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unglücklich,« seufzte der junge Mann; »an mir selbst ist noch am wenigsten gelegen, aber die arme sie Cilia! Sie sollte die Frau des Trunkenboldes werden? Das wäre ihr Tod, sie flieht ihn wie die Sünde! . . . Wüßte ich doch nur was in aller Welt zu machen sei!«

      »Ein herzhafter Entschluß allein kann hier helfen: Euer Vater muß der Forderung der Baase Roosen nachgeben.«

      »Das will er nicht.«

      »Er muß wollen, es gibt kein anderes Mittel.«

      »Aber sagt einmal selbst, wäre es nicht geradezu unerträglich hart für meinen armen Vater? Ich selbst habe noch nicht einmal gewagt, ihn darum zu bitten.«

      »So gebt alle Hoffnung auf; Cilia ist dann überkurz oder lang die Braut des Markus . . . und wer weiß, am Ende söhnt sie sich mit ihrem Schicksal aus, der Markus ist ein schmucker und Bursch kann sich bessern. Seine Mutter ist reich, sie überläßt ihm den Gasthof; der »goldene Apfel« ist kein übler Erwerbszweig.«

      Urban senkte den Blick und schüttelte traurig den Kopf.

      »Nun nur nicht gleich verzweifelt,« sagte seine Begleiterin, an Eurer Stelle würde ich meinem Vater noch einmal gründlich zu Leibe gehn und ihm begreiflich machen, daß er nur einen Sohn hat Euer Lebensglück steht auf dem Spiele, Baas Coutermann darf vor keinem Opfer, wie groß es auch immer sei, zurückscheun oder er hat kein Herz.«

      »Meinen guten Vater soll ich so tief betrüben, soll ihn bitten, Alles, was er ein langes Leben hindurch im Schweiße seines Angesichtes verdient hat, mir zu übergeben?« seufzte Urban; »ach das ist schrecklich, ich bebe davor zurück wie vor einem Verbrechen. Für Cilia aber will ich es dennoch wagen, heute noch!«

      »Das nenne ich ein vernünftiges Vorhaben, Urban;« sagte die Frau; »ich weiß, Ihr werdet mir später noch danken für den Rath, den ich Euch gegeben habe.«

      Sie hatten inzwischen die Chaussee nach Alsemberg erreicht und näherten sich einem prächtigen Landhause, das unter hohen schattigen Bäumen etwas seit ab vom Wege lag und die Stelle des ehemaligen Schlosses Dworg einnahm, welches von den französischen Truppen Ludwig’s XIV. beinah bis auf den Grund niedergebrannt war.

      In neuerem Geschmack wieder aufgebaut zeigte es gleichwohl noch einige Ueberreste der alten Herrlichkeit. So stand noch zu beiden Seiten des Eingangs je ein schwerfälliger Thurm, in dessen Grundfesten sich drei oder vier gewölbte Kerker befanden, für Räuber und Mörder bestimmt. Denn die Herren von Dworg handhabten eine eigne Gerichtsbarkeit und verfügten über einen Galgen und eine Folter.«

      Den Blick auf einen der Thürme gerichtet sagte die Baase Gerts zu ihrem Gefährten:

      »Seht, Urban, so oft ich hier vorübergehe, überläuft es mich kalt und ich fange unwillkürlich an zu zittern. Es mögen wohl zwanzig Jahre vergangen sein . . . ja, denn wir schreiben nun 1740 . . . ich war noch ein junges Ding . . . da hatte man unter dem Thurm an der linken Seite des Thores einen gewissen Franz Reefs eingesperrt, einen armen Schlucker, der im Verdachte des Holzdiebstahls stand. Mitten im Winter war es, und so kalt, daß Franz Nachts in seinem Kerker erfror. Als man des Morgens nach ihm sah, fand sich, daß die Ratten . . . pfui, es ist in schrecklich, um es zu erzählen, der unglückliche Mensch war kaum noch zu erkennen.

      »Schaut doch nur dahin, Urban, da kommen eben die Schlitten aus der Burg mit einem Gefangenen!«

      »Das ist Lukas Stoppelinx, der Schuhmacher aus Beersel, der vergangene Woche im »goldenen Apfel« eine Schlägerei hatte,« bemerkte Urban.

