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Gesicht, einem Stiernacken und einem runden und dicken Bauch. Er ging auf meinen Vorschlag ein. Etwa hundert Schritt von der Mühle befand sich ein kleiner, von allen Seiten offener Schuppen. Man brachte uns Heu und Stroh heraus; der Knecht stellte im Gras am Fluß den Samowar für uns auf, kauerte sich hin und begann eifrig in den Schornstein zu blasen . . . Die knisternde Kohlenglut beleuchtete hell sein jugendliches Gesicht. Der Müller lief hin, seine Frau zu wecken, und schlug mir schließlich selbst vor, in der Stube zu übernachten; aber ich zog vor, im Freien zu bleiben. Die Müllerin brachte uns Milch, Eier, Kartoffeln und Brot. Bald kochte der Samowar, und wir machten uns ans Teetrinken. Vom Fluß stieg Nebel auf, die Luft war windstill; ringsum schrien die Schnarrwachteln; von den Mühlrädern kam ein leises Geräusch: Es waren die Tropfen, die von den Schaufeln fielen, und das Wasser, das durch die Schleuse sickerte. Wir legten ein kleines Feuer an. Während Jermolai in der Asche Kartoffeln briet, hatte ich Zeit, ein wenig einzuschlummern . . . Ein leises, verhaltenes Flüstern weckte mich. Ich hob den Kopf: Vor dem Feuer saß auf einem umgestürzten, Kübel die Müllerin und unterhielt sich mit meinem Jäger. Ich hatte in ihr schon früher an ihren Kleidern, an der Aussprache und den Körperbewegungen eine frühere Angehörige des Hausgesindes erkannt; sie war jedenfalls kein Bauernweib und keine Kleinbürgerin; aber erst jetzt konnte ich ihre Züge genau unterscheiden. Dem Aussehen nach mochte sie etwa dreißig Jahre alt sein; das schmächtige blasse Gesicht zeigte noch die Spuren einer außergewöhnlichen Schönheit; besonders gut gefielen mir ihre großen, traurigen Augen. Sie stützte beide Ellenbogen auf die Knie und das Gesicht in die Hände. Jermolai saß mit dem Rücken zu mir und legte Späne ins Feuer.

      »In Sheltuchina ist wieder eine Viehseuche«, sagte die Müllerin. »Dem Popen Iwan sind beide Kühe eingegangen . . . Gott sei uns gnädig!«

      »Und wie steht’s mit euren Schweinen?« fragte Jermolai nach einer Pause.

      »Die leben.«

      »Wenn Ihr mir doch ein Ferkelchen schenken wolltet.«

      Die Müllerin antwortete nichts, dann seufzte sie auf.

      »Mit wem seid Ihr hier?« fragte sie.

      »Mit dem Herrn von Kostomarowo.«

      Jermolai warf einige Tannenzweige ins Feuer; die Zweige knisterten sofort laut, und ein dichter weißer Rauch stieg ihm gerade ins Gesicht.

      »Warum hat uns dein Mann nicht in die Stube gelassen?«

      »Er fürchtet sich.«

      »Der Dickwanst . . . Liebste Arina Timofejewna, bring mir doch ein Gläschen Schnaps!«

      Die Müllerin erhob sich und verschwand im Dunkeln. Jermolai sang mit halber Stimme:

      »Als ich zu der Liebsten lief,

      trat ich meine Stiefel schief . . .«

      Arina kam mit einer kleinen Flasche und einem Glas zurück. Jermolai erhob sich, bekreuzigte sich und trank den Schnaps in einem Zuge. »Das habe ich gern«, fügte er hinzu.

      Die Müllerin setzte sich wieder auf den Kübel.

      »Du kränkelst wohl immer, Arina Timofejewna?«

      »Ja, ich kränkele.«

      »Was fehlt dir denn?«

      »Jede Nacht quält mich der Husten.«

      »Der Herr ist, glaub’ ich, eingeschlafen«, sagte Jermolai nach kurzem Schweigen. »Geh aber nicht zum Doktor, Arina, sonst wird es noch schlimmer.«

      »Ich geh’ auch nicht.«

      »Komm lieber zu mir.«

      Arina senkte den Kopf.

      »Meine Frau jag’ ich dann aus dem Hause«, fuhr Jermolai fort. »Wirklich!«

      »Wecken Sie doch lieber den Herrn, Jermolai Petrowitsch; Sie sehen doch, die Kartoffeln sind fertig.«

      »Soll er nur schnarchen«, bemerkte mein treuer Diener gleichgültig. »Er hat sich müde gelaufen, darum schläft er jetzt.«

      Ich rührte mich auf meinem Heu. Jermolai erhob sich, trat zu mir und sagte: »Die Kartoffeln sind fertig, wollen Sie essen.«

      Ich kam aus dem Schuppen heraus; die Müllerin erhob sich von ihrem Kübel und wollte weggehen. Ich zog sie ins Gespräch.

