ihr Herren, laßt mich auf! Ich glaube, ich bin am Sterben, – o sicher!«

      »Laßt den Herrn aufstehen,« sagte der Spaßmacher aus seiner Koje. Hört Ihr nicht, sein Wagen wartet schon, um ihn in die Oper zu fahren.«

      Die Unterhaltung war etwas laut geworden und aus der nächsten, obersten Koje streckte sich jetzt ein Bullkopf heraus.

      »Kann man denn hier nicht mal schlafen ?« schrie eine rauhe Stimme. »Bei meinem Blut, wenn ich aufstehe, schlage ich ein paar von Euren Strohköpfen zusammen!«

      Es schien, als ob der Sprecher ein gutes Gewicht bei den Leuten hatte, denn der Lärm hörte sogleich auf und in der Stille, die nun folgte, ertönte ein durchdringender Schrei, den der elende Schneider ausstieß.

      »Hilfe! Sie tödten mich! Ach, ach!«

      »Was gibts?« brüllte der Mann, der eben Schweigen geboten hatte, sprang aus seiner Koje und warf die Kerls nach rechts und links auseinander.

      »Laßt ihn in Ruhe, hört Ihr?«

      »Luft!« schrie der arme Teufel, »Luft, ich sterbe!«

      Da stöhnte der Mann in der nächsten Koje grade ganz schrecklich.

      »Na, Gott soll mich segnen,« rief der Riese, als er den nach Luft schnappenden Schneider in die Höhe hielt und sich umblickte, »alle die Kücken hier haben den Kroup bekommen!«

      Das Stöhnen des Mannes in seiner Koje wurde immer stärker.

      »Sagt’s der Wache,« meinte Einer, der menschlicher fühlte als die Andern.

      »Ja,« rief der Witzbold, »laßt ihn hinaus, wir wollen lieber Einen leeren Platz als ihn selbst haben.«

      »Wache, ein Mann ist krank.«

      Aber die Wache kannte ihre Pflicht besser, als daß sie geantwortet hätte. Es war ein junger Soldat, aber er war wohl vor den Listen und Ränken der Gefangenen gewarnt worden und überdies hatte ihm Kapitain Vickers auseinandergesetzt, »daß nach den Königlichen Befehlen er weder auf eine Frage noch auf eine Anrede eines Gefangenen antworten dürfe, sondern in solchem Falle dem Offizier, der das Kommando habe, Anzeige machen müsse.« Obgleich nun der Posten leicht die Wache auf dem Quarterdeck hätte anrufen können, so fühlte er doch eine sehr natürliche Abneigung, solches zu thun, – nur um eines kranken Deportierten willen – weil in wenigen Minuten die Ablösung kommen mußte. So beschloß er, zu warten. Der Schneider befand sich ebenfalls immer schlechter und fing jämmerlich an zu stöhnen.

      »He, hallo,« schrie sein Beschützer unruhig werdend, »halt ich aufrecht. Was ist mit Dir? Da stehen ihm die großen Tropfen auf der Stirn. Laßt ihn hinaus, Ihr da!«

      Der Bursche wurde bis an die Thür geschleppt.

      »Vater,« stöhnte er und schlug schwach mit seiner Hand an die dicke Eichenthür. »Gebt Einem zu trinken, Herr, um Gottes Willen, zu trinken!«

      Aber die kluge Schildwache antwortete nicht, bis endlich die Schiffsuhr die Ablösung ankündigte und da kam auch der alte, ehrliche Pine und erkundigte sich besorgt nach den Leuten. Man sagte ihm, daß noch ein Gefangener krank sei! Er ließ die Thüre aufschließen und sogleich war auch der Schneider draußen. Ein Blick auf das verstörte, glühende Gesicht sagte ihm genug.

      »Wer stöhnt dort ?« fragte er. Es war der Mann, der schon seit einer Stunde nach der Wache gerufen hatte und Pine ließ ihn auch hinaus kommen.

      »Führt Beide nach hinten in’s Hospital,« sagte er, »und Jenkins, wenn noch irgend ein Mann krank wird, so muß ich gleich gerufen werden. Ich bleibe auf Deck.«

      »Wir haben das Fieber an Bord.«

      »Bei Gott, Pine, ist das wahr«?«

      Pine schüttelte traurig seinen grauen Kopf.

      »Das ist die verdammte Windstille! Ich habe es zwar immer erwartet, denn das Schiff ist zu voll. Als ich in der Hekuba war —«

      »Wer ist der Kranke ?«

      Pine lachte halb mitleidig, halb ärgerlich:

      »Natürlich, nur ein Gefangener. Wer sollte es sonst sein? Sie dampfen wie die Ochsen in ihren Ställen in Smithsield. Hundertundachtzig Mann in einen Raum gesperrt, der fünfzig Fuß lang ist und eine Luft hat wie ein Ofen. Was kann man anders erwarten?«

      Der arme Blunt stampfte mit dem Fuß.

      »Es ist nicht mein Fehler,« rief er. »Die Soldaten sind nach hinten gebracht. Wenn die Regierung die Schiffe überladen will, so kann ich nichts machen.«

      »Die Regierung, ja die Regierung, die schläft nicht zu sechzig Mann in einer Kajüte, die nur sechs Fuß hoch ist. Die Regierung bekommt nicht den Typhus in den Tropen.«

      »Nein – aber —«

      »Aber woran denkt denn die Regierung?«

      Blunt wischte sich die Stirn.

      »Wer wurde zuerst krank ?«

      »Kajüte Nr. 97. Zehn in der unteren Reihe. Er heißt John Rex.«

      »Sind Sie sicher, daß es das Fieber ist ?«

      »So

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