      »Richtig ich habe davon gehört, er hat dein Sohn des Wagenbauers mit einem Hieb den Arm zerschmettert und wird nun nach Beersel gebracht, um dort verurtheilt zu werden, der Herr von Beersel hat ihn als Gutsangehörigen zurückgefordert. Und er kann von Glücken sagen, daß die Sache diesen Verlauf genommen, denn nun wird er mit ein paar Monaten und etwas Sühngeld davon kommen, während sie ihn hier gegeißelt oder wohl gar gehängt hätten. Unser Herr Baron will die leidige Gewohnheit des Schlagens nun durchaus unterdrücken und hat, vor seiner Abreise nach Wien den Drosten angewiesen, mit aller Strenge gegen die Krakeler zu verfahren. Ihr kennt doch den Sebastian Voet aus Grootheyde?«

      »Laßt uns weiter gehen, Baase Geerts,« unterbrach Urban ihren Redefluß, »ich habe Eile.«

      »Weil der Amtmann dabei ist, nicht wahr? Er ist der Feind Eures Glücks und Ihr begegnet ihm ungern.«

      »So ist es, kommt ich bitte Euch.«

      »Nein ich will bleiben, um sie vorübergehn zu sehn.«

      »So wünsch ich Euch Lebewohl, Baase.«

      »Werdet Ihr meinen Rath befolgen?«

      »Ja, noch heute.«

      »Auf Wiedersehn denn; da kommen sie! Schaut sie haben dem Lukas die Hände auf dem Rücken gebunden! . . . «

      Urban setzte allein seinen Weg fort, anfangs, wie es schien dem Dorfe zu, dessen Kirchlein, von einigen Häusern umgeben, unweit der Landstraße lag; bald aber wandte er sich der linken Seite in ein schattiges Thal, schritt über eine kleine Brücke und an ein paar Wassermühlen vorüber, die in nur geringer Entfernung voneinander, an einem klaren Bache lagen.

      In seiner Einsamkeit dachte der arme wieder mit Trauer an das hart Loos, das ihn bedrohte. Die Bitte, die er an seinen Vater zu richten beschlossen hatte, erschreckte ihn, er suchte all seinen Muth zusammen, um im entscheidenden Augenblicke nicht zu erliegen.

      Als er an der dritten Mühle vorüberging, blickte er schüchtern umher; hier wohnte ja Cilia! . . . Doch er war bereits jenseits der Baulichkeiten und hatte Niemanden bemerkt. Jetzt richtete er seine Schritte einem Hause zu, das etwa einen Steinwurf weit von der Mühle lag. Der Düngerhaufen vor der offenen Stallthür, der von den Kronen mächtiger Apfelbäume überwölbte Obstgarten, der blinkende Pflug, die grün angestrichenen Fensterläden, die Felder endlich, die gleich bunten Teppichstreifen über den, hinter dem Hause sanft anschwellenden Hügel gebreitet waren, alles dieses kennzeichnete die Wohnung eines bemittelten Landmanns.

      Urban trat in’s Haus, setzte seinen Korb auf den Boden und sank auf die an dem Tische stehende Bank.

      »Sieh da Urban; wie war der Markt?« fragte ihn ein Knecht, der Körbe flechtend oder ausbessernd, in einem Winkel saß.

      »Nun wie gewöhnlich;« antwortete der Andere. »Wo ist mein Vater?«

      »Das weise ich nicht; vordem war der Müller hier und hat eilig ein Paar Worte mit ihm gewechselt; er schien traurig, Dein Vater ärgerlich zu sein. Nachdem er eine Weile leise mit Deiner Mutter gesprochen hatte, sind Beide zusammen fortgegangen.«

      »Der Mühle zu?«

      »Oder dem Dorfe; der Müller mußte etwas Wichtiges vor haben, denn er bat Deinen Vater mit gefalteten Händen, ihn zu begleiten. Soll ich einmal nachsehen, ob sie in der Mühle sind?«

      Urban schüttelte verneinend den Kopf.

      »Die Mutter ist im Stall; soll ich ihr sagen, daß Du vom Markte zurück bist?«

      Da er wieder keine Antwort erhielt, blickte er seinen jungen Herrn mitleidig an und setzte dann schweigend die Arbeit fort.

      Dieser Knecht, Blasius Schleifstein geheißen, war ein auffallender Mensch. Er hatte eine hohe Schulter und einen furchtbar großen Mund, hinkte auf dem linken Fuß und hatte Arme von ungewöhnlicher Länge.

      Er war ein Findling, ein elternloses Kind. Als er das Alter den fünf Jahren erreicht hatte und der Armenvorstand ihn zum Kühehüten bei den Bauern unterzubringen suchte, wollte Niemand sich des garstigen Geschöpfes erbarmen, bis endlich Frau Coutermann sich dazu bereit erklärte und den armen Knaben zu sich nahm. Sie behandelte ihn stets gütig und da Blasius Überall sonst nur Spott und Lieblosigkeit fand, wandte er sein ganzes Herz seiner Wohltäterin zu. Was sie erfreute, machte ihn froh, ihr Kummer war auch der seine.

      Dem Markus Corf trug er in Folge dessen einen so feurigen Haß zu, daß er ungeachtet seiner sonstigen Furchtsamkeit und Schwäche, diese Empfindungen nicht verbergen konnte, was dem armen Burschen oftmals Schlage und Püffe eintrug. Auch heute mußte wieder etwas Derartiges vorgefallen sein, denn nachdem er seinen jungen

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