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unsere Ratlosigkeit merken, daß sie uns widerwillig die neuen Symptome mitteilen und uns scheel ansehen, daß sie miteinander tuscheln – mit einem Wort, es ist schlimm! Es gibt doch wohl eine Arznei, sagt man sich, gegen diese Krankheit, und es gilt nur, sie zu finden. Ist es vielleicht diese? Man macht den Versuch, nein, es ist nicht die richtige. Man läßt der Arznei keine Zeit, ordentlich zu wirken . . . bald greift man nach dieser, bald nach jener. Man nimmt das Rezeptbuch zur Hand und denkt sich, das richtige Mittel steht doch drin! Bei Gott, manchmal schlägt man das Buch aufs Geratewohl auf und denkt sich, vielleicht hilft das Schicksal . . . Der Mensch liegt indessen im Sterben; ein anderer Arzt könnte ihn sicher retten. Du sagst, es sei ein Konsilium nötig, du wollest die Verantwortung nicht allein tragen. So dumm schaust du aber in solchen Fällen aus! Doch mit der Zeit gewöhnst du dich daran, und es macht dir nichts. Der Kranke ist gestorben, es ist nicht deine Schuld, du bist nach allen Regeln vorgegangen. Noch qualvoller ist aber dieses: Du siehst das blinde Vertrauen, das man dir entgegenbringt, und fühlst dabei, daß du nicht helfen kannst. So ein Vertrauen setzte eben die ganze Familie Alexandra Andrejewnas auf mich: Sie hatten ganz vergessen, daß ihre Tochter in Lebensgefahr schwebte. Ich suche sie auch meinerseits zu überzeugen, daß es nichts Ernstes sei, aber das Herz krampfte sich mir vor Gram zusammen. Um das Unglück voll zu machen, waren die Wege so schlecht geworden, daß der Kutscher mit den Arzneien oft ganze Tage ausblieb. Ich verlasse das Krankenzimmer nicht, kann mich von ihr nicht losreißen, erzähle ihr, wissen Sie, allerlei lustige Anekdoten, spiele Karten mit ihr. Durchwache ganze Nächte. Die Alte dankt mir mit Tränen in den Augen, ich aber denke mir: Ich verdiene diesen Dank nicht. Ich gestehe es Ihnen offen, jetzt brauche ich es nicht mehr zu verheimlichen – ich verliebte mich in meine Kranke. Auch Alexandra Andrejewna hing an mir; außer mir ließ sie niemand zu sich ins Zimmer. Sie spricht mit mir, fragt mich aus, wo ich studiert habe, wie ich lebe, wer meine Verwandten seien, mit wem ich verkehre. Ich weiß, daß sie nicht sprechen darf, aber ich bringe es nicht übers Herz, es ihr zu verbieten. Manchmal fasse ich mich beim Kopf und rufe: ›Was tust du, Verbrecher . . .?‹ Oder sie nimmt mich bei der Hand, hält meine Hand fest, sieht mich an, sieht mich lange, lange an, seufzt und sagt: ›Wie gut sind Sie!‹ Sie hat so heiße Hände, große, schmachtende Augen. ›Ja‹, sagt sie, ›Sie sind ein guter Mensch, ganz anders als unsere Nachbarn . . . nein, Sie sind ganz anders . . . Warum habe ich Sie nicht schon früher kennengelernt – ›Alexandra Andrejewna, beruhigen Sie sich‹, sage ich ihr, ›glauben Sie mir, ich fühle es, ich weiß nicht, womit ich es verdient habe . . . aber beruhigen Sie sich . . . alles wird gut werden, Sie werden gesund werden.