      »Habt ihr die Mühle schon lange in Pacht?«

      »Zu Pfingsten waren es zwei Jahre.«

      »Wo stammt dein Mann her?«

      Arina überhörte meine Frage.

      »Woher ist dein Mann?« wiederholte Jermolai mit lauter Stimme.

      »Aus Bjelew. Er ist ein Bjelewer Kleinbürger.«

      »Bist du auch aus Bjelew?«

      »Nein, ich bin eine Herrschaftliche . . . bin eine Herrschaftliche gewesen.«

      »Wessen?«

      »Des Herrn Swjerkow. Jetzt bin ich frei.«

      »Welcher Swjerkow ist das?«

      »Alexander Silytsch.«

      »Warst du nicht Zofe bei seiner Frau?«

      »Ich war es. Woher wissen Sie das?«

      Ich sah Arina mit doppelter Neugierde und Teilnahme an.

      »Ich kenne deinen Herrn«, fuhr ich fort.

      »Sie kennen ihn?« fragte sie mit leiser Stimme und senkte die Augen.

      Ich muß dem Leser erklären, warum ich Arina mit solcher Teilnahme ansah. Während meines Aufenthaltes in Petersburg hatte ich zufällig den Herrn Swjerkow kennengelernt. Er bekleidete einen ziemlich hohen Posten und galt als kenntnisreicher und erfahrener Mensch. Er hatte eine korpulente, empfindsame, zum Weinen aufgelegte und böse Frau, ein schwerfälliges Dutzendgeschöpf; er hatte auch ein Söhnchen, ein echtes, verzogenes und dummes Herrschaftskind. Das Äußere des Herrn Swjerkow nahm nicht zu seinen Gunsten ein: Aus seinem breiten, beinahe viereckigen Gesicht blickten listig zwei kleine Mauseaugen und ragte eine große und spitze Nase mit weitgeöffneten Nasenlöchern; die kurzgeschorenen grauen Haare stiegen wie Borsten über der gerunzelten Stirn empor, und die dünnen Lippen bewegten sich fortwährend und lächelten zuckersüß. Herr Swjerkow stand gewöhnlich mit gespreizten Beinen da, die dicken Hände in den Hosentaschen. Einmal mußte ich mit ihm im Wagen vor die Stadt fahren. Wir kamen ins Gespräch. Als erfahrener und tüchtiger Mensch fing Herr Swjerkow an, mir ›den rechten Weg‹ zu weisen.

      »Gestatten Sie mir die Bemerkung«, sagte er schließlich mit seiner piepsenden Stimme. »Ihr jungen Leute urteilt und redet über alle Dinge aufs Geratewohl; ihr kennt euer Rußland nicht – das ist die Sache! Ihr lest ja nur deutsche Bücher. Sie sagen mir jetzt zum Beispiel dies und jenes von den Leibeigenen . . . Gut, ich will nicht streiten, das ist alles schön, aber Sie kennen sie nicht, Sie wissen gar nicht, was das für ein Volk ist.« Herr Swjerkow schneuzte sich geräuschvoll die Nase und nahm eine Prise. »Gestatten Sie mir zum Beispiel, Ihnen eine kleine Anekdote zu erzählen; sie kann Sie interessieren.« Herr Swjerkow räusperte sich. »Sie wissen ja, was ich für eine Frau habe. Eine gutmütigere Frau kann man wohl schwer finden, das werden Sie mir zugeben. Ihre Zofen haben ein paradiesisches Leben . . . Aber meine Frau hat es sich zum Grundsatz gemacht, keine verheirateten Zofen zu halten. Solche taugen auch wirklich nicht. Sie kriegen Kinder, bald dies, bald jenes; wie soll dann die Zofe so, wie es sich gehört, ihre Herrin bedienen und auf ihre Gewohnheiten achten? Sie hat dann ganz andere Sachen im Kopf. Man muß die Sache rein menschlich nehmen. So kamen wir einmal durch eines unserer Dörfer, es sind, wenn ich mich recht besinne, an die fünfzehn Jahre her. Da sehen wir, der Schulze hat eine Tochter, ein reizendes Mädel; sie hat sogar, wissen Sie, etwas Einschmeichelndes in den Manieren. Meine Frau sagt zu mir: ›Koko‹, wissen Sie, sie pflegte mich so zu nennen, ›wollen wir dieses empört . . . Stellen Sie sich nur mein Erstaunen vor: Einige Zeit später kommt zu mir meine Frau in Tränen und so aufgeregt, daß ich sogar erschrak. – ›Was ist denn geschehen?‹ – ›Arina . . .‹ Sie verstehen, ich schäme mich, es auszusprechen. – ›Es kann nicht sein . . .! Wer war es denn?‹ – ›Der Lakai Petruschka.‹ Ich geriet

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