‹ – Indessen muß ich Ihnen sagen«, fügte der Kreisarzt hinzu, indem er sich etwas vorbeugte und die Augenbrauen hob, »die Leute verkehrten mit den Nachbarn fast gar nicht, weil die kleineren Leute zu ihnen nicht paßten, aber mit den Reichen zu verkehren ihnen der Stolz nicht erlaubte. Ich sage Ihnen ja: Es war eine außerordentlich gebildete Familie; ich fühlte mich sogar geschmeichelt. Nur aus meinen Händen nahm sie die Arznei . . . die Ärmste setzte sich mit meiner Hilfe im Bett auf, schluckte die Arznei herunter und sah mich so an, daß mir das Herz stillstand. Indessen ging es ihr immer schlimmer und schlimmer; sie wird sterben, denke ich mir, sie wird ganz gewiß sterben. Glauben Sie es mir, ich könnte selbst ins Grab steigen. Ihre Mutter und die Schwestern beobachten mich und sehen mir in die Augen . . . und das Vertrauen schwindet. ›Nun? Wie geht es?‹ – ›Es geht nicht schlecht!‹ Aber von ›nicht schlecht« ist nicht die Rede, der Verstand steht mir still. So sitze ich eines Nachts wieder allein neben der Kranken. Das Dienstmädel sitzt auch da und schnarcht, was sie schnarchen kann . . . Dem unglücklichen Mädel konnte man keine Vorwürfe machen: Sie war zu abgehetzt. Alexandra Andrejewna hatte sich den ganzen Abend sehr schlecht gefühlt: Das Fieber quälte sie. Bis zur Mitternacht hatte sie sich hin und her gewälzt; endlich schien sie eingeschlafen zu sein; jedenfalls lag sie unbeweglich da. In der Ecke vor dem Heiligenbild brennt das Lämpchen. Ich sitze da, das Gesicht gesenkt, schlummere ebenfalls ein wenig. Plötzlich ist es mir, als stieße mich jemand in die Seite; ich wende mich um . . . Du lieber Gott! Alexandra Andrejewna starrt mich an . . . die Lippen stehen offen, die Wangen glühen förmlich. ›Was ist Ihnen?‹ – ›Doktor, ich werde doch sterben?‹ – ›Gott bewahre!‹ – ›Nein, Doktor, sagen Sie mir bitte nicht, daß ich leben werde . . . sagen Sie es nicht . . . wenn Sie nur wüßten . . . hören Sie, um Gottes willen, verheimlichen Sie vor mir meinen Zustand nicht!‹ Und dabei atmet sie so schnell. ›Wenn ich sicher wissen werde, daß ich sterben muß . . . dann werde ich Ihnen alles, alles sagen!‹ – ›Alexandra Andrejewna, ich bitte Sie!‹ – ›Hören Sie, ich habe ja gar nicht geschlafen, ich sehe Sie schon lange an . . . um Gottes willen . . . ich vertraue Ihnen, Sie sind ein guter Mensch, ein prächtiger Mensch, ich beschwöre Sie bei allem, was Ihnen heilig ist, sagen Sie mir die Wahrheit! Wenn Sie wüßten, wie wichtig es für mich ist . . . Doktor, um Gottes willen, sagen Sie mir, mein Zustand ist doch gefährlich?‹ – ›Was soll ich Ihnen sagen, Alexandra Andrejewna, ich bitte Sie!‹ – ›Um Gottes willen, ich flehe Sie an!‹ – »Ich kann es Ihnen nicht verhehlen, Alexandra Andrejewna, daß Ihr Zustand wirklich gefährlich ist, aber Gott ist gnädig . . .‹ – ›Ich werde sterben, ich werde sterben . . .‹ Und es schien, als freute sie sich darüber, ihr Gesicht wurde so heiter; ich erschrak. – ›Aber fürchten Sie sich nicht, fürchten Sie sich nicht, der Tod schreckt mich nicht.‹ Sie erhob sich plötzlich und stützte sich auf einen Ellenbogen. ›Jetzt . . . jetzt kann ich Ihnen sagen, daß ich Ihnen von ganzem Herzen dankbar bin, daß Sie ein guter, prachtvoller Mensch sind, daß ich Sie liebe . . .‹ Ich sehe sie wie wahnsinnig an; es ist mir ganz unheimlich zumute . . . ›Hören Sie es, ich liebe Sie . . .‹ – ›Alexandra Andrejewna, womit habe ich es verdient!‹ – ›Nein, nein, Sie verstehen mich nicht . . . du versteht mich nicht . . .‹ Und plötzlich streckte sie die Hände aus, umfaßte meinen Kopf und küßte mich . . . Glauben Sie mir, ich hätte beinahe aufgeschrien . . .! Ich fiel in die Knie und barg den Kopf ins Kissen. Sie schweigt; ihre Finger zittern in meinen Haaren; ich höre, sie weint. Ich beginne, sie zu trösten, ihr zuzureden . . . ich weiß wirklich nicht mehr, was ich ihr alles sagte. – ›Sie werden das Mädel wecken, Alexandra Andrejewna . . . ich danke Ihnen . . . glauben Sie mir . . . beruhigen Sie sich.‹ – »Ist schon gut, ist schon gut‹, sagte sie immer wieder. ›Gott sei mit ihnen allen; gut, sie werden erwachen, gut, sie werden herkommen, es ist mir ganz gleich: Ich werde doch sterben . . . Aber was fürchtest du? Heb doch den Kopf . . . Oder Sie lieben mich vielleicht nicht, vielleicht habe ich mich getäuscht . . . in diesem Falle verzeihen Sie mir.‹ – ›Alexandra Andrejewna, was sagen Sie . . .? Ich liebe Sie, Alexandra Andrejewna.‹ Sie blickte mir gerade in die Augen und öffnete die Arme. – ›Umarme mich denn . . .‹ Ich will es Ihnen offen sagen: Ich verstehe nicht, wie ich in jener Nacht nicht den Verstand verloren habe. Ich fühle, meine Patientin richtet sich selbst zugrunde; ich sehe, sie ist nicht bei Besinnung; ich verstehe auch, daß wenn sie nicht glaubte, sie müsse gleich sterben, sie an mich gar nicht gedacht hätte. Wie Sie wollen, es ist doch unheimlich, mit fünfundzwanzig Jahren zu sterben, ohne jemand geliebt zu haben. Das war es, was sie quälte, darum klammerte sie sich in ihrer Verzweiflung an mich – verstehen Sie es jetzt? Aber, sie läßt mich nicht aus ihren Armen los. ›Erbarmen Sie sich meiner, Alexandra Andrejewna, erbarmen Sie sich auch Ihrer selbst!‹ sage ich ihr. – ›Warum‹, sagt sie, ›soll ich mich erbarmen? Ich muß ja doch sterben . . .‹ Das wiederholte sie in einem fort. – ›Wenn ich wüßte, daß ich am Leben bleibe und daß ich ein anständiges junges Mädchen sein werde, dann würde ich mich schämen, ich würde mich wirklich schämen . . . aber so?‹ – ›Wer hat Ihnen denn gesagt, daß Sie sterben werden?‹ – ›Ach, hör auf, du wirst mich nicht betrügen, du verstehst gar nicht zu lügen, sieh mich nur an.‹ – ›Sie werden am Leben bleiben, Alexandra Andrejewna, ich werde Sie gesund machen; wir werden Ihre Frau Mama um ihren Segen bitten . . . wir werden uns durch das Band der Ehe verbinden, wir werden glücklich sein.‹ – ›Nein, nein, ich habe Ihr Wort, ich muß sterben . . . du hast mir versprochen . . . du hast mir gesagt . . .‹ Es war mir so bitter, aus vielen Gründen bitter. Urteilen Sie selbst, was man nicht alles erlebt. Man könnte meinen, es sei nichts Wichtiges, und doch tut es weh. Es fiel ihr ein, mich nach meinem Namen zu fragen, nicht nach dem Familiennamen, sondern nach dem Vornamen. Nun habe ich das Unglück, Trifon
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